Hader und Deix - © Foto (Hader): Lukas Partl Foto: Deix (Manfred Werner)

Josef Hader und Manfred Deix: Teuflisch? Lachhaft!

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Wie abgründig muss man sein, um Menschen zum Lachen zu bringen? Der Kabarettist Josef Hader und der Karikaturist Manfred Deix über Zynismus, Bosheit und Wien als Mekka des österreichischen Humors.

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Wie abgründig muss man sein, um Menschen zum Lachen zu bringen? Der Kabarettist Josef Hader und der Karikaturist Manfred Deix über Zynismus, Bosheit und Wien als Mekka des österreichischen Humors.

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Sie durchwandern beide die Abgründe des Menschen - und sind einander dennoch noch nie begegnet: der Karikaturist Mafred Deix und der Kabarettist Josef Hader. Im Wiener Café Eiles sinnierten sie – bei Koffein und Nikotin – über böse Schmähs, Hofnarren und die Lust am Brechen von Tabus.

Die Furche: Beginnen wir mit einer Grundsatzfrage: Wie böse muss man sein, um andere Leute zum Lachen zu bringen?
Manfred Deix: Für mich ist eine gewisse Art von Zynismus und Bosheit Pflicht. Wenn man das als Satiriker und Zeichner nicht intus hätte, wäre man fehlbesetzt. Ich hab' eine gewisse Art von Menschenhass - mit Liebe gepaart.

Josef Hader: Wenn man mit einem kleinen Kind kommuniziert und es langsam bewusst zu lachen anfängt, dann sind das meistens Situationen, wo man einen leichten Schrecken herbeiführt und ihn dann auflöst. Nicht jeder Witz funktioniert so, aber sehr viele gute Witze.

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Die Furche: Welche Menschen sind es, die über Ihren bösen Schmäh lachen können?
Deix: Ich habe meinen Schmäh so angelegt, dass er von breitesten Schichten erkannt werden kann. Ich habe also keine Spezialhumorsprache, die einer Elite vorbehalten ist. Ich kann mit einem Taxler genauso reden wie mit einem Intellektuellen.

Hader: Das witzige ist ja, dass Ironie meistens überhaupt nicht an Intelligenz gebunden ist. Zu mir kommen - im Unterschied zum Deix - natürlich keine Zufallskunden, sondern Leute, die schon einen Akt des Willens gesetzt haben, von der Couch daheim aufgestanden sind, eine Eintrittskarte gekauft haben und im Saal sitzen. Und dort haben sie eine riesige Erwartungshaltung: Manche wollen sich einfach nur amüsieren, andere wollen aufgewühlt werden. Und weil, wie gesagt, ein bisserl Bosheit dazugehört, bemühe ich mich, diesen Erwartungen möglichst nicht gerecht zu werden. Die Leute sollen am Ende sagen: Es war nicht ganz das, was wir erwartet haben, aber es war doch was...

Die Furche: ... und wir haben uns selbst darin erkannt...?
Hader: Ich weiß nicht, ob sich alle wieder finden. Ich glaube, sehr viele Leute, die etwas im Kabarett oder in einem Bild sehen, glauben, das sind die anderen.

Deix: Ja, das ist ein Grundprinzip. Viele sagen: Schau, der ist genau so, wie der, den ich kenne. Niemand bezieht das auf sich.

Die Furche: Bei den typischen Deix-Figuren kein Wunder: Manche empfinden sie sogar als menschenverachtend...
Hader:
Als Betrachter der Bilder kann ich nur sagen: Es ist völlig absurd, auf die Idee zu kommen, dass derjenige, der diese Menschen zeichnet, sie nicht mag. Da gibt es eine besondere Zuneigung.

Deix: Das stimmt. Ich könnte mich mit diesen Leuten nicht befassen, wenn sie mir egal wären. Es gibt sehr viele Intellektuelle und Philosophen, die mit den normalen Leuten nie etwas zu tun haben. Ich glaube, Sir Karl Popper ist eher selten am Wirtshaustisch gesessen und hat mit den Hacklern Herrenwitze ausgetauscht. Aber natürlich fließt auch Verachtung ein, ohne dass ich das steuere - und wenn ich jemanden hasse, dann lasse ich ihn das auch spüren. Von den meisten Karikaturisten wird behauptet: Der ist ein Scharfzüngiger mit einem spitzen Pinsel - aber er ist nie verletzend. Mich hat die feine Klinge nie interessiert. Ich will verletzen, ich will weh tun. Aber ich habe nie liebe Leute verletzt, immer nur solche, die es sich redlich verdient haben.

Hader: Wenn man die Rolle des Hofnarren hat, egal ob als Zeichner oder Kabarettist, dann ist es wichtig, dass man es nicht jedem recht machen will. Wenn man auf der Bühne steht und sagt: "Die Regierung ist schlecht." Und alle sagen: "Stimmt, super." Dann sagt man: "Die Opposition ist auch nicht viel besser." Und alle sagen: "Genau." Es gibt Formen des politischen Kabaretts, wo kommunikationstechnisch nichts anderes passiert als im Bierzelt: Unten sitzen die Leute, die ihre Ansichten bestätigt haben wollen, oben steht der Kabarettist - und beide bestätigen sich, dass sie super sind, dass sie sich wieder einmal so richtig über Außenstehende, die heute überhaupt nicht da sind - Beamte, Installateure, Bischöfe - lustig gemacht haben. Mir war es immer wichtig, dass ich die Anwesenden, mich selbst und auch den Abend thematisiere: dass da jemand ist, der Macht ausübt und dass das, was der sagt, nicht immer in Ordnung ist.

Deix: Da gehört das Grundprinzip der Verletzung natürlich dazu. Ich habe Bilder, die jugendfrei sind und über die sich auch die Großmutter freut und sagt: Mei, ist das lustig. Aber wenn ich gemein sein will, dann möchte ich das auch tun dürfen. Ich leiste mir den Luxus, meine ganzen seelischen Verworfenheiten ausleben zu können.

Die Welt ist vollgepropft mit Sex und Gewalt. Sie sind das tägliche Brot, das wir in den Medien serviert bekommen, und das setze ich um.

Manfred Deix
Deix - © Foto: Manfred Werner

Manfred Deix

Manfred Deix war ein österreichischer Karikaturist, Grafiker und Cartoonist. Er ist 2016 im Alter von 67 Jahren verstorben.

Manfred Deix war ein österreichischer Karikaturist, Grafiker und Cartoonist. Er ist 2016 im Alter von 67 Jahren verstorben.

Die Furche: Ist das der Grund, dass sich Sex und Gewalt wie ein roter Faden durch Ihre Bilder zieht?
Deix: Die Welt ist vollgepropft mit Sex und Gewalt. Sie sind das tägliche Brot, das wir in den Medien serviert bekommen, und das setze ich um.

Hader: Man muss sich anschauen, in welchen Bildern Sex und Gewalt medial gezeigt werden, und in welchen Bildern sie der Deix festhält. Das ist ja geradezu eine Antithese: In Filmen wie "Matrix" wird Gewalt wie ein Ballett durchinszenieret, beim Deix wird es auf einmal läppisch.

Deix: Das Läppische am Sex manifestiert sich bei mir meistens in heraushängenden, abgeschlafften, kurzen Zumpferln. Ich habe mich tatsächlich immer als "Abreger" empfunden. Ich möchte kalmierend dazu beitragen, dass es weniger Geilheit gibt, dass der Kopf wieder klarer wird. Heute sieht man ja in den Magazinen Unterwäschemodels mit gespreizten Beinen, wo ich als Bub vierzehn Tage im Wachkoma gelegen wäre. Und trotzdem gibt es auf meine Bilder noch immer Resonanzen, wenn ich irgendwo im Hintergrund einen Mann zeichne, dem ein kleines Zumpferl heraushängt.

Hader: Es ist zwar nicht mehr tabu, dass man diese Dinge darstellt, aber sie haben eben schön zu sein. Das Tabu ist mittlerweile die Erbärmlichkeit.

Die Furche: Apropos Tabu: Gibt es etwas, worüber Sie sich nicht mehr lustig machen würden?
Deix: Bei einem Thema habe ich mich immer sehr zügeln müssen, und ich werde immer ganz kribbelig: die Special Olympics, diese Olympischen Spiele für Behinderte. Ich sehe mir das alle vier Jahre an - und ich gestehe und schäme mich dabei zu Tode: Da sieht man so lustige Sachen! Da gibt es Skirennen, wo auf einem flachen Hügel ein Slalom gesteckt ist. Und wenn die Tschapperln da hinunter fahren, bricht es wie eine Naturgewalt über mich herein, und ich muss lachen. Ich habe dieses Thema noch nie aufgegriffen, darüber macht man sich wirklich nicht lustig. Aber meine Finger beginnen jedes Mal zu kribbeln.

Hader: Wenn ich das Gefühl hätte, dass die Special Olympics gemacht werden, um davon abzulenken, dass es noch immer nicht überall Behindertenklos gibt, dann würde ich das auch thematisieren. Es gibt grundsätzlich kein Thema, das man nicht behandeln darf, aber es kommt immer auf den Kontext an. Am schlimmsten habe ich die Stimmung nach dem 11. September empfunden, als es drei Wochen lang in den Medien geheißen hat: Jetzt darf man nicht mehr lustig sein. Alle Spaßsendungen im deutschen Fernsehen waren gestrichen, sogar Harald Schmidt hat pausiert. Diese falsche Betroffenheit finde ich schlimm. Deshalb habe ich gleich über den 11. September eine Nummer gemacht - im Zusammenhang mit der Dritten Welt. Der Punkt war: Wie viele Menschen sterben jeden Tag, ohne dass jemand trauert?

Die Furche: Ein Thema, das lange tabu war, doch mittlerweile oft und gern durch den Kakao gezogen wird, ist die Kirche. Der Karikaturist Gerhard Haderer hat mit seinem "Jesus-Buch" trotzdem für einen Skandal gesorgt...
Deix: Man hat gemerkt, dass er damit in eine Wunde hineingestochen hat, die vorher gar nicht da war - und zwar mit den Mitteln eines absolut harmlosen Büchleins. Ich habe immer gesagt: Die Kirche müsste das mit links wegstecken. Diese Geschichte, dass Jesus sich einkifft, ist wirklich ein harmloser Gag gewesen. Ich selbst habe die Kirche schon viel mehr zerzaust.

Die Furche: Ist es für Sie etwas anderes, einen Politiker oder einen Bischof zu karikieren?
Deix: Ich mache mich oft über die Kirche lustig, dabei äußert sich Bischof Krenn mittlerweile sehr freundlich über mich. Einmal hat er gesagt: Herr Deix, Sie sind wirklich ein böser Mensch - so nach dem Motto: Pfui Deixerl, aber er ist ein Kind Gottes. Der mag mich irgendwie...

Hader: Ich habe eine Hassliebe zur Kirche, weil ich aus diesem Bereich komme. Natürlich weiß ich, mit welchen wunden Punkten man besonders verletzen kann. Ich brauche auch Tabus für meine Programme. Das größte Tabu ist heute aber der Tod und all die Dinge, die jeden betreffen und über die niemand gern redet - und nicht mehr die Kirche: Wenn ich heute auf der Bühne stehe, kann ich ja damit rechnen, dass für 80 Prozent des Publikums die Kirche nicht tabu ist. Witze über die Kirche sind eigentlich Witze über eine Minderheit, wo man eine lachende Mehrheit hat - und dadurch macht es auch immer weniger Spaß.

Witze über die Kirche sind eigentlich Witze über eine Minderheit, wo man eine lachende Mehrheit hat - und dadurch macht es auch immer weniger Spaß.

Josef Hader
Josef Hader - © Foto: Lukas-Partl

Josef Hader

Josef Hader ist ein österreichischer Kabarettist, Schauspieler, Autor und Filmregisseur. Seit den 1980er Jahren ist Hader einer der bekanntesten und populärsten Kabarettisten des Landes.

Josef Hader ist ein österreichischer Kabarettist, Schauspieler, Autor und Filmregisseur. Seit den 1980er Jahren ist Hader einer der bekanntesten und populärsten Kabarettisten des Landes.

Die Furche: Wie viel Spaß macht es, sich mit Politik zu beschäftigen?
Deix: Mittlerweile schläft mir das Gesicht ein, wenn ich politische Themen illustrieren muss. Das mache ich nun seit 30 Jahren und es wiederholt sich immer wieder. Alle sechs Jahre muss ich mir zu den Präsidentenwahlen wieder überlegen, wie ich diese Langweiler illustrieren soll. Das ist unendlich fad, deswegen werfe ich mich sehr gerne auf die Nebenbereiche der Politik. Dort grase ich herum. Soll ich dauernd den Grasser malen? Ich will mich mit dem nicht abgeben. Wie komme ich dazu, dass ich meine jugendliche Energie für diesen Jaguar-Verkäufer her schenke? Jeder Hilfshackler ist tausend Mal interessanter.

Hader: Wir haben in der Schule Kabarett gemacht über die Lehrer. Das waren natürlich die besten Vorstellungen, die man in seinem Leben hat: Die Schule ist keine Diktatur, wo Kabarett am stärksten ist, auch keine Demokratie, wo es am schwächsten ist. Sondern sie liegt ungefähr in der Mitte. Ausgehend vom Schulkabarett habe ich Kabarettprogramme gemacht, die sich auch mit Politikern auseinandergesetzt haben. Aber irgendwann ist mir das furchtbar oberflächlich erschienen, wenn sich ein Kabarettist auf die Bühne stellt und über Menschen redet, die er genauso wie alle anderen nur aus der Zeitung kennt. Deshalb habe ich ein Programm gemacht, in dem kein einziger Politiker vorkommt - und ich bin draufgekommen, dass das meine Stärke ist. Ich möchte zeigen, welche schönen und erbärmlichen Seiten die Menschen haben. Seither entwerfe ich ein Programm genauso wie ein Maler ein Bild malt oder ein Schriftsteller einen Roman schreibt. Ich suche mir ein Thema, das mich fasziniert, und erzähle eine Geschichte. Und das hat immer eine gesellschaftliche Relevanz, genauso wie die Bilder vom Deix immer Menschen zeigen, die deformiert sind - aber nicht aus sich selbst heraus, sondern von der Gesellschaft, in der sie leben.

Die Furche: Gibt es - entsprechend der hiesigen Gesellschaft - einen typisch österreichischen Humor?
Deix: Es gibt einen Wiener Humor. Mir ist es nicht bekannt, dass es einen Vorarlberger oder Tiroler Humor gäbe. Oder soll das etwa der sein, der in den Schiwelten stattfindet? Das ist mir alles fremd. Ich würde Wien als Mekka des österreichischen Humors bezeichnen. Der Hacklerhumor in Wien ist ein saftiger, zynischer Humor. Die Wiener sind - ohne die anderen diffamieren zu wollen - die Humor-Weltmeister Österreichs.

Hader: Ich bin da ein bisschen zerrissen. Ich spiele meine Programme überall, wo die Menschen deutsch sprechen. Und dann kommt man drauf, dass es Gegenden gibt, wo das Ironische, Hinterhältige und Böse des Humors, der in meinen Programmen steckt, gut verstanden wird - und Gegenden, wo es nicht gut verstanden wird. In Norddeutschland wird das zum Beispiel extrem gut verstanden. Vielleicht liegt das daran, dass England in der Nähe ist. Auch in Berlin haben die Leute eine Affinität zum schwarzen Humor. Dort herrscht - in einem anderen Tempo - die selbe, gepflegte Form von Unfreundlichkeit wie in Wien. Alles ist ein bisschen dings... Der Taxifahrer fragt, ob man ein Datum auf die Rechnung will, das macht er nur in Berlin und in Wien. Auch die Bayern haben genügend Hinterhältigkeit in sich, um meinen Humor zu verstehen. Wo es überhaupt nicht funktioniert, ist im Rheinland und im Ruhrgebiet - das ist eine Art Todesstreifen, der die Mitte Deutschlands umfasst. Die Menschen dort haben einen frohsinnigeren Humor. Das sind wirklich liebe Leut, aber sie erschrecken oft bei meinen Witzen. Dafür weinen sie bei manchen Liedern, wo sonst niemand weint.

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