Wer wacht über das Amtsgeheimnis? - Als Tiger gestartet, als Bettvorleger gelandet, lautet eine Redensart, die nach der Kritik aus dem Gemeindebund, den Landtagen und Ministerien auch für das Informationsfreiheitsgesetz zutreffen könnte. - © Wolfgang Machreich

Schützt oder versteckt das Amtsgeheimnis?

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Das Informationsfreiheitsgesetz kreist in einer Endlos-Warteschleife über den Amtsstuben. Schuld daran seien vor allem die Gemeinden, kritisiert die Regierung.

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Das Informationsfreiheitsgesetz kreist in einer Endlos-Warteschleife über den Amtsstuben. Schuld daran seien vor allem die Gemeinden, kritisiert die Regierung.

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Ein Herr Bürgermeister a. D. Trauert der Stempelmarke nach: „Früher haben sich die Leute Gedanken gemacht, ob ein Antrag das Geld wert ist.“ Mit der Kostenlos- Mentalität falle diese Hemmschwelle weg, und die Bürgerinnen und Bürger stellten „formlos per Handy-SMS Anträge oder Anfragen an ihre Bürgermeister und erwarten, dass sie sofort bearbeitet werden“.

Anlass für das Gespräch mit dem Altbürgermeister einer Stadtgemeinde mit zehntausend Einwohnern ist die Ankündigung der Regierungsparteien, das Amtsgeheimnis noch vor dem Sommer abzuschaffen und durch ein Informationsfreiheitsgesetz zu ersetzen. Diese Ankündigung stammt schon aus dem Frühjahr 2020 – sie gilt immer noch: Anfang Mai zeigte sich Justizministerin Alma Zadić (Grüne) zuversichtlich, dass das Gesetz „demnächst“ komme: „Das Recht auf freie Information muss in die Verfassung.“ Zuvor hatte Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) ihr Engagement zur Umsetzung des Gesetzes betont: Die Bundesregierung habe „ihre Hausaufgaben“ für einen Paradigmenwechsel in der Informationsfreiheit erledigt. Nicht nur das Amtsgeheimnis werde beseitigt, staatliche Transparenz solle zur Regel und Geheimhaltung die Ausnahme werden. Erst vor wenigen Tagen bestätigte Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer im ORF-Radio: „Sicher ist, das Amtsgeheimnis wird abgeschafft.“ Nachgefragt, warum die Umsetzung des Gesetzes so lange dauere, wollte sie den Widerstand niemandem speziell zuordnen. Ihr Eindruck: Hier würden sich mehrere Player hintereinander verstecken.

Angst vor Anfrageflut

Der Gemeindebund kann damit nicht gemeint sein. Der hat seine Einwände gegen den – seiner Kritik nach in der Vollziehung viel zu komplizierten – Entwurf für das Informationsfreiheitsgesetz nicht versteckt, sondern transparent vorgebracht. Im März 2021. Seither warte man auf eine Antwort oder einen neuen Entwurf bzw. den von Vizekanzler Werner Kogler angekündigten runden Tisch, antwortet Gemeindebund- Pressesprecher Andreas Steiner auf die FURCHE-Anfrage nach dem Stand der Dinge. Den Vorwurf von VP- wie auch von grüner Regierungsseite, vor allem die Gemeinden seien für die Blockade des Gesetzes verantwortlich, lässt Steiner nicht gelten: „Der Widerstand kommt aus vielen Bereichen. Sogar ihre eigenen Ministerien haben Einsprüche erhoben. Da geht es nicht nur um Datenschutz, sondern viele Fragen sind offen.“ An oberster Stelle der Einwände stehe laut Steiner aber die Angst vor einer Flut an Anfragen – und wie damit umzugehen sein wird.

Der Altbürgermeister bestätigt diese Befürchtung aus der Praxis: „Es fragen ja meistens die an, die gegen etwas sind, und diese Anfragen können ausufernd sein – davor müssen Gemeindeämter geschützt werden.“ Als Beispiel nennt er den Bau einer Entlastungsstraße in seinem Ort, der eine Anfragewelle der Anrainer auslöste: „Das hat einen Sachbearbeiter vier Wochen lang beschäftigt – und dann war es immer noch nicht ausreichend. Denn hier geht es oft nicht mehr um Informationen an sich, sondern um Argumente, mit denen man recht bekommen möchte.“ Die Gemeinden bekämen für diese Anfragebeantwortungen auch nicht „unendlich viel Dienstposten zugeteilt“, beschreibt der frühere Gemeindechef den Arbeitsalltag. Außerdem habe nicht jede Gemeinde zu allen Themen die nötigen Fachkräfte: „Meistens geht es dabei um Rechtsstreitigkeiten, und natürlich geht dann die Angst bei den Bürgermeistern oder in der Verwaltung um, dass man mit seinen Aussagen auf Punkt und Beistrich festgemacht wird.“ Ein möglicher Ausweg wäre für den Altbürgermeister die Einrichtung einer Transparenz- oder Datenbehörde, an die sich Gemeinden bei aufwendigen und juristisch kniffligen Fällen wenden könnten.

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