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Vielfältige Natur, Einfalt der Ideen

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Die Statistiken weisen seit einigen Jahren bei den ausländischen Gästen einen kontinuierlichen Abwärtstrend auf. Was läuft falsch beim Fremdenverkehr „made in Austria“?

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Die Statistiken weisen seit einigen Jahren bei den ausländischen Gästen einen kontinuierlichen Abwärtstrend auf. Was läuft falsch beim Fremdenverkehr „made in Austria“?

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Österreichs Fremdenverkehr nimmt seit vier Jahren einen kontinuierlichen Verlauf — allerdings in die falsche Richtung:

Beginnend mit dem Fremdenverkehrsjahr 1981/82 haben es sich die erfolgsgewohnten Statistiker des Handelsministeriums abgewöhnen müssen, die Öffentlichkeit jubelnd mit neuen Nächti-gungsrekorden zu verwöhnen (siehe Kasten FVK-Rohbilanz).

Begnügt man sich nicht mit oberflächlichen Erklärungsversuchen wie Wetter und hohe Steuerbelastung der österreichischen Betriebe, so kann man feststellen, daß die heimische Fremdenverkehrslandschaft seit Jahren einem strukturellen Wandel ausgesetzt ist, den viele Verantwortliche nicht in ausreichendem Maß wahrhaben wollen.

Eine Hauptursache ist die jahrzehntelange viel zu einseitige Ausrichtung auf das Hauptherkunftsgebiet ausländischer Gäste, die Bundesrepublik Deutschland. Die Tatsache, daß sich Österreich mitunter peinlich und fast sklavisch an den deutschen Gast anpaßte — was nicht nur in lächerlichen Stilblüten auf unseren Speisekarten zum Ausdruck gekommen ist -, brachte uns in Summe recht wenig. Denn gerade die jüngere deutsche Urlaubergeneration nutzt die gut ausgebauten Nord-Süd-Routen nur, um auf schnellstem Weg nach Italien zu gelangen.

Andererseits entfallen fast 25 Prozent der deutschen Urlauber auf das von wirtschaftlichen Schwierigkeiten am meisten betroffene Nordrhein-Westfalen. Das scharenweise Fernbleiben der Gäste aus dem volkreichsten deutschen Bundesland brachte insbesondere die Nächtigungssta-tistik Kärntens auf den Tiefpunkt.

Neben der einseitigen Ausrichtung auf den mengenmäßig starken deutschen Markt hat Österreich vor allem eine wichtige Kurve noch nicht gekratzt: die Wende zur stärkeren Forcierung des Qualitätstourismus. Dieser notwendigen Wende steht leider noch allzu sehr jenes Image entgegen, das wir uns im Ausland sträflicherweise selbst aufgebaut haben. Das „Jodel-Dodel“-Getue reizt weder jüngere noch finanzkräftige Urlauber.

Daß Österreich „Heimat großer Söhne“ ist, haben wir bisher leider nur in Wien, Salzburg und ein wenig in Bregenz zur Geltung bringen können. Mozart, Haydn und Schubert werden noch immer von Pseudofolklore übertönt.

Daß die Hinwendung zu mehr Qualitätsbewußtsein durchaus erfolgreich sein kann, sehen wir, wenn man in der Statistik weiter nach hinten blättert. In gewerblichen Unterkünften der Vier- und Fünf-Stern-Kategorie verzeichneten wir voriges Jahr einen Nächtigungszuwachs von 8,7 Prozent. Die Drei-Stern-Betriebe freuten sich immerhin noch über einen Zuwachs von 2,4 Prozent. Zum Handkuß kamen die Ein-und Zwei-Stern-Kategorien mit einem Rückgang von 5,4 Prozent. Die Privatquartiere rutschten gar um 6,7 Prozent ab.

Gerade an dieser Stelle kann ein abermaliger Hinweis auf die deutschen Gäste nicht unterbleiben. Fast die Hälfte - exakt sind es 47,1 Prozent—der Urlauber aus der BRD bevorzugten im Vorjahr Privatquartiere oder Unterkünfte in Ein- und Zwei-Stern-Betrieben.

Mit naivem Augenaufschlag könnte man fragen, ob angesichts der negativen Trends auch die vielgepriesene österreichische Fremdenverkehrswerbung versagt hat. Darüber kann man natürlich streiten. Dieser Streit ist aber sinnlos, weil man stets dabei vergißt, auf die zwangsläufig weniger als bescheidene Rolle der österreichischen Fremdenverkehrswerbung (ÖFVW) hinzuweisen.

Für 1985 stehen der ÖFVW insgesamt 370 Millionen Schilling zur Verfügung. Voll Stolz wurde von den „Sponsoren“ (zu 60 Prozent der Bund, zu je 20 Prozent die Bundeswirtschaftskammer und die neun Bundesländer) verkündet, daß dies um 31 Millionen mehr sind als 1984. Der alljährliche Streit ums Budget ist gelinde gesagt, kindisch, wenn man die ef-fekten Werbebudgets der ÖFVW im Ausland betrachtet. (Auf die Hoffnungsmärkte USA und Japan entfallen 32,9 bzw. zehn Millionen Schilling.)

Um im Ausland eine professionelle mediale Wirkung zu erzielen, gebar ÖFVW-Chef Helmut Zolles vor einem Jahr eine bemerkenswerte Idee. Er regte die Schaffung einer „Austria Foundation“ an, einer von Banken, Versicherungen und sonstigen potenten österreichischen Institutionen getragenen Stiftung, die zunächst für drei Jahre jährlich 70 Millionen Schilling für gezielte Werbekampagnen aufbringen soll.

Die Idee ist zwar nicht eingeschlafen, sie wird aber in Österreichs Fremdenverkehrskreisen offensichtlich nicht einmal einer tiefschürfenden Diskussion für würdig befunden.

Die stereotyp wiederkehrende Forderung nach einer Reform der Getränkesteuer und nach einer generellen steuerlichen Entlastung der Fremdenverkehrsbetriebe ist zwar vielleicht für Bibliothekare, die von Zeit zu Zeit die Protokolle der Fremdenverkehrstagungen abstauben, von Interesse, aber sicherlich nicht für die Zukunft der österreichischen Fremdenverkehrswirtschaft.

Der Autor ist Chefredakteur von „a3 gast“, Magazin für Touristik, Hotelerie und Gastronomie.

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