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Lächeln in 5000 Meter..

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„Hochfliegende Pläne — Air-Hostess“ — mit diesem Slogan auf ihrem neuen Prospekt hofft die AUA, Österreichs freundliche Fluglinie, in nächster Zeit noch Bewerberinnen für den Höhenjob zu finden. Auch in dieser Berufsgruppe ist nämlich der Interessentinnenboom früherer Tage längst abgeebbt. Der überall zu Land grassierende Personalmangel hat auch auf die Luft übergegriffen.

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„Hochfliegende Pläne — Air-Hostess“ — mit diesem Slogan auf ihrem neuen Prospekt hofft die AUA, Österreichs freundliche Fluglinie, in nächster Zeit noch Bewerberinnen für den Höhenjob zu finden. Auch in dieser Berufsgruppe ist nämlich der Interessentinnenboom früherer Tage längst abgeebbt. Der überall zu Land grassierende Personalmangel hat auch auf die Luft übergegriffen.

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So klagt zumindest AUA-Werbe-leiter Mario Rehulka, der auch eine Erklärung dafür parat hat: Schon lange nicht mehr träumen zahlreiche junge Mädchen davon, uniformiert und mit schmelzendem Lächeln in 5000 Meter Höhe Fluggäste zu verwöhnen.

Idealisierende Stereotypen über die Stewardesse gibt es kaum noch. Der Realismus hat die Illusion verdrängt, viele sagen: „Die Air-Hostess ist eigentlich eine fliegende Serviererin.“ AUA-Werbe-Boß Rehulka negiert diese Ansicht nicht ganz, schränkt aber ein: „Hostessen sind darüber hinaus die wichtigsten Repräsentanten der Fluggesellschaft Sie haben daher wesentlich mehr Verantwortung zu tragen. Den Gästen gegenüber, der AUA und nicht zuletzt für das Fremdenverkehrsland Österreich.“

Etwas anders sieht AUA-Chef-Hostess Madeleine Waglechner das Personalproblem in ihrem Beruf. Sie führt den Nachwuchsmangel nicht auf das abnehmende Interesse für den „Traumjob“ zurück — sie selbst egt seit 13 Jahren und ist „noch immer mit derselben Begeisterung dabei“. Ihrer Meinung nach liegt die Ursache nicht im Quantitativen, sondern im Qualitativen. Tatsächlich werden die Mädchen nach sehr strengen Maßstäben selektiert. Die Folge ist, daß nur etwa zehn Prozent der Aspiran', inen in der Lage sind, die Hürden der Eignungstests zu bewältigen, die zweimal im Jahr stattfinden. Von durchschnittlich 120 Bewerberinnen können sich 24 bis 28 für die anschließenden sechswöchigen Kurse qualifizieren. Ein Kurs ist mit 14 Teilnehmerinnen limitiert. Die im Prospekt angeführten Aufnahmebedingungen scheinen keineswegs unerreichbare Perfektion zu fordern: Alter zwischen 18 und 27 Jahren, 157 bis 163 cm groß, schlank, nicht verheiratet, nicht geschieden, attraktiv und gepflegt, kontaktfreudig, sicheres Auftreten, guter Gesundheitszustand, österreichische Staatsbürgerschaft, fließendes Englisch und Französisch und gute Allgemeinbildung. Warum genügen so wenige Mädchen diesen Anforderungen, woran scheitern sie? Frau Waglechner stellt immer wieder fest, daß die Fremdsprachenkenntnisse der Kandidatinnen bedenkliche Lücken aufweisen. Schulkenntnisse reichen nach ihren Erfahrungen nicht ganz. Praxis in England und Frankreich oder mehrsprachiges Aufwachsen bedeuten auf jeden Fall ein Plus. Aber nicht nur an diesem Kriterium scheitern durchschnittlich 90 „Möchtegern-Hostessen“ pro Jahr.

Eignung für den Beruf wird auch in einem Interview und einem anschließenden Round-table-Gespräch gesteht die AUA nicht reines Mittelschulwissen, die zukünftige Hostess soll vielmehr zeigen, wie weit sie über das Weltgeschehen informiert ist; wie weit sie sich dafür interessiert. Ist das erste Interview positiv überstanden, nimmt die Bewerberin unter der Leitung der Chef-Hostess und des Ausbildungsleiters Schedl am ' Round-table-Gespräch teü, getestet wird hier vor allem das Verhalten innerhalb der Gruppe. Natürlich sind auch manuelle Fähigkeiten notwendig (das allgemein bekannte „ein Glas Wasser einschenken“ ...) und Auftreten im eigentlichen Sinn: Eine Hostess muß sich „bewegen können“.

Was geschieht nun mit den Auserwählten? Auf dem Programm steht zunächst der sechswöchige Basic-Trainings-Kurs, der sie gründlich auf den Dienst in der Luft vorbereitet. Entsprechend dem Full-Service, das geboten werden soll, ist der Stundenplan abwechslungsreich: AUA-Organisation, Kabineneinrichtung, Ablauf der Tagesarbeit, allgemeine Gepflegtheit, äußere Erscheinung, Passagierbetreuung, Etikette, Benimm, Kinderpflege, Bordansage, Zollvorschriften, weiter grundlegende Informationen über Flugplan, Streckennetz, Service an Bord. 14 Stunden sind der „Galley-Preparation of Equipment“ und den „Loading Instructions“ gewidmet. Dazu kommen elf Stunden Speisen-und Getränkekunde. In 38 Stunden werden die „Lehrlinge“ technisch mit Flugzeug und Notausrüstung vertraut gemacht. Eine wichtige Rolle spielt auch die Erste Hilfe (15 Stunden). Außerdem erfolgt eine Unterweisung in den Grundlagen der Navigation (Wetterkunde, Streckennetz), in Bodendiensten, Tdcketing, Buchungen, Sales (Verkauf von zollfreien Waren), Public Relations und Kosmetik. Insgesamt 201 Stunden in sechs Wochen, eine, wie die Hostessen glaubhaft versichern, sehr anstrengende Zeit. Zwischendurch gibt es auch immer wieder Gelegenheiten, doch noch zu scheitern: „Man lernt die Mädchen und ihre Fähigkeiten oder Unfähigkeit für diesen Beruf jetzt ja erst richtig kennen“, meint Ausbildungsleiter Schedl. Nach dem Basic-Training beginnt der „Höhenflug“: Drei Wochen Bewährung als zusätzliche Hostessen, dann ist das Ziel erreicht. Ein Traumziel? Ich fragte eine der jungen Damen: „Wie sieht Ihr Alltag aus?“ Die Vorbereitung für den Flug beginnt eigentlich schon am Abend vorher: Die Hostess — im Ausland — muß acht Stunden vor Dienstantritt in ihrem Hotel sein. Sie hat gut ausgeschlafen zu sein. Eine Stunde vor dem Abflug beginnt das „Crew Checking“. Auf die Minute genau ist alles eingeteilt. Disziplin und Präzision sind absolut unerläßlich. („In der Luft ist kein Platz für Kompromisse.“) Das Postfach muß geleert werden, um über eventuelle Änderungen sofort informiert zu sein. 45 Minuten vor dem Start: „Briefing“. Die Hostess wird über den Flug und Besonderheiten bei den Passagieren unterrichtet, kurz werden Cie wichtigsten Handgriffe für Notfälle wiederholt. Dreißig Minuten vor dem Abflug geht die Besatzung an Bord. Essen und Kabine werden überprüft, Zeitungen geordnet, 15 Minuten vor dem Start kommen die Fluggäste an Bord. Nach einem genauen Plan verteilen sich die Hostessen in der Kabine. Von da an bemühen sie sich ausschließlich um das Wohl der Passagiere. Dabei sind ständig zahlreiche, genau formulierte Etikettevorschriften zu beachten. Das beginnt bei Wheels off ground, hats off“. — Der Hut wird abgenommen, sobald die Maschine vom Boden abhebt — und geht bis zu exakten Vorschriften über Lippenstift und Nagellack (rot, nicht farblos!). Auch die Haarlänge ist reglementiert: „Hair must not touch the collar.“ Die Chef-Hostess erklärt diese „Schönheitsdiktatur“ mit dem Image, das gewahrt werden müsse, was auch das Modediktat „follow the fashion within reasons“, also „vernünftig“, verdeutlicht. Mit dem Abheben der Caravelle oder Boeing beginnt ein langer, ermüdender Fußmarsch mit wenigen, auf kürzeren Flügen mit vollbesetzten Maschinen völlig ohne Pausen. Mittelstrecken bedeuten oft einen ganz harten Job: Die Flugzeit reicht knapp aus, um Zeitungen zu verteilen, die Mahlzeiten und Getränke zu servieren, abzuräumen und dann noch 80 Personen zollfreie Waren zu verkaufen. Es wird stets ein lächelndes Gesicht erwartet, auch wenn die Füße schmerzen. „Hostess oblige“. Nach der Landimg ist der Dienst noch nicht zu Ende. Wenn die Passagiere verabschiedet sind, muß die Reinigung der Kabine überwacht werden. Der Rückflug findet oft schon nach einer Stunde statt. Kein leicht verdientes Brot also, wenn auch die Dotation nicht schlecht ist. Während der Ausbildung ein Taschengeld von 2000 Schilling, für die ersten drei Monate 3000 Schilling, im ersten und zweiten Jahr zwischen 4000 und 5000, später bis zu 6000 Schilling. Nicht unbeträchtliche Diäten kommen dazu. Was fasziniert nun eigentlich die Hostessen an ihrem Beruf? Die Antworten klingen, als seien sie aus den

Federn der Werbetexter geflossen: Viele Länder kennenlernen ,,, Kontakte mit vielen interessanten Menschen ... Ein Beruf ohne tägliches Einerlei... Jeden Tag Neues sehen und Neues erleben. Enttäuscht scheint keine zu sein. Allenfalls, wenn die Träume zu hochfliegend waren, leicht desillusioniert. Woher kommen sie? Ein Teil aus der Mittelschule oder der Frauenoberschule, ein Teil aus dem Gastgewerbe. Die AUA hat aber auch eine Frau Diplomkaufmann und eine Frau Doktor der Medizin unter ihren Hostessen.

Fräulein Uhl zum Beispiel kommt aus der Hotelbranche. Sie fliegt seit zwei Jahren. Der Gedanke, nächste Woche nach New York, Tel Aviv und Beirut zu fliegen, hat für sie nichts von seiner ursprünglichen Faszination verloren.

Im Jahr verlieren die Austrian Alrunes durchschnittlich 25 Hostessen. Aber keine von ihnen — so Frau Waglechner — „hängt den Job an den Nagel, weil sie nicht mehr fliegen will“. Die Ursachen sind Ehemänner oder Babies. Im übrigen scheint zu gelten: Wen das Fliegen einmal gepackt hat, den läßt es nicht mehr los.

Wer sich das immer wieder sagt, wird auch die-unvermeidlichen Enttäuschungen leichter schlucken.

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