Gefährliche Satire

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Weißrussland - Vexierbild der Sowjetunion. Gespräch mit dem Trickfilmer und Regimekritiker Oleg Minich, der das Land verlassen musste.

Der weißrussische Video-und Satiretrickfilmer Oleg Minich hat sich mit seinen politischen Karikaturen den unerbittlichen Zorn des Staatschefs Alexander Lukaschenko zugezogen. Vor einer fünfjährigen Haftstrafe floh er aus dem Land. Nach einer Odyssee durch die GUS-Staaten gelangte er Anfang Februar schließlich auf der Suche nach politischem Asyl in den Westen.

Die Furche: Waren Sie verwundert, als Sie erfuhren, dass Lukaschenko Sie verfolgt?

Oleg Minich: Natürlich. Ich dachte nicht, dass Lukaschenko so gekränkt reagiert und gleich den KGB beizieht. Zur Durchsuchung kamen zwei Oberstleutnants, ein Major, ein Hauptmann und ein Oberleutnant mit der Videokamera. Solche Animationen hatte man ja auch in der Ukraine unter Präsident Kutschma gemacht, ohne dass jemand verfolgt wurde. Ich habe in den Kurzfilmen einfach TV-Reden Lukaschenkos genommen und diese dann animierten Personen, die ihm etwas ähnlich waren, in den Mund gelegt. Das Volk lachte, die Filme wurden populär und von Hand zu Hand gereicht wie beim sowjetischen Samisdat. Sobald Sie aber Negatives über Lukaschenko äußern, gelten Sie als Staatsfeind.

Die Furche: Bemerkt man also den Grad der Diktatur erst, wenn man mit ihr auf Konfrontation geht?

Minich: Nein. Man spürt sie auch so. Wir haben keine normalen Zeitungen, kein Radio. Im TV gibt es keine normalen Sendungen. Repressionen spürst du aber erst, wenn du dich in die Politik einmischt.

Die Furche: Das Regime ist also eine Diktatur.

Minich: Ja. Denn, sogar als ich mit dem Regime kollidierte, wurden die Ermittlungen ja nicht einmal gemäß dem jetzigen Gesetz geführt. Der KGB hat das Gesetz gebrochen, indem sie mir und meiner Frau den Pass weggenommen haben. Das hat mir sogar die Staatsanwaltschaft bestätigt. Aber sie hat mir auch gesagt, dass in meiner Sache das Kommando von ganz oben ausgeht - und da sind Gesetze außer Kraft gesetzt.

Die Furche: Beschreiben Sie das heutige Leben in Weißrussland.

Minich: Es ist wohl ein Vexierbild der Sowjetunion. Wie man sagt: Wenn sich die Geschichte wiederholt, dann schon in der Art einer Farce. Für mich etwa ist lächerlich, wenn Lukaschenko überall im Fernsehen auftritt und zum Halbgott gemacht wird. Die Zeitungen sind voll von Losungen fürs ganze Land: Das Bauerntum ist unsere Elite. Ist das nicht verrückt? In welchem Land sind die Bauern die Elite? Überall sind es Wissenschafter, Künstler, Schauspieler. Bei uns aber die Bauern. Die Losungen sind von der Art: Wenn nur kein Krieg ist und wenn nur niemand an Hunger stirbt. Nun jetzt im 21. Jahrhundert ist die Zeit des Hungers ja Gott sei Dank vorbei.

Die Furche: Warum haben Sie Weißrussland verlassen?

Minich: Man hat mir gedroht, mich hinter Gitter zu bringen. Der KGB-Oberstleutnant sagte, ich hätte im besten Fall zwei, im schlimmsten fünf Jahre zu erwarten.

Die Furche: Sie fühlten sich aber dann in Moskau und in der Ukraine auch nicht sicher.

Minich: In Moskau wandte ich mich sofort an die US-Botschaft und an die UNO. Da rief mich in der Nacht ein Bekannter an und warnte, der KGB sei über meine Schritte schon in Kenntnis. Man riet mir, aus Moskau abzureisen. In Kiew dann hat mich ein Bekannter, ein Ex-Mitarbeiter der Lukaschenko-Administration, darauf hingewiesen, dass ich mich nur bis zu der weißrussischen Präsidentschaftswahl sicher fühlen kann.

Die Furche: Wie beurteilen Sie die Wahrnehmung Weißrusslands durch den Westen?

Minich: Wie mir scheint, versteht der Westeuropa letztendlich überhaupt nicht, was in meinem Land vor sich geht. Die Amerikaner schon eher. Westeuropa tritt zu weich gegenüber Lukaschenko auf. Beim Animationsfilmfestival in Berlin glaubten viele einfach nicht, dass Lukaschenko tatsächlich gegen mich vorgegangen ist.

Die Furche: Wo ist für Sie die Grenze der künstlerischen Freiheit?

Minich: Bei meinen Karikaturen habe ich nur die politische Tätigkeit unserer Staatsführung thematisiert. Persönliche Angelegenheiten wie körperliche Auffälligkeiten habe ich immer ausgespart.

Die Furche: Gehen Ihnen die dänischen Islamkarikaturen zu weit?

Minich: Ich hätte das wahrscheinlich nicht gezeichnet. Aber ich bin auf der Seite der dänischen Karikaturisten. Denn in einem russischen Sprichwort heißt es: Man braucht den Spiegel nicht zu verfluchen, wenn die eigene Visage schief ist. Ein gebildeter Mensch würde einmal nachdenken, warum er wie gesehen und gezeichnet wird. Nur Unzivilisierte verfallen in Hysterie, zünden Botschaften an oder verbrennen Flaggen. Mit unserem Lukaschenko ist es ähnlich, er ist ungebildet und unkultiviert. Kritisiert man ihn, wird er hysterisch, bringt Leute hinter Gitter.

Minichs politische Animationen - auch auf Englisch - im Internet: http://mult.3dway.org/

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