Erhard Busek: Zeit für Einfachheit

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Österreichs Bischöfe plädierten für eine „geistvoll erneuerte Normalität“. Warum Konkreteres über „einfaches christliches Leben“ schön gewesen wäre. Ein Gastkommentar von Erhard Busek.

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Österreichs Bischöfe plädierten für eine „geistvoll erneuerte Normalität“. Warum Konkreteres über „einfaches christliches Leben“ schön gewesen wäre. Ein Gastkommentar von Erhard Busek.

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Mit Hirtenworten der österreichischen Bischofskonferenz bin ich als „Nachkriegschrist“ groß geworden. Sie hatten eine gewisse Orientierungsfunktion, wie etwa die „Mariazeller Erklärung“ oder der Sozialhirtenbrief, und waren von grundsätzlicher Bedeutung. In bewegten Zeiten gaben sie begleitende Kommentierung und Orientierung! Ich gebe zu, keine umfassende Zählung von Hirtenworten zu kennen, mir kommt aber vor, dass sie seltener geworden sind. Umso mehr habe ich es begrüßt, dass es ein Wort zur Corona-Pandemie gab. Die Einleitung mit dem Hinweis auf Papst Franziskus war ausgezeichnet – was aber nachher kam, war eher von bescheidenem Zuschnitt.

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Ein wesentlicher Zwischentitel gab mir Hoffnung, nämlich „Unser Fundament: einfach christlich leben“. Ich hatte gehofft, dass hier in Folge der sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen, aber auch der Tatsache, dass ein Leben aus der Fülle zumindest in der nächsten Zeit nicht möglich sein wird, Grundsätzlicheres gesagt wird. Es wäre zu empfehlen, Christen darauf aufmerksam zu machen, „einfacher“ zu leben. Das gilt nicht nur für die ökologischen Fragestellungen, sondern überhaupt für den überbordenden Lebensstil vor Corona. Natürlich gibt es nach wie vor arme Menschen, worauf auch aufmerksam gemacht wird, aber Hinweise auf den Lebensstil waren mehr als angebracht. Es ist schön, wenn die Spendenbereitschaft erwähnt wird – und das ist auch gut so –, aber das allein kann es nicht sein. Richtig ist, darauf hinzuweisen, dass die Nachbarschaftshilfe zugenommen hat, aber es müsste sich um einen bleibenden Zustand handeln. Etwas handfestere Ausführungen wären sehr schön gewesen. Solidarität wurde praktisch von vielen Menschen gezeigt, das sollte aber so bleiben! Sollte die Kirche nicht auf die unbegleiteten Kinder in Lagern hinweisen oder auf die Millionen Flüchtlinge in der Türkei?

Eine ungenutzte Chance

Das Erscheinungsbild der Kirche muss durchaus einer gewissen Kritik unterzogen werden. Natürlich gab es eine stärkere Hinwendung zu Gottesdiensten, die im Fernsehen übertragen wurden, wobei mir die kritische Bemerkung gestattet sei, dass etwa Servus TV die bessere Auswahl von Gottesdiensten hatte als der öffentlich-rechtliche ORF. Es ist hier eine Chance nicht genutzt worden, direkte Worte zu sagen, die Menschen anzusprechen, denn wir wissen, dass der „Glaube vom Hören“ kommt. Auch die Begleitung der Gottesdienste im Musikalischen und Literarischen hätte durchaus engagierter sein können. Auf Verschiebungen auf bessere Zeiten zu verweisen, ist einfach zu wenig. Man hätte sich daran erinnern können, dass Christen in kritischen Zeiten an markanten Orten zusammenkamen, wie man in Rom immer wieder durch einschlägige Besuche in den Katakomben erinnert wird. In der zweiten Phase des Virus wäre es vielleicht auch möglich gewesen, nicht nur Autokinos wieder zu eröffnen, sondern in großen Räumen auch Gottesdienste zu veranstalten, die genauso die Menschen angesprochen hätten, aber mehr Gemeinschaft vermitteln können – bei Beachtung der Distanzregeln.

Die Pandemie hat auf die Endlichkeit unseres Tuns und auf die Grenzen des Wachstums hingewiesen.

Erhard Busek

Was mir aber eigentlich fehlt, ist der Hinweis, dass eine solche Pandemie unser Verhältnis zu Leben und Tod anspricht, also die Botschaft von Werden und Vergehen des Lebens beinhaltet. Eigentlich müsste man darauf reagieren, dass das Verlassen der Pandemiezeit als „Auferstehung“ verbal interpretiert wurde – was ohnehin signalisiert, dass hier ein Wort falsch verwendet wurde. „Auferstehung“ war ein elementares Ereignis, aber nicht das Ende einer Krise. Das Virus fand aber noch im Osterfestkreis statt, also hätte man sich die Auferstehung von der Politik nicht rauben lassen sollen. Wenn Menschen durch Ereignisse an Grenzen herangeführt werden, wäre es eigentlich eine ungeheure Chance, sie daran zu erinnern, dass durch Glauben Grenzüberschreitung möglich wird. Nach Ende der Pandemie ist also eine Analyse des Erscheinungsbildes der Gemeinschaft der Christen sehr empfohlen! Warum? Weil wir daraus lernen sollten, Chancen zu nutzen. Wie ich aus Gesprächen weiß, haben das viele Menschen für sich getan, aber eine Hilfe der verfassten Kirche ist ebenfalls sinnvoll.

Gesprächsrunden unter Christen

Die Pandemie sollte auch für die Präsenz der Christen und der Kirche Folgen haben. Vielleicht ist es für einen neuen Vorsitzenden der Bischofskonferenz möglich, einen solchen öffentlichen Vorgang der Bewusstwerdung auszulösen. Wie wäre es, wenn man öffentlichkeitswirksame Gesprächsrunden schaffen würde, die wesentliche Meinungsbildner in den Diözesen und danach in Österreich zusammenbringt, um diese neue Lebenssituation zu erörtern und Konsequenzen anzuregen? Es wäre das eine Art von „synodalem Vorgang“, der Richtungen angibt und Gesprächsanreize in der immer noch vorhandenen Struktur der Gemeinschaft von Christen auslöst. Man müsste darüber reden, wie „einfach leben“ – noch dazu „christlich einfach leben“ – heute aussehen kann. Die biblische Geschichte hat dazu genügend Hinweise, die mit der Sprache von heute versehen werden müssten.

Es wäre ungeheuer wichtig, solche Gespräche über die „Einfachheit“ auszulösen und klarzumachen, dass wir durch die Pandemie einen Hinweis auf die Endlichkeit unseres Tuns, auf die Grenzen des Wachstums und vor allem auf die praktische Verantwortung der Nächstenliebe erhalten haben. Wenn solche Gesprächsrunden Arbeitsprogramme entwickeln könnten, die von der Gemeinschaft der Christen umgesetzt werden können und gleichzeitig praktische Ergebnisse bringen, wäre vielen Menschen geholfen. Die Bereitschaft, gerade jetzt auf solche Hinweise zu hören und Leben anders zu gestalten, ist meines Erachtens vorhanden. Es gibt die Lehre vom „rechten Augenblick“. Und dieser ist meiner Ansicht nach jetzt.

Der Autor war von 1991 bis 1995 ÖVP-Bundesparteiobmann sowie Vizekanzler. Er ist Vorstandsvorsitzender des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa.

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