Der Twitter-Vogel hat Muskeln gezeigt,  - Twitter hat Donald Trump sein Megaphon entzogen. So froh viele darüber waren, so sehr beunruhigt das Faktum, dass hier ein IT-Unternehmen Kläger, Richter und Exekutor ist. - © Illustration: Rainer Messerklinger

Facebook, Twitter und Co: Internet-Riesen an die Kandare

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Es geht um die Rückeroberung der Grundfreiheiten in der Welt des Internets. Mit zwei Gesetzes-Macheten will die EU die Marktmacht der IT-Konzerne im Internet-Dschungel zurechtstutzen.

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Es geht um die Rückeroberung der Grundfreiheiten in der Welt des Internets. Mit zwei Gesetzes-Macheten will die EU die Marktmacht der IT-Konzerne im Internet-Dschungel zurechtstutzen.

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Patrick Breyer war Richter in Schleswig-Holstein. Bevor er über die Landespolitik in die Europapolitik gewählt wurde. Dort ist er Pirat. Wie das zusammenpasst, erklärt sich im Telefonat mit der FURCHE über den EU-Gesetzgebungsprozess zur Regulierung

von Internet-Diensten und -Märkten sehr schnell. Nach einigen Detailantworten öffnet der Abgeordnete der Piratenpartei und Schattenberichterstatter der Grünen/EFA-Fraktion im Rechtsausschuss des Europarlaments seinen Antwortfokus auf das, „worum es dabei eigentlich geht“ und beschreibt die Aufgabe, vor der der EU-Gesetzgeber steht, so: „Es geht um nichts weniger, als das Netz und die Plattformen in Einklang mit unseren Werten zu bringen – dem Recht auf Selbstbestimmung, den Grundfreiheiten, den Menschenrechten.“

Eine Mammutaufgabe im wahrsten Sinne des Wortes, gehört die Gesetzesaxt doch vor allem an die Mammutbäume im Netz gelegt. Denn zählt man seine Bäume, ist der Internet-Dschungel ein kleines Wäldchen. Kaum eine Handvoll Riesenstämme dominieren das weltweite Netz. Doch ihre Wurzeln saugen den Großteil des geistigen und finanziellen Kapitals auf, ihre Verästelungen lassen neue Geschäftszweige nur aus ihren Stämmen wachsen, ihre Verflechtungen ersticken andere IT-Pflanzen oder übernehmen diese, und durch ihr weltumspannendes Laubdach kommt kaum Finanz-, Geschäfts- und Innovations- Luft, -Licht und -Wasser, damit auch andere IT-Bäume wachsen können.

Mammutbäume dominieren

Im Unterschied zum realen Dschungel fehlt seinem digitalen Pendant die Vielfalt. Das ist von den IT-Konzernen so gewollt. Einfalt ist Macht. Wo es keine Wahlmöglichkeiten gibt bzw. diese nur in Verästelungen existieren, letztlich aber alle Zweige zu einem Mammut-Unternehmen gehören, sind die Menschen sowohl als Bürgerinnen und Bürger als auch als Konsumentinnen und Konsumenten dieser Marktmacht ausgeliefert. Zuletzt hat diese Abhängigkeit Social-Media-Präsident Donald Trump zu spüren bekommen: Als ihm und zigtausenden anderen „Hetzern“ der Twitter- Kanal gesperrt wurde, merkten er und seine Follower, von welchen Gnaden sie abhängig sind.

So groß die Freude über diese konkrete Sperre bei vielen ist, so sehr beunruhigt das Faktum, dass hier ein IT-Unternehmen Kläger, Richter und Exekutor gleichzeitig ist. „Sicher war ich froh darüber, dass Trump seine Plattform und sein Megaphon verloren hat“, sagt Europa-Abgeordneter Tiemo Wölken, nicht ohne im selben Atemzug ein großes Aber anzuhängen: „Sollte eine private Firma die Macht haben, darüber entscheiden zu können – noch dazu ohne

Einspruchsmöglichkeiten vor einem Gericht? Und generell: Wer sollte Meinungs- und Redefreiheit im Netz schützen dürfen?“ Wölkens Antwort auf diese Fragen lautet: Nein, nur demokratisch legitimierte Institutionen dürfen dieses Recht haben. Um das zu gewährleisten, um diese Macht weg von den Konzernen und auf rechtsstaatliche Ebenen zu heben, arbeitet der deutsche Sozialdemokrat als Berichterstatter des Rechtsausschusses im EU-Parlament federführend an der Formulierung des EU-Gesetzes über digitale Dienste – kritisch begleitet von seinen Schattenberichterstattern aus den anderen parlamentarischen Fraktionen wie dem Piraten Patrick Breyer.

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