
Pandemie als Dauerzustand: Wie hält man das aus?
Ein Ende der Pandemie scheint immer weiter in die Ferne zu rücken. Wie lässt sich das auf Dauer aushalten? Der Schlüssel liegt im Vermögen, die eigene Zeit sinnvoll zu strukturieren.
Ein Ende der Pandemie scheint immer weiter in die Ferne zu rücken. Wie lässt sich das auf Dauer aushalten? Der Schlüssel liegt im Vermögen, die eigene Zeit sinnvoll zu strukturieren.
Corinna arbeitet seit fast einem Jahr im Homeoffice. Zwischen Arbeit und Privatleben trennt sie akribisch. Wie früher steht die Übersetzerin um Punkt 6:30 Uhr auf, geht dann eine Runde mit dem Hund, duscht und zieht sich eine frisch gebügelte Bluse an. In ihrer Mittagspause holt sie sich vom Inder gegenüber das Tagesgericht to go. Ihren Kaffee am Nachmittag trinkt sie in eine dicke Jacke gehüllt auf dem Balkon. Um 17 Uhr beendet sie den Arbeitstag und begibt sich in den Feierabend. Ihren Bürobereich (die Ecke hinter dem Raumteiler im Wohnzimmer) betritt sie dann nicht mehr.
Anders Barbara. Oft zieht sie zum Arbeiten nicht einmal ihr Schlafgewand aus. Sie ernährt sich von dem, was der Kühlschrank hergibt. Vor die Tür geht sie nur für den wöchentlichen Einkauf. Auch sie arbeitet im Homeoffice, als Steuerfachgehilfin. Ihre Excel-Tabellen füllt sie am Küchentisch aus. Oft bis spät in die Nacht, weil sie morgens nicht in die Gänge kommt. Während Barbara die Coronakrise zunehmend zusetzt, kommt Corinna vergleichsweise gut mit ihr zurecht. Der Unterschied dürfte Corinnas Vermögen sein, die eigene Zeit zu strukturieren. Andere nennen diese Fähigkeit auch die Königsdisziplin der Krisenbekämpfung - die keineswegs jeder beherrscht.
Viele Menschen gestalten ihren Alltag derzeit eher à la Barbara. Vielleicht, weil in Vor-Pandemie-Zeiten Routinen quasi auf Autopilot liefen. Das morgendliche Zurechtmachen, die Fahrt ins Büro, Sport, Stammtische, Familientreffen, Urlaub – was bis vor einem Jahr selbstverständlich war, scheint nun wie aus der Zeit gefallen. Den ersten Lockdown empfanden manche noch als eine Art Auszeit. Was sich freilich mit den Erfahrungen von Krankenschwestern, Altenpfleger(inne)n oder alleinerziehenden Müttern wenig deckt. Gleichwohl hatten sehr viele Menschen statt eines vollen Terminkalenders plötzlich Zeit im Überfluss. Es kam zu einer Renaissance des Brotbackens, auch Puzzlelegen lag im Trend. Andere holten das Strickzeug hervor oder begannen Keller, Kleiderkästen und Garagen zu entrümpeln. Und digitale Treffen versprühten den Hauch von Abenteuer. Schließlich waren sie für die meisten Neuland. Selbst das Getrenntsein von älteren Angehörigen fühlte sich richtig an. Solidarität durch Physical Distancing – diese Losung verstanden auch die Kleinsten. Es ging ja nur darum, eine zeitlich befristete Phase zu überbrücken
Ein „Drehbuch“ gegen den Hüttenkoller
Doch aus einem temporären Zustand wurde längst ein permanenter. Barbara sagt dazu: „Ich hoffe ständig auf das Ende dieser Übergangsphase. Aber es kommt nicht.“ Tatsächlich stellen sich dieser Tage viele die Frage: Wie lässt sich die Krise langfristig aushalten? Von Lock down zu Lockdown, von Mutante zu Mutante, von Impfverzögerung zu Impfverzögerung rückt das viel zitierte Licht am Ende des Tunnels weiter in die Ferne. Politisch wie sozial erwünscht sind zumindest für die Menschen im Homeoffice maximal Spaziergänge. Daran ändern
auch geöffnete Geschäfte, Museen oder Skilifte nicht viel. Solange sich das Infektionsgeschehen auf dem aktuellen Niveau abspielt, erscheint jeder Ausflug außerhalb des eigenen Zehn-Kilometer- Radius als Akt der Unvernunft.
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