Hubert von Goisern Achleitner - © Foto: DIE FURCHE/Margit Körbel

Gegen den Strom mit Hubert von Goisern

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Kamingespräch an Bord. Die FURCHE steigt mit Hubert Achleitner - alias Hubert von Goisern - auf ein Schiff und fährt Donau aufwärts. Eine diskursive Exkursion jenseits des Mainstreams.

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Kamingespräch an Bord. Die FURCHE steigt mit Hubert Achleitner - alias Hubert von Goisern - auf ein Schiff und fährt Donau aufwärts. Eine diskursive Exkursion jenseits des Mainstreams.

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Schifffahrtanlegestelle Linz-Urfahr. Auf 2145 Stromkilometer ankert der Donausbus. Das ist die Distanz von hier nach Sulina, dem letzten Ort am Schwarzen Meer. Das Fährschiff fasst maximal zwölf Personen. Heute dreht Kapitän Markus Luger eine Sonderrunde. An Bord geht Hubert Achleitner. In den kommenden Stunden wird er mit der FURCHE über Strömungen sprechen und über sein Bestreben gegen den Strom zu schwimmen. Wo ließe sich darüber besser philosophieren, als auf einer Flussfahrt auf der Donau?

Hubert von Goisern Achleitner - © Foto: DIE FURCHE/Margit Körbel

Gehen Sie mit Hubert von Goisern an Bord des Donaubus!

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Das Wechselspiel zwischen Aufbruch, Unterwegssein und Ankommen prägt Achleitner seit Jahrzehnten. Metaphorisch wie im Wortsinn. Es gehört zu Achleitners Leben wie die Musik. Der 68-Jährige kommt auf direktem Weg aus Goisern. Ein Familientreffen, sein Bruder hatte Geburtstag. Bad Goisern. 100 Kilometer Luftlinie trennen den Ankerplatz des Donaubus´ von dem Kurort. Der Künstler selbst lebt seit fast 30 Jahren in der Stadt Salzburg, wenngleich er Goisern nie hinter sich gelassen hat. Wie auch, bei diesem Künstlernamen - der alles andere ist, als Zufall. „Hubert von Goisern war ein Racheakt“, sagt er. Dann bittet er den Kapitän Kurs zu nehmen in Richtung Industriehafen. Flussabwärts. Zu Tal. Das Kamingespräch will er langsam angehen lassen. Zunächst gilt es die Stadt auf sich wirken zu lassen – sich mit der Strömung treiben lassen , bevor die Protagonisten auf den anderen Bug gehen.

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Der Wortwechsel nimmt Kurs auf Achleitners Konzertschifffahrt. Die Linz-Europa-Tour von 2007 bis 2009 inklusive Überwinterung. Ein schwimmendes Festival und Achleitners bisher größtes Projekt. Eine mit hydraulischer Bühne ausgestattete Barge samt Schub- und Wohnschiff, war zwei Sommer lang Plattform für Begegnungen und gemeinsames Musizieren. 2007 ging es die Donau rauf und runter. Zunächst stromabwärts. Bis zum Schwarzen Meer. Dann wieder zurück. Im Frühjahr 2008 brachte er seine musikalische Fracht schließlich gen Westen. Bis zur Nordsee nach Rotterdam. An Bord holte er lokale Künstler, probte mit ihnen, gab kostenlose Konzerte vom Schiff aus. Seine Botschaft lautete: Brücken bauen Menschen verbinden.

Zu Berg

Wie lässt sich sein Verhältnis zur Donau beschreiben? „Sie verbindet uns mit den Meeren und damit der ganzen Welt. Die Donau war für mich immer eine Lebensader. Die Donau durchfließt und verbindet zehn Länder miteinander, so viel wie kein anderer Strom auf der Erde. Den Rhein hingegen habe ich eher als Trennlinie erlebt.“ 2008, als er mit seinem Konzertschiff stromaufwärts fuhr, legte er eine Strecke auf dem Rhein zurück. Dabei erlebte er hautnah europäische Animositäten, nicht nur zwischen Deutschen und Franzosen. In seiner Wahrnehmung, so Achleitner, empfand er die als gravierender, als die Differenzen innerhalb der osteuropäischen Bevölkerungen.

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Hubert von Goisern Achleitner Brigitte Quint - Hubert Achleitner und FURCHE-Redakteurin Brigitte Quint unterwegs auf der Donau. - © Foto: DIE FURCHE/Margit Körbel
© Foto: DIE FURCHE/Margit Körbel
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Hubert von Goisern Achleitner Markus Luger Brigitte Quint - Kapitän Markus Luger, FURCHE-Redakteurin Brigitte Quint und Hubert Achleitner gehen an Board des Donaubus'. - © Foto: DIE FURCHE/Margit Körbel
© Foto: DIE FURCHE/Margit Körbel
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Hubert von Goisern Achleitner Donaubus - Der Donaubus pendelt zwischen Linz und Ottensheim. - © Foto: DIE FURCHE/Margit Körbel
© Foto: DIE FURCHE/Margit Körbel
  1. Hubert Achleitner und FURCHE-Redakteurin Brigitte Quint unterwegs auf der Donau.
  2. Kapitän Markus Luger, FURCHE-Redakteurin Brigitte Quint und Hubert Achleitner gehen an Board des Donaubus'.
  3. Der Donaubus pendelt zwischen Linz und Ottensheim.

Rondo. Nach einer Runde durch den Hafen leitet der Kapitän das Wendemanöver ein. Ab jetzt geht es zu Berg. Gegen den Strom. Ist das stimmig für den Volksmusik-Revoluzzer? Achleitner hat sich mehr als einmal gegen den Mainstream aufgelehnt. Sich bedenkenlos anzupassen, das ist ihm zuwider. Schon als Bub beleuchtet er festgefahrene Glaubenssätze kritisch. „Viele Erwachsene haben gemeint, sie kennen die letzte Wahrheit. Das habe ich hinterfragt. Natürlich bin ich damit oft angeeckt.“ Mit seinen kontroversen und antitraditionellen Meinungen hält er später auch in der örtlichen Blasmusikkapelle nicht hinterm Berg. Die Folge: Rauswurf. Seine Leidenschaft zur Musik bleibt dennoch ungebremst. Achleitner trachtet vielmehr nach einer Karriere als Berufsmusiker. Den Eltern fehlt dafür das Verständnis, allen voran dem Vater. „Der bestand darauf, dass ich einen ordentlichen Beruf lerne. Lehrer zum Beispiel.“ Am Ende lässt sich Achleitner auf eine Ausbildung zum Chemielaboraten ein.

Er ist 20 Jahre alt, als er merkt, dass ihm nicht nur Bad Goisern, sondern auch Österreich zu eng wird. Gesellschaftlich wie kulturell. So sagt er sich von der Heimat los und geht nach Südafrika. Vier Jahre bleibt er dort, lässt sich von den hiesigen Rhythmen inspirieren und engagiert sich gegen die Apartheid. Danach folgen Stationen in Kanada und den Philippinen. Überall knüpft er Kontakte zu Gleichgesinnten, lässt sich auf exotische Instrumentalgenres ein. Erst dann kehrt er zurück - um die heimische Volksmusikwelt auf den Kopf zu stellen.

Mit dem Album „Aufgeigen statt niederschiassen“ und Liedern wie „Heast as nit“ oder „Koa Hiatamadl“ gelingt Goisern 1992 der Durchbruch. Es folgten musikalische Projekte über und über. Dazwischen sucht Achleitner immer wieder den Perspektivenwechsel, reist etwa zu Verhaltensforscherin Jane Goodall nach Afrika oder nach Tibet. „Wenn man die Strömung falsch einschätzt, kann es sein, dass man baden geht. Das ist mir immer wieder passiert. Trotzdem weiß keiner außer dir selbst, wo du hinwillst. Das kann dir keiner abnehmen“, sagt er. Gegen den Strom schwimmen bedeutete langsamer vorankommen – dafür aber genauer hinsehen zu können.

Hubert von Goisern im FURCHE Podcast

Er ist 20 Jahre alt, als er merkt, dass ihm nicht nur Bad Goisern, sondern auch Österreich zu eng wird. Gesellschaftlich wie kulturell. So sagt er sich von der Heimat los und geht nach Südafrika. Vier Jahre bleibt er dort, lässt sich von den hiesigen Rhythmen inspirieren und engagiert sich gegen die Apartheid. Danach folgen Stationen in Kanada und den Philippinen. Überall knüpft er Kontakte zu Gleichgesinnten, lässt sich auf exotische Instrumentalgenres ein. Erst dann kehrt er zurück - um die heimische Volksmusikwelt auf den Kopf zu stellen.

Mit dem Album „Aufgeigen statt niederschiassen“ und Liedern wie „Heast as nit“ oder „Koa Hiatamadl“ gelingt Goisern 1992 der Durchbruch. Es folgten musikalische Projekte über und über. Dazwischen sucht Achleitner immer wieder den Perspektivenwechsel, reist etwa zu Verhaltensforscherin Jane Goodall nach Afrika oder nach Tibet. „Wenn man die Strömung falsch einschätzt, kann es sein, dass man baden geht. Das ist mir immer wieder passiert. Trotzdem weiß keiner außer dir selbst, wo du hinwillst. Das kann dir keiner abnehmen“, sagt er. Gegen den Strom schwimmen bedeutete langsamer vorankommen – dafür aber genauer hinsehen zu können.

Die Donau durchfließt und verbindet zehn Länder miteinander. Sie verbindet uns mit den Meeren und damit der ganzen Welt.

Exkurs ins Ruderhaus. Kapitän Luger erklärt, dass eine Strömung durch Niveaugefälle entsteht. Anhand der Donau lässt sich das illustrieren: Der Fluss entspringt in den Bergen, rund um Linz befindet er sich etwas auf 165 Meter Seehöhe, 2000 Kilometer weiter geht er runter auf null Meter Meereshöhe. „Zu Tal heißt es in der Schifffahrt, wenn man mit der Strömung fährt. Ein Schiff unter diesen Bedingungen zu steuern geht natürlich wesentlich leichter, weil einen die Strömung auf seinem Weg unterstützt. Man fährt schneller und braucht weniger Energie.“ Das Gegenteil tritt ein, wenn ein Schiff „zu Berg“ - also gegen die Strömung fährt -, erklärt Luger. „Man verbraucht mehr Energie und ist langsamer.“

Hubert Achleitner blickt aufs Wasser, scheint gedankenversunken. Das Donauufer mit seinen sanft abfallenden Hängen zieht vorbei. Die Blätter der Laubbäume leuchten gelb, rot, orange. Die Sonne steht tief. Es ist einer der letzten Herbsttage. Schweigen. Dann bricht es der Musiker. Das Sprachbild des Kapitäns stimmt ihn nachdenklich. „Mit dem Strom gehen heißt, an Niveau zu verlieren. Gegen den Strom gehen heißt, an Höhe, an Niveau zu gewinnen. Das kann man auch metaphorisch sehen.“ Gesellschaftskritik übt der Musiker seit jeher in seinen Liedern. Auch im aktuellen Album „Zeichen und Zeiten“ , mit dem er coronabedingt nicht auf Tour gehen kann. Wohin strömen wir derzeit Achleitners Ansicht nach? Und sieht er die Richtung problematisch? Er betont den Populismus, der sich Bahn bricht, spricht den Bundeskanzler an. Nach Meinung des Musikers spielten für diesen Ideale kaum eine Rolle, stattdessen basierten seine Werte auf populistischem Kalkül. Stichwort Flüchtlingspolitik. Wie erklärt er sich, dass Sebastian Kurz bei den Österreichern auf großen Zuspruch stößt? Warum unterstützt ihn der Mainstream? „Weil die Leute glauben, er ist der Weihnachtsmann!“.

Die Stimme des Liedermachers wird lauter. Die Inszenierung der Türkisen, der Hype um die Person Kurz, dessen Auftreten – das alles mutete fast esoterisch an. „Ich habe generell etwas gegen Esoterik, dieses vorgeben: zu einem inneren, wissenden Kreis zu gehören, während der Rest der Menschheit angeblich im Dunkeln tappt.“ Stattdessen spielt der Glaube, das Christ sein eine gewichtige Rolle im Leben des Künstlers. Auch dieses Bekenntnis ist ein Beispiel für sein Bestreben gegen den Strom zu schwimmen. Im Unterschied zu den meisten Goiserern war Achleitners Herkunftsfamilie nicht religiös. Nur die Großmutter hätte gebetet. „Wenn sie das getan hat, dann war da eine ganz besondere Stimmung im Raum. An dieser habe ich angeknüpft.“

Hubert von Goisern Achleitner - © Foto: DIE FURCHE/Margit Körbel
© Foto: DIE FURCHE/Margit Körbel

Die Pandemie, Terror, antidemokratische Bewegungen in den USA - der Weltmusiker sieht in globalen Krisen auch die Chance, zu neuen Ufern aufzubrechen. Die Menschheit hätte sich reglementiert, nun gilt es die selbst gesetzten Regeln zu überprüfen. Viele gehörten neu überdacht. „Wir müssen einfach nur schauen, dass wir nicht kollidieren. Ich glaube auch, dass gewisse Entwicklungen eine Art Zensur sein werden.“ Die Politik sieht er von der Wirtschaft entmündigt, weil internationale Konzerne außerhalb nationaler Spielregeln agieren dürfen. Für eine gefährlich hält Achleitner indes Internetmedien, weil sich durch sie Falschmeldungen fast ungehindert verbreiten können.

Mit dem Strom gehen heißt, an Niveau zu verlieren. Gegen den Strom gehen heißt, an Höhe zu gewinnen. Ein Prinzip aus der Nautik, das man auch metaphorisch sehen kann.

Fürchtet er um das Wohl künftiger Generationen? „Ich sorge mich nicht um die Jungen, eher um die älteren Leute, die mit dem Medium nicht aufgewachsen sind. Für die meisten Falschmeldungen sind über 60-Jährige verantwortlich“.
Der Kapitän schaltet den Motor aus. Der Donaubus treibt dahin, bewegt sich in Geschwindigkeit der Strömung - 5, 4 Stundenkilometer. Kapitän Luger kommt an Deck. Wie ist der Begriff Strömung in der Seemannssprache konnotiert? „Der Ausdruck Strömung ist für jeden Schiffahrer emotional behaftet, wir sehen sie zwiespältig. Einerseits bewirkt es etwas Gutes, wenn man mit der Strömung fährt. Wenn die Strömung aber zu stark wird, dann kann sie ganz schnell zu einer massiven Gefahr werden.“ Der Anziehungskraft der Strömung könne sich dennoch kaum ein Kapitän entziehen. Luger spricht die Zone des Kehrwassers an. So suchten sie beim zu Bergfahren - gegen die Fließrichtung- mit ihrem Schiff geradezu diese Randbereiche, da sie von dort aus leichter vorankämen.

Kehrwasser

Das Kehrwasser als Ort zum Innehalten im Kampf gegen die Strömung. Erneut macht Achleitner eine zweite Bedeutungsebene auf. Der Mensch an sich, egal wie sehr er sich gegen etwas aufbäumt, würde letztendlich immer wieder sein Kehrwasser brauchen. Auch Rebellen wie er. „Das gibt einem Regenerationszeit.“ Worin besteht der Unterschied zum Ankerplatz? Dass das Kehrwasser keine ultimative Sicherheit gibt, man nirgendwo angebunden ist. Ist man frei und doch geschützt? Nur scheinbar. Denn auch im Kehrwasser gibt es Strömungswechsel. Und die könnten einen - so erklärt der Kapitän, während er den Motor wieder einschaltet - ganz schnell wieder hinaustragen aus der Komfortzone.

Der Donaubus nimmt an Fahrt auf. Das Ziel ist der Ausgangspunkt. Das Schiff legt an. Wohin wird Hubert Achleitners nächste Reise gehen? Er weiß es nicht. Wer weiß das schon in Coronazeiten. Visionen hat er schon, sagt er. Aber über die spricht er ungern. Nur so viel, er will sein nächstes Projekt diametral zum vergangenen anlegen. Er hat die Maxime immer wieder mit den eigenen Traditionen zu brechen. „Denn auch die eigene, innere Strömung muss man im Auge behalten.“ Dieser gelte es stets aufs Neue die Stirn zu bieten.

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