
Franz Schuh über Transparenz: "Die Frage ist: Was verschweigt man?"
Der Kulturphilosoph Franz Schuh im FURCHE-Gespräch über Transparenz im Ganzen und im Detail, bürgerliche Privatheit, türkise Hybris und ewigen querulatorischen Verdacht.
Der Kulturphilosoph Franz Schuh im FURCHE-Gespräch über Transparenz im Ganzen und im Detail, bürgerliche Privatheit, türkise Hybris und ewigen querulatorischen Verdacht.
Dass es Franz Schuh im Vorjahr schlecht ging, hat er selbst transparent gemacht. Wie unterscheidet sich solch private Offenheit von politischer? Und was macht Transparenz mitunter paradox? DIE FURCHE hat ihn zum Gespräch gebeten.
DIE FURCHE: Herr Schuh, der Transparenz wird heute ein unglaublich hoher Wert beigemessen. Wie erklären Sie sich das?
Franz Schuh: Transparenz hatte immer schon einen hohen Wert, weil der Mensch sich dadurch auszeichnet, dass er sich nicht auskennt. Und um sich zu orientieren, muss er wissen, was los ist. Daher ist Transparenz auch aus politischen Gründen notwendig, denn man hat das Gefühl – zu Recht oder zu Unrecht: Sie verhandeln hinter meinem Rücken. Es gibt diese ewige Kabinettspolitik, da tauchen plötzlich Besetzungslisten auf, ein sogenannter Sideletter, der den ehemaligen Wahlkampfmanager von Alexander Van der Bellen, Lothar Lockl, als ORF-Stiftungsratsvorsitzenden einsetzt – und man grummelt, einmal erwischt, reuig vor sich hin, dass man das doch besser hätte transparent halten sollen. Hätte man, denn wie kommt es, dass plötzlich ein Wahlkampfberater im ORF eine große Rolle spielt – und keiner weiß, warum, außer er und die, die ihn befördert haben?
DIE FURCHE: Die Sideletter der türkis-grünen Regierung haben tatsächlich für Empörung gesorgt. Doch wie viel Transparenz ist in politischen Aushandlungsprozessen überhaupt möglich und sinnvoll? Der Philosoph Byung-Chul Han hat vor Jahren im Interview mit dem Magazin „Brand eins“ betont, dass es immer auch das Geheimnis brauche: „Nur eine Maschine ist transparent“, meinte er.
Schuh: Der Philosoph hat recht: Transparent sind nur Maschinen, die man auseinandernehmen kann – aber da meint er die totale Transparenz, die Transparenz im Ganzen. Ich spreche von Detailtransparenzen, also von Vorgängen, die ohne weiteres öffentlich gemacht werden können. Ein Beispiel: Ich war elf Monate im Spital – was ich leider endlos transparent gemacht habe. Aber was nicht transparent war im Spital, waren die Medikamente, die sie dir in einer länglichen Schachtel vorsetzen. Du weißt nicht, was du schluckst, niemand sagt es dir, der Arzt hat andere Sorgen, du bist aber überzeugt, es war das Richtige, weil du in deinem Elend das Anti-Transparenz-Mittel schlechthin geschluckt hast – und das heißt: Vertrauen.
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