"Keine Sonne, keine Hormone, wenig Sport"

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Emmy Werner im Gespräch mit Elisabeth Nöstlinger: über ihr Rezept gegen das Altern, ihre Beziehung zum Theater und die Suche nach Beschaulichkeit und Kontemplation.

Vor 17 Jahren wurde Emmy Werner als erster Frau im deutschsprachigen Raum die Leitung eines so großen Theaters, wie es das Wiener Volkstheater ist, übertragen. Mit Ende dieser Spielsaison hat sie ihren Abschied genommen. Kein Mann hatte zuvor so lange dieses Amt inne. Sie überraschte durch die Wahl der Autoren, provozierte die Kritiker, indem sie ungewöhnliche Inszenierungen akzeptierte, und begeisterte das Publikum durch Engagement - auch feministisches Engagement. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie gegen die Männer gewesen ist. Viel wichtiger war und ist der Prinzipalin, die keine Feministin sein will, dass Männer erkennen, wie wunderbar es ist, mit selbstbewussten, aufgeklärten Frauen zu leben. Auch im Alter. Dahingehend will sie auch das Selbstbewusstsein der Frauen stärken.

Emmy Werner: Das ist etwas, was mich noch interessieren würde: das Selbstbewusstsein der älteren Menschen zu stärken. Das geht auch Männer an. Leider ist es noch immer so, dass der Alte mit dem Spitzbauch die Junge hin und her zerren darf - und umgekehrt geht es nicht. Ja glauben Sie, ich hätte nicht auch Gusto gehabt auf einen jüngeren Gefährten? Das traut man sich als Frau aber nicht, wenn man schon ein bisschen in die Jahre gekommen ist.

Die Furche: Hat das nicht auch biologische Gründe?

Werner: Also dieses Gekreische um den Wechsel! Ich versteh' es nicht. Der Wechsel ist etwas Wunderbares, er macht alles leichter. Der Wechsel befreit von sehr vielen Dingen. Gott sei Dank kann man keine Kinder mehr kriegen, das ist ja geradezu eine Erlösung. Von Ärzten, Pharmazeuten und jenen, die Hormonpräparate verkaufen wollen, wird da viel hineininterpretiert. Die Folge ist: die Frauen werden verunsichert. Mein Rezept gegen das Altern lautet: keine Sonne, keine Hormone, wenig Sport und billige Kosmetika. Ich beuge mich nicht dem Wahn unserer Gesellschaft, jung bleiben zu müssen. Mein Gesicht zeigt doch alles, was ich gemacht habe, dass ich gelebt habe.

Die Furche: Nach vier Jahren Theater der Courage, sieben Jahren Drachengasse und 17 Jahren Volkstheaterdirektion war es wohl ein Leben fürs Theater...

Werner: Theater ist nicht mein Leben. Ich bin mit dem Theater aufgewachsen, und ich lebe Theater. Ich habe mir immer sehr viele Interessen außerhalb des Theaters gegönnt. Theater ist nicht mein Leben - es ist mein Beruf. Ich möchte nicht einmal sagen, es ist meine Berufung. Das ist für mich so etwas Selbstverständliches. Ich liebe es auch nicht. Ich bin damit groß geworden wie mit der Luft, die ich atme. Ich sage auch nicht: Ach Gott, wie ich die Luft liebe! Ich wollte mich selbst erhalten, ich wollte für mich sorgen, ich hatte ganz große Lust, ein Theater zu leiten und zu bestimmen, was sich dort tut. Das war ein ganz starker Impetus. Ich war in meiner Ehe sehr fremdbestimmt. Aber ich möchte keine Minute missen, weil mir die Erfahrungen, die ich in dieser Ehe gemacht habe, später sehr geholfen haben. Ich habe einen selbständigen Sohn erzogen, einen so genannten neuen Mann ... Also ich habe mein Leben auf mehreren Ebenen gelebt. Ich muss aber auch gar nichts tun. Ich kann auch drei Stunden in den Bach hinein schauen. Das gibt mir neue Kraft. Hätte ich dauernd meinen Motor maximal hochgefahren, hätte ich das nicht so lange ausgehalten.

Die Furche: Wie haben sie sich regeneriert? Theaterdirektorin ist ja kein Acht-Stunden-Job.

Werner: Ich habe keine Kommunikationsgeräte zu Hause. Keinen Anrufbeantworter, kein Fax, schon gar kein E-Mail. Wenn das Telefon läutet, wird der Polster draufgedrückt, und ich bin nicht erreichbar. Für ein, zwei Menschen gibt's eine andere Möglichkeit mich zu erreichen. Ich schalte so ab, als gäbe es alles rundherum nicht. Ich versinke in meiner Wohnung im Kämmerchen.

Die Furche: Was machen Sie dort?

Werner: Da wird herumgeschlichtet. In diesen Regalen sind Schätze an Büchern mit Widmungen verborgen. Viele habe ich noch nicht gelesen. Ich kann überhaupt nicht verstehen, wie es Leuten langweilig sein kann, solange sie ungelesene Bücher haben. Dann habe ich eine Eulensammlung - die muss man putzen; das hat etwas Kontemplatives. Das ist mir wichtig. Sonst wäre ich ja die Supermaus, und die bin ich wirklich nicht.

Die Furche: Sie können auf einige Erfolge zurückgreifen: Das Callas-Stück "Meisterklasse" war ein Longseller; österreichische Dramatiker wie Elfriede Jelinek, Wolfgang Bauer, Peter Turrini sind auch durch das Volkstheater bekannt geworden; Autoren wie Martin Crimp, Theresia Walser oder Biljana Srbljanovic haben Sie als erste in Wien gespielt; viele Schauspieler haben auf Ihren Brettern angefangen. Werden Sie im Herbst Ihrem Nachfolger Michael Schottenberg mit Ihrem Erfahrungsschatz zur Seite stehen?

Werner: Um Gottes Willen, nein! Ich hab' in meinem Leben fünfmal einen Schlussstrich gezogen. Das kann ich gut. Das Schiff hat man verlassen, ein anderer Kapitän hat das Schiff bestiegen. Ich werde jetzt auch lange nicht hineingehen. Denn ich verreise bis September - das habe ich besprochen, dass mir das gestattet sei. Ich habe sehr interessante Angebote etwas zu tun, aber ich habe alles abgesagt. Ich möchte jetzt nichts tun. Das sei mir nach all den Jahren schon gegönnt.

Die Furche: Werden Sie das denn aushalten?

Werner: Selbstverständlich, weil ich ja ein kontemplativer Mensch bin. Auch wenn man mir das nicht ansieht.

Die Furche: Haben Sie schon Pläne für die nächste Zeit gemacht, wo und wie Sie die Beschaulichkeit finden werden?

Werner: Ich fahre ein bisschen weg. Ich reise ja ungern, aber ich muss ein bisschen weg. Ich fliege auch nicht. Ich bin ein schrecklich altmodisches Geschöpf, das so gern mit der Bahn fährt. Ich möchte einmal mit der Transsibirischen Eisenbahn fahren, aber es will keiner mit mir mitfahren. Also werde ich nicht fahren. Eigentlich halte ich ja die Frage, wie ich es ohne eine so schwierige Aufgabe aushalten werde, immer ein bisschen für eine Fopperei. Ich bin in einem Alter, in dem andere Leute längst in Pension sind. Ich bin begrenzt, aber doch etwas intelligent. Ich kann mich daher mit sehr vielen Dingen beschäftigen. Ich möchte das soziale Leben wieder auffrischen, mehr mit anderen Menschen zusammen sein. Ich habe mir ein kleines Büro gemietet - wieder in einem sehr lebendigen Kosmos. Dort werde ich versuchen, die 25 Jahre meiner Theaterarbeit aufzuarbeiten, werde versuchen, meine Erlebnisse niederzuschreiben. Ohne Leistungsdruck. Wenn es nichts wird ... - wir haben einen Kamin am Land, da wird das dann eingeheizt. Alles.

Nächste Woche: Alternsforscher Georg Wick.

Das Buch zur Sendereihe wird im Oktober im Styria-Verlag erscheinen.

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