Obdachloser

Obdachlosigkeit in der Coronakrise

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Pandemie und Terror versetzen Wien in den Ausnahmezustand. Das Credo: „Daheim bleiben.“ Doch was ist mit jenen, die kein Zuhause haben? Die FURCHE fragte nach.

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Pandemie und Terror versetzen Wien in den Ausnahmezustand. Das Credo: „Daheim bleiben.“ Doch was ist mit jenen, die kein Zuhause haben? Die FURCHE fragte nach.

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Auch abseits von gesellschaftlichen Krisen leben Wohnungslose in prekären Verhältnissen und sind auf externe Unterstützung angewiesen. Wie diese in Zeiten des Ausnahmezustandes organisiert wird, erklärt Kurt Gutlederer, Leiter der Wohnungshilfe Wien, im Interview.


DIE FURCHE: Das gefürchtete Szenario eines zweiten Lockdowns ist eingetreten. Hinzu kommt der Ausnahmezustand nach dem Terroranschlag in Wien. „Daheim bleiben“ ist mehr denn je das Credo der Stunde. Wo finden Menschen Zuflucht, die kein Zuhause haben?
Kurt Gutlederer: Wir müssen zwischen wohnungs- und obdachlosen Personen unter- scheiden: Wohnungslose Menschen sind ohne eigene Wohnung, nicht aber ohne Obdach. Wie bereits vor der Pandemie kommen sie z.B. bei Freunden oder in einem der 6.800 geförderten Wohnplätze des „Fonds Soziales Wien“ unter (in diesem ist auch die Wohnungslosenhilfe verankert, Anm. der Redaktion). Menschen ohne Obdach leben dagegen auf der Straße oder in Notquartieren, die unter normalen Umständen nur nachts geöffnet haben. Seit dem ersten Lockdown haben wir aber alle Notquartiere auf 24-StundenBetrieb umgestellt, damit sich die Bewohner auch tagsüber dort aufhalten können.


DIE FURCHE: In den Tageszentren der Wohnungslosenhilfe können obdachlose Menschen Koch-, Wasch- und Beratungsangebote nutzen. Bleiben diese Einrichtungen während des zweiten Lockdowns geöffnet?
Gutlederer: Ja. Wir mussten die 600 Plätze jedoch auf 330 reduzieren, um den Mindestabstand gewährleisten zu können. Auch das ist ein Grund für die Umstellung der Notquartiere auf 24-Stunden-Betrieb: Dadurch federn wir die verminderte Kapazität der Tageszentren ab und können die Versorgung obdachloser Menschen weiterhin gewährleisten.

DIE FURCHE: Es gibt 900 Plätze in den Winternotquartieren in Wien. Reicht das aus für eine Millionenstadt?
Gutlederer: Nach unserer Erfahrung sollten wir damit gut durchkommen. Vergangenes Jahr betrug die Auslastung der Winternotquartiere 83 Prozent. Mit Hilfe eines Monitoring-Systems beobachten wir die Zahl der Menschen, die zu uns kommen, und schätzen die weitere Entwicklung ein. Im Notfall können wir rasch 20 bis 50 Plätze zusätzlich schaffen.


DIE FURCHE: Welche Herausforderungen birgt ein Lockdown für Menschen, die auf der Straße leben?
Gutlederer:
Aufgrund der wenigen Passanten, die Kleingeld spenden, war die Nahrungsbeschaffung für viele Betroffene sehr schwierig. Schon während des ersten Lockdowns haben wir daher vermehrt Essen verteilt. Auch ist es für obdachlose Menschen nicht immer einfach, Abstands- und Hygieneregeln zu befolgen.


DIE FURCHE: Welche Maßnahmen gibt es, um obdachlose Menschen in den Wärmestuben, Tageszentren und Notquartieren vor einer Covid-Infektion zu schützen?
Gutlederer:
Es geht viel um Aufklärungsarbeit zu den Abstands- und Hygieneregeln. In den allgemeinen Bereichen, z.B. auf den Gängen, herrscht Maskenpflicht. Auch achten wir auf die Einhaltung von Mindestabstand und Händedesinfektion. In den Notquartieren stehen möglichst wenig Betten in den Zimmern. Vor dem Betreten der Tageszentren bieten wir die Möglichkeit, Fieber zu messen – das wird sehr gut angenommen.

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