Triest

Erhard Busek: Heimat als Anker

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Kurs nehmen auf der Suche nach Orientierung. Weniger geografische Koordinaten, als geistige Verortungen sind dabei ausschlaggebend. Erhard Busek über Richtungsangaben und innere Anlegestellen.

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Kurs nehmen auf der Suche nach Orientierung. Weniger geografische Koordinaten, als geistige Verortungen sind dabei ausschlaggebend. Erhard Busek über Richtungsangaben und innere Anlegestellen.

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Wie viel Demokratie haben und brauchen wir noch, um uns beheimatet zu fühlen? Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es vor einem Vierteljahrhundert noch einfacher war, selbst bei der oft gebrauchten und missbrauchten Zuschreibung „Heimat“ Orientierung zu finden. Eine Lehre der beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts war und ist die Hinwendung zu Europa, die trotz aller Diskussionen alternativlos ist. Jenes Stück der Weltkugel, das aufgrund der historischen Entwicklung so bezeichnet ist, stellt eine sehr schmale Grundlage angesichts der globalen Entwicklung dar. Infolge der reichen Geschichte und des umfassenden Einflusses für einige Jahrhunderte stehen wir aber heute vor der Frage: Welchen Inhalt hat Europa? Ebenso muss man sich heute damit auseinandersetzen, dass die Unsicherheiten der Zeit zugenommen haben. Das wird instinktiv begriffen, wenngleich auch nicht immer rational aufgearbeitet. Es ist schon schwer festzustellen, wo wir politisch unsere Heimat haben – am ehesten noch in der Region, in der wir leben, dann aber werden die Ebenen von Bundesländern über den Nationalstaat bis hin zu Europa schwieriger. Mit Sicherheit ist das auch auf die Entwicklung zur Globalisierung zurückzuführen, wobei wir keine Chance haben, diese abzulehnen, weil sie unsere Wirklichkeit bestimmt und in das tägliche Leben der Menschen eingreift.

Konsequenzen der Wanderungsbewegungen

Noch schwieriger ist es im politischen Bereich, denn offen gestanden: Unser politisches System zerbröselt und man tut sich schwer, noch zu wissen, wo es feste Pflöcke gibt, die in den Grund der Politik eingeschlagen sind. Dass das aus dem 19. Jahrhundert überkommene System der politischen Parteien und ihre Orientierung durch die unendlichen Veränderungen „verflüssigt“ wurde, ist außer Frage, aber es ist unklar, was an dessen Stelle getreten ist. Umso mehr wäre „Bindung“ notwendig, damit wir nicht in dieser unserer Welt herumgetrieben werden und wie Schiffbrüchige eigentlich nicht wissen, wo wir jeweils landen… Natürlich gibt es Fragestellungen wie etwa die Ökologie, die uns vor sich hertreiben, wenngleich überhaupt nicht klar ist, wie wir das bewältigen können. Auch hier gibt es ungeheure Angebote, die meistens mehr als widersprüchlich sind.

Mehr noch aber brauchen wir eine „Ökologie der Werte“, wobei es nicht nur um die Sicherung der materiellen Lebensgrundlagen geht, sondern um die Sinngebung des Lebens. In Wirklichkeit haben wir uns von den Ordnungsgesichtspunkten des 20. Jahrhunderts längst verabschiedet. Das gegenwärtig dramatische Element des Klimawandels, die öffentliche Dominanz der ökologischen Fragestellungen und die Veränderungen der politischen Landschaften verlangen eine Suche nach Verortungen. Persönlich gestatte ich mir, gegenüber den jugendlichen Propheten zur Zukunft skeptisch zu sein, weil zum Teil echte Fragestellungen von diesen vorgebracht werden, aber die hysterische Gestaltung dazu führt, dass eine ernste Auseinandersetzung wohl kaum stattfindet. Hier liegt von der ganz jungen Generation ein massiver Populismus vor, der natürlich auch signalisiert, dass eine Generation von Eltern nicht in der Lage war, geordnete Vorstellungen zur Politik zu tradieren, aber auch die Wissenschaft und andere bestimmende Einrichtungen der Gesellschaft nicht in der Lage waren, den Eindruck zu vermitteln, dass sie auch fähig sind, die vorhandenen Probleme zu lösen.

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