Billig oder authentisch?

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Die Reiseveranstalter haben für jeden Geldbeutel etwas, aber die meisten österreichischen Urlauber schauen heuer mehr als sonst aufs Geld.

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Die Reiseveranstalter haben für jeden Geldbeutel etwas, aber die meisten österreichischen Urlauber schauen heuer mehr als sonst aufs Geld.

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Der Urlaub ist für viele Höhepunkt des Jahres. Den Zweireiher gegen die Badehose tauschen und statt Bier Campari trinken. Südliche Gefilde sind der Stoff, aus dem die Urlaubsträume der Österreicher sind. Das Sparpaket wirkt sich aber auch hier aus: je billiger, desto lieber.

"Wohin die Reise geht, ist vollkommen egal. Möglichst günstig soll es sein, warm und billig. Am besten, alles ist pauschal, Flug und Hotel inbegriffen," meint Miriam Schatzer von der Urlaubsbörse im Wiener Hilton Hotel. Die Restplatzbörse, fernweherzeugend gleich beim Flughafenbus, vermittelt an schlechten Tagen zehn bis 20 Urlaube, in der Hochsaison bis zu 100: "Die Last-Minute-Angebote gehen alle weg wie die warmen Semmeln," bestätigt Schatzer den Trend zu spontanen Urlaubsentscheidungen. Katalogbuchungen erfolgen durchschnittlich mit 14-tägiger Vorbuchung, daß jemand sich ein halbes Jahr vor Reiseantritt für ein Ziel entscheidet, ist eher selten. Dafür sind Kunden, die neben dem Preis noch andere Kriterien in die Urlaubsplanung einbeziehen und sich bewußt ein Hotel aus dem Katalog aussuchen, durchaus bereit, zwanzig- bis 25. 000 Schilling pro Person auszugeben. Sonst liegt die Schmerzgrenze heuer zwischen sieben- und 10.000 Schilling pro Woche und Nase. Die schnelle Entscheidung in letzte Minute bringt bis zu 4.000 Schilling Ersparnis.

Den Trend zu möglichst viel um möglichst wenig Geld macht sich auch eine Supermarktkette zunutze. Seit Jänner findet man zwischen Semmeln, Getränkedosen und Kosmetika auch gleich die Urlaubsangebote mit Tiefpreisgarantie: Ein Tag Istrien mit Halbpension kostet 380 Schilling, den Benzinpreis für die Autofahrt zahlt man noch selbst. Auch das Angebot einer Woche Tirol zum Familienpreis von unter 5.000 Schilling für eine Familie mit zwei Kindern bleibt unter den von der Österreichwerbung errechneten Durchschnittsausgaben. Man wolle jeden Billa-Kunden ansprechen, erklärt Martin Fast, zuständig für Verkauf und Organisation des gemeinsam mit den eben falls zu REWE gehörenden ITS Reisen agierenden Unternehmens, und sich mit der Tiefpreisgarantie auch in der Reisebranche ein Standbein schaffen. Billa ist auch im Internet, damit Männer, die nicht selbst einkaufen, beim Surfen auf den Billigurlaub stoßen. Das Angebot ist vor allem auf Familien zugeschnitten.

Renner der Saison ist derzeit Griechenland, das heuer zu den Lieblingsreiseländern der Österreicher zählt. Vielleicht hat der Film "Titanic" dazu beigetragen, jedenfalls gibt es dort das Projekt eines "Titanic"-Nachbaues, aber natürlich auch eine eigene Disney-Welt zum vollkommenen kindlichen Urlaubsvergnügen.

Ägypten, wegen der Mordanschläge auf Touristen in den letzten Jahren ins Hintertreffen geraten, hat heuer mit 267 Prozent Zuwachs wieder einigen Konkurrenten das Wasser abgegraben. Acht Tage Vollpension inklusive Nilkreuzfahrt um nicht einmal 5.000 Schilling sind natürlich besonders günstig, doch insgesamt sind die Preise im Land am Nil heuer so niedrig wie schon lange nicht. Nach der langen Flaute müssen Touristen her, koste es, was es wolle. Außerdem kommt Ägypten einem weiteren Trend entgegen: Kreuzfahrten werden immer beliebter, das Land der Pharaonen ist da ebenso im Angebot wie Schiffsreisen entlang des Yangtsekiang oder von Moskau nach Sankt Petersburg.

Auch für Menschen, die ihre Fernreisen ernsthaft planen und Land und Leute kennenlernen wollen, gibt es Angebote. Neben den "Pineapple-tours", die sich auf Abenteuerreisen spezialisiert haben, bemüht sich das Reisebüro "Meet the people", Menschen mit Gewissen anzusprechen: Projektreisen, Frauenreisen, Fahrrad- und Wanderreisen sowie ein Programm für "Ecovolunteers" sprechen Menschen an, die nicht nur am Strand liegen möchten. Die Begegnung mit den Einwohnern, Umwelt- und Sozialverträglichkeit stehen hier im Vordergrund. Öffentliche Verkehrsmittel, Mittelklassehotels, Tanzkurse und Kreativworkshops sorgen für möglichst authentische Begegnung mit der fremden Kultur. In Thailand wohnen die Reisenden bei gastgebenden Familien in Projektdörfern und eine Nacht im Dschungelcamp. Die zwei- oder dreiwöchigen Touren kosten zwischen 26.950 und 31.500 Schilling und sind damit um einiges teurer als konventionelle Urlaube im Viersternehotel am Sandstrand. Dafür werde, hört man, die Dorfentwicklung gefördert, bei den "Ecovolunteers" würden "77 Prozent der Spesen" in unterstützte Projekte fließen. Die Teilnehmer müssen mindestens 18 Jahre alt sein und sich viel Zeit für die Vorbereitung nehmen. Das Angebot geht vor allem in Richtung Naturschutz, die Beobachtung von Walen in Kanada findet sich genauso dabei wie die Spurensuche von Wölfen in Rumänien. "Meet the people" bietet aber auch für die gewöhnlicheren Urlaubsangebote Vorbereitungsseminare an und steuert damit diametral gegen den "Restplatz-Trend".

Präsenz im Internet ist heute für jeden Anbieter eine Selbstverständlichkeit. "The virtual tourist" bietet unter den Kategorien Reise, Unterhaltung, Busineß, Officials und Kultur zu jedem Land des Kontinents ein Link. Von der Motorradtour bis zur Freikörperkultur in Frankreich, vom Hotel bis zum Leihauto läßt sich hier alles finden, buchen und bezahlen. Die vielen Bilder ersparen beinahe schon die Reise selbst. Von Ökista über Lufthansa, Lauda, Restplatzbörsen bis zu "Lonely Planet Guidebooks" und Wiener Tourismusverband verfügt beinahe alles, was mit Urlaub zu tun hat, über eine Adresse im World Wide Web. Das Internet werde in diesem Bereich sehr stark werden, bestätigt auch Peter Nemeskal vom "Reisemagazin" den Hang zu wenig Zeit- und Geldaufwand. Österreich gerate aber bei den Billigangeboten immer mehr ins Hintertreffen, stellt er fest.

Das stimmt allerdings so doch nicht ganz. Nachdem allsommerlich der österreichische Tourismus von den heimischen Medien totgesungen wurde, ist endlich ein Ende der Talfahrt abzusehen. Bei der von Wirtschaftsministerium, Wirtschaftskammer, Österreichwerbung und allen Bundesländern in Auftrag gegebenen Gästebefragung fiel das Urteil besser aus als erwartet. 1998 konnte Österreich immerhin 111 Millionen Nächtigungen verbuchen, fast zwei Prozent mehr als im Jahr davor. Die Hotels verbuchten einen leichten Nächtigungszuwachs, Privatquartiere büßten weitere sechs Prozent ihrer Gäste ein, das war aber gegenüber beinahe zehn Prozent im Jahr davor noch milde. Bei den ausländischen Gästen konnte das Minus endgültig in ein Plus von 1,7 Prozent verwandelt werden, womit 1998 internationale Urlauber beinahe 82 Millionen Nächte in Österreich verbrachten. Den Löwenanteil stellen mit zusammen fast 60 Millionen Nächtigungen Deutsche und Holländer. Die Amerikaner legten 13 Prozent zu, die Australier gar beinahe 40, während bei den Japanern nur ein Prozent mehr zu verzeichnen war.

Der Zuwachs inländischer Urlauber läßt jedes Patrioten Herz höher schlagen. Trotz der billigen Pauschalflugangebote inklusive Hotel haben sich fast drei Prozent mehr Österreicher für das eigene Land entschieden, das bedeutet fast 30 Millionen Nächtigungen. Ein Drittel möchte auch das nächste Jahr wieder daheim urlauben. Dabei spart man lange nicht so wie bei Auslandsreisen. Drei-, Vier- und Fünf-Sterne-Hotels wurden um 51 Prozent mehr gebucht, während Ferienwohnungen und Privatquartiere einen leichten Rückgang hatten. Bauernhöfe und Campingplätze sprechen konstant dieselben zwölf Prozent der Urlauber an. Bemerkenswert ist, daß nur etwa ein Fünftel im Reisebüro gebucht wird und der Großteil der Österreicher direkt beim Vermieter Zimmer bestellt. Stammgäste machen stolze 84 Prozent der Gäste aus.

Die Inländer schätzen vor allem Landschaft und Erholung. Ein Drittel reist mit Familie, der Rest meist zu zweit.

Nach einer Umfrage der Zeitschrift "Für Sie" verstehen 40 Prozent der Frauen unter einem Traumurlaub vor allem, "auf Händen getragen zu werden". Egal, wo.

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