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Digital In Arbeit

Stau auf der Daten-Autobahn

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Abends, wenn sich ein großer Teil der Benutzer des Internet, des weltweiten Daten- und Informationsnetzes (siehe Furche Nr. 11, Seite 12) auf die Jagd nach Informationen in der weiten Welt macht, sind die Datenleitungen hoffnungslos überlastet. Zu allem Überdruß fällt nicht selten die Leitung nach Paris aus, so-daß der österreichische „Internautfc auf der Insel der seligen Unwissenden sitzen bleibt.

Während in den USA die Regierung unter Präsident Bill Clinton nicht nur Milliarden Dollar in den Aufbau der Computernetze investiert, sondern auch Millionen an Förderungen für inhaltliche Angebote ausschüttet, verbleibt Osterreich am Stand eines Informations-Entwicklungslandes. Größte Informationsanbieter sind die österreichischen Universitäten, die jedoch in erster Linie Informationen über das Studienangebot, Lehrpersonal und Forschungsprojekte anbieten.

Am weitesten ist die Technische Universität Wien, die eine Förderung von einer Million Schilling für Ihr „Hypermediales Informationssystem der Technischen Universität Wien”, kurz HISTU, ergattern konnte. Die anderen Universitäten müssen ihre Informationsangebote mit eigenen Mitteln aufbauen. Vier Studenten der TU Wien haben in-

Zu den Rennern

der diesjährigen ifabo gehörte auch das Internet.

Doch ein Blick in die Praxis dieses Informationsangebotes ist ernüchternd.

nerhalb eines halben Jahres ein ausgefeiltes Angebot an Datenbanken (Forschungsdokumentation, Vorlesungsverzeichnis, ...) hochgezogen.

Die größte Universität Österreichs hingegen, die Universität Wien, kann bloß eine Halbtagsstelle auf Werkvertragsbasis, die durch Einnahmen aus Fremdaufträgen finanziert wird, für den Aufbau ihrer Informationsangebote im World Wide Web (WWW) abstellen. Schon beim laufenden technischen Betrieb stößt die Universität an die Grenzen des Möglichen, weshalb immer wieder technische Pannen für Verstopfung im Internet sorgen.

Während in Amerika schon ein regelrechter Wettkampf zwischen den Behörden herrscht, möglichst viel Information ins Internet einzuspeisen und wöchentlich neue Datenbankenzugänge zu eröffnen, fließt aus den Amtsstuben der österreichischen Verwaltung recht wenig Information ins Internet.

Reine Textdateien

Das Umweltministerium bietet beispielsweise einige Umweltdaten als reine Textdateien an. Anfang Mai wird die Gemeinde Wien allgemeine Informationen über die Verwaltung und ihren Pressedienst, die Rathauskorrespondenz einspeisen. Mittelfristig werden die Flächenwidmungspläne per Internet zugänglich gemacht, was derzeit das größte Internet-Projekt der öffentli-

chen Hand in Österreich ist. Das Wiener Publizistik-Institut wurde mit einer großen Studie mit dem Thema „Kommunikationsraum Wien” beauftragt, die auch neue Kommunikationsformen wie das Internet beleuchten wird.

Einstweilen kämpft man in Österreich noch mit dem Aufbau von wirklich leistungsfähigen Datennetzen. Ingolf Schädler, Leiter der Abteilung Innovation und Technologie 'm Verkehrsministerium, sieht die Hauptzielrichtung derzeitiger Bemühungen darin, die notwendigen Breitbandnetze aufzubauen. Er stellt jedoch in Aussicht, daß möglicherweise über den Innovations- und Technologiefonds auch Informationsdienste gefördert werden könnten.

Viktor Kreuschitz vom Bundeskanzleramt bedauert ebenfalls, daß Österreich noch nicht dieses Stadium erreicht hat: „Man muß die Post dazu bringen, die Grundnetze aufzubauen, die geeignet sind, um neue Medieninhalte zu entwickeln.” Probleme wie jene des Urheberrechtes, des Datenschutzes oder des Arbeitsrechtes beim Teleworking seien die vordringlichen Probleme.

Am kommerziellen Sektor ist noch weniger vorhanden. Die Austria Presse Agentur (APA) gibt von ihren täglichen 300 Meldungen nur einen verschwindenden kleinen Bruchteil der kostenlosen Nutzung frei. Neben bildungsrelevanten Meldungen kann bloß rund ein Dutzend

der allgemeinen täglichen Meldungen im WWW angeschaut werden. An kommerziellen Untermietern gibt es bloß einen Pizzazusteller, ein CD-ROM-Geschäft, bei dem es natürlich auch die unvermeidlichen Porno-CD's gibt, und zwei Theater, bei denen Karten bestellt werden können. Das macht die kahle Wiese nun wirklich nicht gerade saftig.

Bei der Tageszeitung „Der Standard” kann man zwar in sekundenschnelle ein Probeabo bestellen, doch warten viele schon seit Wochen darauf, die rosarote Zeitung auch tatsächlich zu bekommen. Die grafischen Oberflächen sind nicht gerade professionell, manche sogar etwas chaotisch.

Gebührenchaos

Im nichtkommerziellen Sektor ragt der auf Datenschutz- und Datensicherheit spezialisierte Verein „Arge Daten” hervor. Er ist einer der wenigen echten Datenbanken im Internet, der auch komplexere Abfragen zuläßt. Dort kann nachgeschlagen werden, welche Gesetze und Gesetzesvorhaben den Datenschutz betreffen. Die ausufernde Bürokratie schreibt ja jede Menge neuer Datenerhebungen und -Verarbeitungen vor. Dort können auch das Datenschutzgesetz und die neue Datenschutzrichtlinie der EU im WWW mit einfachem Mausklick abgerufen werden.

Ein Grund für die Informations-

not im Internet sind die horrenden Zugangskosten. Österreichs Universitäten verlangen nämlich für den Anschluß eines eigenen Rechners, auf dem man selbst alle Informatik onsdienste aufbauen kann, mindestens 24.000 Schilling im Monat. In den USA ist ein Vollanschluß um rund ein Zehntel zu haben. So bleibt potentiellen Informationsanbietern nichts anderes übrig, als bei rund einem halben Dutzend Internet-Anbietern in Untermiete zu gehen.

Wer als gewöhnlicher Benutzer nur das bestehende Informationsangebot nutzen beziehungsweise E-Mails verschicken will, sollte Student oder Universitätsangehöriger sein. In diesem Fall braucht er oder sie nichts zu bezahlen. Bei den kommerziellen Anbietern herrscht ein Gebührenchaos, mitunter wird mit Billigangeboten gelockt, die sich im Nachhinein doch als teuer erweisen.

Die meisten Firmen wie Ping, IBM und Eunet, bieten bloß stark beschränkte Zugriffszeiten und Übertragungsmengen von Daten an und verlangen für jede zusätzliche Stunde oder für jedes zusätzliche Megabyte saftige Gebühren, die noch zusätzlich zu den Telefonkosten zu zahlen sind. Neue Internet-Anbieter wie Via-Net oder Arge Daten sorgen aber für alternative und auch kostengünstige Komplettangebote.

Im Informationsentwicklungsland Österreich ist noch viel zu tun, bevor ein echter „Daten-Highway” Wirklichkeit wird.

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