Politik Parodie - Während des Wahlkampfs hat eine Künstlergruppe eine nackte Trump-Statue mitten in Manhattan postiert. Sie wurde rasch entfernt. - © Foto: Alex Millauer / Shutterstock

"Satire? Trump macht selbst Politik zur Parodie"

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Jürgen Marschal, einer der drei Autoren des Satire-Onlineportals "Die Tagespresse", über Witze in Zeiten des neuen US-Präsidenten und die Grenzen der Lustigkeit.

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Jürgen Marschal, einer der drei Autoren des Satire-Onlineportals "Die Tagespresse", über Witze in Zeiten des neuen US-Präsidenten und die Grenzen der Lustigkeit.

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Jürgen Marschal ist einer der meistbeschäftigten Satiriker Österreichs. Jeden Tag zieht der 33-jährige gebürtige Mistelbacher - gemeinsam mit Fritz Jergitsch und Sebastian Huber -auf dem Online-Satireportal dietagespresse.com die Welt durch den Kakao. Neun Jahre lang hat er sich zudem jene "Gags, Gags, Gags" ausgedacht, die Dirk Stermann und Christoph Grissemann in ihrer ORF-Late Night Show "Willkommen Österreich" ins Publikum schleuderten. Von seinen Witzen kann er mittlerweile halbwegs leben. Doch was kann Satire in Zeiten von Donald Trump überhaupt noch bewirken? Und wann ist für ihn Schluss mit lustig? Ein Gespräch über Witz und Widerstand.

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DIE FURCHE: Ich möchte mit einem Ihrer "Tagespresse"-Beiträge beginnen und zwar jenem zum geplanten US-Einreiseverbot für Bürger aus muslimischen Ländern. Sie haben daraus folgende Schlagzeile gemacht: "Endlich problemlos in die USA. Iranerin ersetzt Kopftuch durch angemessene Kopfbedeckung". Daneben war eine Ku-Klux-Klan-Kapuze zu sehen: Mit dieser sei die iranische Ärztin nicht einmal beim Verlassen des Gates kontrolliert worden, weil sie "von einem Security mit dem örtlichen Polizeichef verwechselt" worden sei. Wie kommt man auf solche Ideen?

Jürgen Marschal: Man denkt sich einfach: Was passt zum Thema und wäre das Übertriebenste, das noch irgendwie geht? Da war beim Thema Kopfbedeckung und USA natürlich der Ku-Klux-Klan naheliegend. Und dann versucht man das Ganze möglichst nüchtern im Nachrichtenstil zu formulieren.

DIE FURCHE: Wird die Kunst der Übertreibung, die ja als ureigenstes Stilmittel der Satire gilt, durch Donald Trump eigentlich leichter -oder schwieriger?

Marschal: Schwieriger - und zwar in zweierlei Hinsicht: Erstens, weil Trump im Grunde mit denselben Methoden spielt. Den neuen Supreme-Court-Richter (Neil Gorsuch; Anm.) hat er präsentiert wie in einer Reality-Show, er macht also selbst eine Parodie daraus. Und zweitens wird es schwieriger, weil in der Politik offenbar alles egal geworden ist und man dadurch keine Angriffsfläche mehr hat. Früher waren die Politiker einigermaßen anständige Menschen, die sich zumindest nach außen an einen bestimmten Verhaltenskodex gehalten haben. Aber Trump sagt über Frauen "grab them by the pussy" - und wird Präsident. Ich glaube, wenn CNN ein Video zeigen würde, in dem er eine Bank ausraubt, wäre es auch völlig wurscht.

Politik Parodie - © Foto: APA / Jaeger

Jürgen Marschal

Jürgen Marschal, geboren 1983, ist im Weinviertel aufgewachsen und lebt in Wien. Studien der Theaterwissenschaften und der Soziologie. Jobs als Müllmann, Totengräber und Nachtportier. Seit 2001 zeichnet er Cartoons für das deutsche Satiremagazin "Titanic". Seit 2007 schreibt er für die ORF Late-Night-Show "Willkommen Österreich".

Jürgen Marschal, geboren 1983, ist im Weinviertel aufgewachsen und lebt in Wien. Studien der Theaterwissenschaften und der Soziologie. Jobs als Müllmann, Totengräber und Nachtportier. Seit 2001 zeichnet er Cartoons für das deutsche Satiremagazin "Titanic". Seit 2007 schreibt er für die ORF Late-Night-Show "Willkommen Österreich".

DIE FURCHE: Wobei Trump zugleich extrem empfindlich gegenüber Kritik reagiert, wie auch sein Vorwurf zeigt, CNN verbreite "Fake News"

Marschal: Das ist richtig. Sobald ihn jemand karikiert, twittert er ja auch sofort. Die Parodie von Alec Baldwin in "Saturday Night Live" (siehe rechts) kommentiert er gern mit "Traurig" oder "Unglaublich schlecht". Ich finde diese Parodie übrigens selbst nicht wirklich gut, sondern eher gefährlich, weil man Trump darin als Trottel darstellt. Dass man ihn unterschätzt, war aber schon im Wahlkampf ein Problem: Er ist eben kein bloßer Trottel, er ist gefährlich -ein gefährlicher Idiot.

DIE FURCHE: In den USA ist es immerhin noch möglich, sich über Trump lustig zu machen. In Russland und der Türkei ticken die Uhren schon anders. Haben Sie Angst um die Pressefreiheit?

Marschal: Ich mache mir weniger Sorgen darüber, dass die Presse nicht mehr frei berichten kann - sondern eher darüber, dass es völlig egal wird, worüber sie berichtet. Es ist ja mittlerweile schon folgenlos, wenn man auf einem Video sieht, dass bei einer Veranstaltung des Front National ein Journalist verprügelt wird. Ich weiß gar nicht, wie dieses Misstrauen und dieser Hass gegenüber den "etablierten Medien" so schnell entstehen konnten. Aber wenn schon der echte Journalismus nichts mehr bewirken kann, dann schaut es auch für die Satire nicht gut aus.

Die Zeiten sind so kurzlebig, dass man alles aussitzen kann. Wenn man nicht reagiert, haben die Menschen schon am nächsten Tag alles wieder vergessen.

DIE FURCHE: Wobei Satire in der Geschichte meist das letzte subversive Mittel war, um gegen totalitäre Regime anzukämpfen. Sie selbst arbeiten an einer Neuinterpretation des satirischen Science-Fiction-Romans "Krieg der Molche", in dem der tschechische Autor Karel Capek 1936 Nationalismus und Faschismus bearbeitet hat

Marschal: "Krieg der Molche" war schon mit 16 Jahren mein Lieblingsbuch. Als ich es jetzt noch einmal gelesen habe, ist mir aufgefallen, wie aktuell die Themen sind. Es geht ja nicht nur um Faschismus, sondern auch um Technikkritik und sogar um den Klimawandel. Es scheint wirklich so zu sein, dass der Mensch nichts aus der Geschichte lernt und immer wieder alles von vorne beginnt.

DIE FURCHE: Neu ist jedenfalls, dass die Grenzen zwischen Realität und Satire durch vermeintliche oder tatsächliche "Fake News" zunehmend verschwimmen. Heinz-Christian Strache hat einmal eine Spaßmeldung des Satireportals "Der Postillon" in vollem Ernst auf seiner Facebook-Seite geteilt. Das hat "Die "Tagespresse" später einmal so persifliert: "Schon wieder auf Satire reingefallen: Strache hält 'Österreich'-Artikel für echte Meldung." Wie oft werden Ihre Satiren eigentlich falsch verstanden?

Marschal: Anfangs ist uns das öfter passiert, aber mittlerweile kommt es eigentlich kaum mehr vor. Wir versuchen schon, so zu schreiben, dass wir nicht von der falschen Seite ernst genommen werden können. Heinz Christian Strache teilt jetzt jedenfalls bevorzugt Beiträge von uns, in denen wir uns über Van der Bellen lustig machen -und dann nennt er uns auch "lustige Burschen". Aber wir haben einen Insiderschmäh: Wenn die FPÖ an der Macht ist, sind wir in zwei Monaten im Häfen.

Trump nur ein Trottel?

DIE FURCHE: Ihrem deutschen Kollegen Jan Böhmermann ist das nach seinem Schmähgedicht über Recep Tayyip Erdogan tatsächlich fast passiert. Wie gelungen haben sie sein Gedicht gefunden?

Marschal: Ich fand es nicht sonderlich lustig, aber das sollte es wohl auch nicht sein. Ich glaube auch nicht, dass Böhmermann absichtlich eine derartige Reaktion auslösen wollte, sondern dass sich das einfach verselbstständigt hat. Bei der großen Aufregung über die Mohammed-Karikaturen in der dänischen Zeitung Jyllands Posten hat es sich ja auch nicht um die weltweit allerersten derartigen Karikaturen gehandelt, es war einfach Zufall, dass die Proteste diese Zeitung getroffen haben.

DIE FURCHE: Sie haben damals aus Protest selbst für das Magazin "Datum" Mohammed-Karikaturen gezeichnet. Hatten Sie keine Angst vor Todesdrohungen?

Marschal: Damals war ich noch sehr jung, das war die reine Provokation. Aber es ist zum Glück nichts passiert. Drohungen bekommen wir bis heute fast nur von rechten Christen.

DIE FURCHE: Sie haben anfangs gesagt, dass Sie bei Ihren Beiträgen übertreiben würden, "bis es nicht mehr geht". Aber was geht nicht mehr? Worüber würden Sie sich nicht mehr lustig machen?

Marschal: Die Grenze liegt dort, wo es um Leute geht, die nicht in der Öffentlichkeit stehen -oder um private Angelegenheiten Prominenter. Wir würden etwa nie einen Witz über die Krebserkrankung oder uneheliche Kinder eines Politikers machen. Aber Witze über Krebs oder den Tod machen wir natürlich schon.

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