7052263-1991_05_17.jpg
Digital In Arbeit

Eine spannungsreiche Lebensgemeinschaftl

19451960198020002020

Wie schon der berühmte englische Verleger Stanley Un-win vor 80 Jahren feststellte: „Verleger sind vielgeschmähte Leute. Gemessen an ihrer Zahl, könnte man zweifeln, ob es noch einen Beruf gibt, der so oft kritisiert wird." Nun hat sicherlich die Evolution das ihrige dazu getan, daß nur die Widerstandsfähigsten unter dieser seltenen Spezies sich fortentwik-keln, aber trotzdem greift sicherlich immer noch jeder Verleger gerne zur Feder, wird ihm die seltene Gelegenheit geboten, auch einmal

19451960198020002020

Wie schon der berühmte englische Verleger Stanley Un-win vor 80 Jahren feststellte: „Verleger sind vielgeschmähte Leute. Gemessen an ihrer Zahl, könnte man zweifeln, ob es noch einen Beruf gibt, der so oft kritisiert wird." Nun hat sicherlich die Evolution das ihrige dazu getan, daß nur die Widerstandsfähigsten unter dieser seltenen Spezies sich fortentwik-keln, aber trotzdem greift sicherlich immer noch jeder Verleger gerne zur Feder, wird ihm die seltene Gelegenheit geboten, auch einmal

Werbung
Werbung
Werbung

Wünsche anmelden zu dürfen. Umso lieber natürlich, wenn sich diese Wünsche an seinen Lebensgefährten, den Buchhändler, richten sollen, von dem er nicht nur geliebt, sondern auch oft geschmäht wird.

Zur Klärung dieser spannungsreichen Lebensgemeinschaft ein paar Worte vorab: Verleger und Buchhändler befanden sich schon immer in einer prekären Situation, gibt es doch kaum einen anderen Berufszweig, der auf gleiche Weise gezwungen ist, kulturelle Verantwortung mit geschäftlichen Interessen so zu verbinden, daß eine wirtschaftliche Rentabilität gewährleistet bleibt.

Beide Berufsgruppen befassen

sich mit Produkten des schöpferisch tätigen Geistes, gehen also dem schwierigen Geschäft nach, Kultur zu vermarkten. Buchhändler wie Verleger sind Kaufleute, aber ihre Hauptaufgabe hat die Auswahl und die Förderung wertvollen Geistesgutes zu sein. Sie leben zwar vom Markt, aber für den Geist.

Beide tun dies aber im Gegensatz zum Beispiel zu Theater- und Opernhäusern ohne millionenschwere Subventionen und bewegen sich daher nur allzuoft auf ökonomisch gesehen gefährlich dünnem Eis. Gefahr verbindet: das Verhältnis Verlag-Buchhandlung ist deshalb das einer Schicksalsgemeinschaft. Beide sind aufeinander angewiesene Partner im System der Literaturversorgung. Gefahr macht aber auch nervös. Es nimmt deshalb nicht wunder, wenn in Zeiten wirtschaftlicher Turbulenzen die beiden Protagonisten durchaus verschiedener Meinung sind,

wie das gemeinsame Boot, in dem sie beide sitzen, zu steuern ist.

Was wünscht sich nun ein wissenschaftlicher Verleger von seinem Schicksalsgenossen, dem wissenschaftlichen Buchhändler:

• Im „Wörterbuch des Buchhandels" heißt es: „Sortimentsbuchhandel nennt man den Zweig, der mit Hilfe eines Sortiments, das heißt eines vielfältigen Lagers, den Vertrieb der Bücher an das Publikum im Ladengeschäft vornimmt." Die vom Verleger gewünschte qualitätvolle Buchhandlung definiert sich also nicht durch eine Ansammlung von Stapeln einiger Lehrbücher oder Bestseller, sondern durch die Vielfalt der am Lager gehaltenen Titel. Innerhalb der Bandbreite der Wissensgebiete, auf die sich ein Sortiment spezialisiert hat, muß ein ausreichend sortiertes Lager von Titeln vorhanden sein.

• Dazu gehört zum einen die attraktive, ständig wechselnde Prä-

sentation der am Lager befindlichen Titel in Schaufenstern, wie auch die Notwendigkeit sinnvoller Sachgruppenaufstellung. Und der These eines englischen Kollegen folgend, „The best sales man of a book is the book itself", gehört weiters die aktive Nutzung der vorhandenen Bücher oder des vom Verlag zur Verfügung gestellten Informationsmaterials: das nationale und internationale Kongreßwesen - ein bei vielen Buchhändlern eher un-gebliebtes Kind - bietet vielfältige Möglichkeiten, die gesamte Palette der vorhandenen Titel und des dazu passenden Prospektmaterials zu präsentieren. Fast alle Verlage pflegen solche Aktivitäten durch besondere Konditionen zu honorieren. Auch der Ansichtsversand an Bibliotheken wäre in diesem Zusammenhang zu nennen. Ebenso die kontinuierliche Kundenpflege durch Versand von Spezialprospek-ten, die ebenfalls von Verlagen gerne geliefert werden.

• Neben den bereits beschriebenen Aktivitäten der Lagerhaltung und Lagernutzung ist es für jeden wissenschaftlichen Verlag von existentieller Bedeutung, daß das „Besor-

gungsgeschäft" professionell gehandhabt wird. Ohne die vielen gut geführten Sortimente zu vergessen, muß man doch mit Sorge beobachten, daß Kunden zunehmend mit einem knappen „vergriffen" beschieden werden, nur weil das Buch nicht auf Lager oder im „Verzeichnis lieferbarer Titel" nicht zu finden ist.

Bei der sich immer mehr verstärkenden Spezialisierung der Wissenschaften sind aber Auflagen von 400 oder 500 Exemplaren auch bei Büchern in englischer Sprache nicht selten. Natürlich ist es die Aufgabe eines weltweit operierenden Verlages, die Informationen selbst an die potentiellen Kunden zu bringen, aber die Beschaffung des Buches gehört meiner Meinung nach eindeutig zu den immer vordringlicher werdenden Aufgaben eines wissenschaftlichen Sortiments. Nicht zuletzt würde damit auch vermieden, daß immer mehr Verlage erwägen, ihre Bücher auf dem Wege des Direktvertriebs zu vermarkten. Soweit die Wunschliste.

Es sollte abschließend aber doch noch erwähnt werden, daß das österreichische und deutsche buchhändlerische Distributionsnetz zu den effektivsten der Welt gehört. Auch sind die hier formulierten Wünsche eines Verlegers, die sich wohl mit denen eines Buchhandelskunden decken, in vielen Buchhandlungen schon längst verwirklichte Realität des Alltags.

Möge jeder Leser für sich entscheiden, ob „seine" Buchhandlung diesen Ansprüchen genügt.

Der Autor ist Direktor des Julius-Springer-Verlages in Wien.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung