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Meine Hobbies

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Ich habe viele Hobbies, je älter ich werde, um so mehr. Vieles liegt noch vor mir, das ich erst versuchen möchte, und ich hoffe, daß ich noch dazu komme, wenn ich alt genug werde und die Zeiten es zulassen.

Ich habe viele Jahre gebraucht, bis ich mich zu einer Rechtfertigung der Hobbies durchrang und sie mit einigermaßen gutem Gewissen betreibe. Durch Erziehung und Literatur war ich in eine gewisse asketische Richtung gedrängt, die für Steckenpferde nicht übrig- -hat-, soraderfi sie als Flucht vor dem Wesentlichen verwirft. Wenn ich es am Beispiel eines Priesterromans sagen darf: der Priester der französischen Literatur kennt nur den Kampf mit dem Teufel in Gebet und Pastoral, er ist hohlwangig und lungenkrank, hat Halluzinationen und repräsentiert das Uebernatürliche rein und fremd in dieser bösen Welt. Die Angelsachsen dagegen haben ein anderes Ideal. Ihre Priester sind recht menschlich, haben Schrullen und Fehler und viel Humor. In einer englischen Wochenschau wurde vor Jahren ein würdiger Priester gezeigt, den seine Lieblingsgans (eine echte Gans!) täglich bis zur Kirche begleitete. Seit dieser Gans habe ich Mut zu meinen Steckenpferden.

Noch etwas anderes half den inneren Widerstand gegen die ernstliche Spielerei, wie ich das Hobby nennen möchte, zu brechen. Eines Tages erzählte mir ein inzwischen verstorbener Nachbar, daß er Eisenbahnen baue. Als ich ihn ungläubig ansah, führte er mich in ein Nebenzimmer, wo eine Modelleisenbahn stand, die er selbst gebastelt hatte.

Wenn ich ein kurzes Wort zur theologischen P echtfertigung der Hobbies sagen darf. Von der göttlichen Weisheit heißt es in der Heiligen Schrift, daß sie es liebe, allzeit zu spielen vor den Menschenkindern. Hobby ist nichts anderes als Spiel. Ich bin glücklich dabei, finde meine Ruhe und danke Gott, daß er mir das Spiel läßt.

Ich liebe das Holz als Material und seine Verarbeitung. Vor kurzem sagte meine Mutter ganz zufällig, der verstorbene Vater habe einmal bedauert, daß man ihn nicht Tischler habe lernen lassen. Da verstand ich meine Liebe zum Holz, sie ist mir angeboren. Die Preisung des Holzes will ich mir ersparen. Wer einmal damit zu tun gehabt hat, wird es verstehen. Es ist fast zu schade zum Verbrennen. Einmal nahm ich von meinem Elternhaus etliche schöne Bretter mit, und zwar die roten von dem alten Kirschbaum, auf dem ich als Kind viele Freuden genoß. Ich habe sie in meiner Werkstatt stehen, und es bereitet mir schon einen Genuß, sie nur zu betrachten und zu betasten. Was hab' ich nicht schon alles aus dem alten Kirschbaum gemacht. Einen Winter lang spezialisierte ich mich auf Schemel und Bänke. Sie stehen in meinem Haus umher und meine Freunde habe ich auch damit versorgt. Im letzten Winter habe ich mich auf

Stehlampen verlegt. Der Fuß ist immer ein Stück von dem roten Kirschholz mit fein gedrechselten Füßchen, die ich selbst gemacht habe. Weil ich das Wort drechseln ausgesprochen habe: das ist wohl die reizvollste Art, mit dem Holz zu zaubern. Beileibe nicht so schwer, als ich früher glaubte. Ein sauber gegliedertes Drechselstück steht da wie ein Gedicht. Ich habe schon etlichen Freunden das Drechseln gelehrt unHjder ist“'begeistert und empfand1ijdHtfef höchstes Schaffensglück.

Einen Winter lang habe ich auch Schiffe gebaut, habe jedoch wieder aufgehört, weil der Nachbar es als allzu kindisch ablehnte. Aber schön war es doch, wenn ich die Kinder zum Stapellauf einlud und das wohlgebaute Fahrzeug auf den Wellen unseres Baches dahinglitt.

„Wann machst du das?“ werde ich oft gefragt.

Nun, ich bin ein schlechter Schläfer und darf mich am Abend nicht mehr geistig beschäftigen. Also gehe ich, oft noch um neun Uhr (wenn der liebe Nachbar in seinen Keller steigt!) in meine Werkstatt und schaffe.

Die Werkstatt, das ist eine Sache, über die man einige Worte verlieren muß. Die erste Freude daran habe ich bei einem Monsignore in Wien gefunden, der sich eine große, allerdings mehr für Eisenverarbeitung, eingerichtet hatte.

Von Eisen träume ich noch. Mein Ziel ist eine richtige Schmiede mit Esse und Amboß. Als Knabe wuchs ich nämlich neben einer Schmiede auf. Aber zurück zu meiner Werkstatt: Die Russen haben bei mir etliche roh gezimmerte Kasten übriggelassen, in deren Fächer jeder sein Eßzeug und Gewehr gab. Da liegt jetzt mehr oder weniger geordnet mein Werkzeug. „Wie schön ist so ein neuer Hammer!“ sagte neulich jemand zu mir, als er meinen neuen sah, und ich war ihm dankbar für das Wort, weil es mir seine verwandte Seele offenbarte. Wie sinnreich und vielfältig in Verwendung sind doch die uralten Geräte: Hammer, Zange, Feile, Bohrer und Hobel. Aber ich bin auch ein wenig maschinell eingerichtet, mit elektrischem Bohrer, Drehbank, Kreissäge, Schmirgelscheibe u. ä. Ueberaus reizvoll ist auch die Oberflächenbehandlung des Holzes. Das Streichen ist noch das Primitivste. Die Nitrofarben haben alle Tischler ruiniert. Wie schön war das alte Poli-tieren mit dem Tuch. Wie herrlich tritt die Faserung hervor. Wenn es nicht zu spät wäre, würde ich heute noch für einige Monate in die Lehre gehen bei einem Tischler, Drechsler, Schmied, Anstreicher oder Schlosser.

Als ich ein altes Stift besichtigte, wies der Führer auf herrilche Kästen mit Einlegearbeiten hin und sagte: „Das haben früher die hochwürdigen Herren in ihrer Freizeit gemacht.“

Ehrfürchtig betrachtete und betastete ich die vollendete Arbeit. Das werde ich nie erreichen.

Nun zum Steckenpferd mit lebendigem Material, der Gärtnerei. Wenn man damit beginnt, kommt man an kein Ende. Aber hier ist eine Quelle unendlicher Freude. Das Gottesgeheimnis leuchtet hier ganz stark durch. In meiner Einsiedelei hatte ich im vergangenen Jahre zwei Meter hohe Königskerzen stehen. Ich habe den Samen verbreitet (sie sind zweijährig) und warte auf ihren Aufgang. Was soll ich von den Rosen sagen, auf die ich als Kunstblume immer mehr zurückkomme. Von Juni bis Allerheiligen treiben sie Blüte um Blüte. Diese Farben, dieser Duft, diese Verzauberung! In meinem winzigen Wald wächst Jahr für Jahr der Aronsstab, und der Efeu liegt Blatt neben Blatt. Ich habe mit Pappeln experimentiert, die ich längst schon liebte, ehe sie noch in Mode kamen. Einen ganzen Wald davon habe ich an der Donau gepflanzt. Die ersten Waldbäume pflanzte ich mit meinem Vater und heute sind sie groß und stark. So vergeht die Zeit. •

Und dann die schneller alternden, aber uns viel näherstehenden lebendigen Wesen, die Tiere, die vermummte Kreatur, wie Reinhold Schneider gerne sagt. Das Verhältnis zu den Tieren ist schon persönlicher und daher tragischer. Ich habe Schäferhunde gezüchtet, Schafe gehalten. Ich locke die Enten vom Nachbarn in den Tümpel vor meinem Fenster, um sie spielen zu sehen, und mit einem Diplomaten spintisiere ich von einem Esel, den wir uns einmal gemeinsam zulegen wollen.

Wissenschaft kann als Hobby betrieben werden, wenn der Verstand dazu reicht. Wie gerne würde ich Mathematik betreiben, aber schon in der Schule war ich zu dumm dazu. Für Sprachen

Astronomie würde mich ebenso interessieren wie Botanik. Aber dazu komme ich in diesem Leben nicht mehr. Für Musik, aktiv betrieben, reicht leider die Begabung nicht. Auch im Modellbau versuchte ich mich und habe etliche Häuser nachgebildet, in denen ich gewohnt habe, und nicht nur ich selbst und die Kinder freuen sich, wenn sie sie betrachten. Das letzte Haus habe ich voriges Jahr im Rohbau fertiggemacht. Irgendwann werde ich es vollenden; ich denke, an drei Abenden schaffe ich es.

Aber das sind längst nicht alle Hobbies, die ich betreibe. Ich koche gerne, besonders an offenem Feuer, auf dem Rost, und könnte mich leicht als Koch verdingen.

Photographieren möchte ich nicht recht gelten lassen, wenn man nur aufnimmt, aber als ich neulich eine Dame kennenlernte, die mit Sechzig in der Volkshochschule das Malen gelernt hat, träume ich davon.

Bücherlesen und Schreiben nenne ich kein Hobby, sondern eine Arbeit, wenn was dabei herauskommen soll. Eher möchte ich den Umgang mit Menschen so nennen, in Geselligkeit und Freundschaft. Charakterforschung, Erfahrung im Umgang, Menschenführung, vor allem auf indirektem Weg, und das Zusammenbringen von Menschen. Wie wichtig wäre es, wenn wir es mit Geduld und Liebe betrieben.

Gott hat uns alles geschenkt, daß wir damit spielen und im Spiel uns freuen und Ihn preisen, der alles gemacht und so wohlgeordnet hat.

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