Felbermayr und Hieslmayr - © Foto: Carolina Frank

Wie konnten wir so werden? Ein Schulkollegen-Gespräch über Gott, die Welt und Putin

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WIFO-Chef Gabriel Felbermayr und die Ordensfrau Sr. Teresa Hieslmayr waren Klassenkollegen. Auf Einladung der FURCHE haben sie darüber gesprochen, was sie selbst geprägt hat, wieviel Missionarismus man braucht - und was dazu führte, dass es wieder Krieg in Europa gibt.

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WIFO-Chef Gabriel Felbermayr und die Ordensfrau Sr. Teresa Hieslmayr waren Klassenkollegen. Auf Einladung der FURCHE haben sie darüber gesprochen, was sie selbst geprägt hat, wieviel Missionarismus man braucht - und was dazu führte, dass es wieder Krieg in Europa gibt.

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Gabriel Felbermayr hat viel zu tun. Schon in normalen Zeiten ist seine Expertise als Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts WIFO gefragt – und in Zeiten des Krieges erst Recht. Einen vollen Terminkalender hat freilich auch Sr. Teresa Hieslmayr: als Psychotherapeutin und Seelsorgerin sind ihre freien Zeitfenster rar. Doch für eine Wiederbegegnung haben sich beide freigeschaufelt. Schon damals, im Stiftsgymnasium Schlierbach, stand das Debattieren bei ihnen hoch im Kurs. „Wie konnten wir so werden? Und was kann noch aus uns werden?“ Mit diesen Fragen hat DIE FURCHE die beiden in einem Podcast-Gespräch konfrontiert (hier kann man es nachhören).

DIE FURCHE: Es herrscht Krieg in der Ukraine – und Angst vor einem Weltkrieg. Ob Wladimir Putin kalt kalkuliert oder dem Cäsarenwahn erlegen ist, bleibt Spekulation. Aber er agiert jedenfalls nicht im historisch luftleeren Raum. Haben Sie für sich eine Erklärung, wie wir so werden konnten - und wie Putin so werden konnte, dass es 2022 wieder Krieg in Europa gibt?

Gabriel Felbermayr: Wenn wir das wüssten! Ich glaube nicht, dass es nur der Cäsarenwahn eines einzelnen mächtigen Menschen ist. Der gehört zwar offenbar dazu. Aber wir – und damit meine ich „den Westen“ – sind seit 1990 auch recht triumphalistisch aufgetreten. Über diese 30 Jahre haben sich Ressentiments entwickelt, die immer wieder bestätigt wurden: etwa dass der Westen seine Interessen über die anderer stellt oder dass am Ende doch das Recht des Stärkeren gilt. Das kommt jetzt zurück – halt nicht im Bereich des Wirtschaftlichen, weil da Russland wenig zu bieten hat, sondern des Militärischen.

Sr. Teresa Hieslmayr: Ich sehe das ganz ähnlich. Und natürlich habe ich mich auch gefragt, was einen Menschen wie Putin veranlasst, solche Schritte zu setzen. Für Aggression gibt es ja immer eine fatale Mischung aus Angst, einem Nicht-Ernst-Genommen-Fühlen und dem Eindruck, in der Bewegungsfreiheit eingeschränkt zu sein. Ich würde nicht unterschätzen, wie sehr persönliche Befindlichkeiten von einzelnen Menschen – und damit meine ich nicht nur den Herrn Putin – sich auf die Realpolitik auswirken. Und die von Dir angesprochene Überheblichkeit des Westens ist nicht nur auf einer wirtschaftlichen, sondern auch auf einer emotionalen Ebene spürbar. Ich erlebe in meinem Arbeitsumfeld täglich, wie Österreicherinnen und Österreicher mit Leuten aus dem Osten umgehen, und damit meine ich nicht nur Russland, sondern auch den arabischen und persischen Raum. Da gibt es ein Beziehungsgefälle, ganz automatisch, ganz selbstverständlich.

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