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Digital In Arbeit

REIZVOLLE SYMBIOSE DER MEDIEN

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Die Medien Text, Film und Computer wachsen zusammen. Kaum eine EDV-Messe, Präsentation oder Demonstration vergeht, ohne daß irgendwann die Rede davon wäre: „MultiMedia" heißt das EDV-Schlagwort der Stunde. Was steckt hinter diesem Begriff?

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Die Medien Text, Film und Computer wachsen zusammen. Kaum eine EDV-Messe, Präsentation oder Demonstration vergeht, ohne daß irgendwann die Rede davon wäre: „MultiMedia" heißt das EDV-Schlagwort der Stunde. Was steckt hinter diesem Begriff?

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..Hierhaben sich die Marketingleute wieder eine besondere Wortkreation einfallen lassen, die sich vor allem deshalb gut vermarkten läßt, weil keiner genau weiß, worum es geht" -sagen die einen. „Multimedia-Computing ist größer als alles andere!" sagen die anderen. Etwa Branchenliebling und Boss des US-Softwarehauses Microsoft. Bill Gates.

So vielfältig dieser Begriff definiert oder verstanden werden kann, so vielfältig sind auch die Anwendungsmöglichkeiten dieses Lieblingskindes, mit dem Trendauguren nun schon seit Jahren liebäugeln: Eine neue Computer-Revolution steht bevor. Meinen sie. Nachdem die Personalcomputer nun Text, Graphik und CIM (Computer Integrated Manufacturing) quasi „im Griff haben, sollen sie in Zukunft auch die Welt der Töne und Bilder beherrschen. In Echtzeit, versteht sich. Und womöglich auch in HiFi- und Fernsehqualität. Und demnächst im High-Definition-Modus. Dem nächsten Fernsehstandard.

Die Definitionen des Begriffes „MultiMedia" sind also sehr verschwommen: Da ist die Rede von vernetzter Information, von interaktiven Systemen, die den Anwender interagieren lassen (was bedeutet, daß er unmittelbar in den Ablauf am PC eingreifen und ihn gegebenenfalls verändern kann), von der Vermischung der Fernseh-, Video- und Computertechnologie (bewegtes und Stand-Bild, Text, Graphik, Animation und Stereo-Ton).

Diese Kombination - also die Möglichkeit, alle die genannten Features miteinander zu kombinieren - ist es schließlich auch, die jene Entwicklung so attraktiv macht.

Freier Informationsaustausch

Die Uridee einer solchen Anwendung ist eigentlich viel älter als die Computerindustrie: Sie entspringt dem menschlichen Wunsch, nicht von Informationen abhängig zu sein, sondern sich diese frei, assoziativ und rasch zugänglich machen zu können. Die kalifornische Firma Apple hat mit der Entwicklung des Macintosh-Computers und des Programms „Hypercard" einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung dieses Traums geleistet. (Das Programm legt Informationen auf „Karten" ab, die in ihrer Größe variabel sind.) Die Verfügbarkeit - die etwa durch eine einfach zu bedienende graphische Oberfläche einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde - macht eigentlich die leere Hülle „MultiMedia" zu dem, was es ist.

Die Frage liegt auf der Hand: Wo können solche MultiMedia-Anwen-dungen überhaupt eingesetzt werden?

„Vor allem scheint die Trennlinie zwischen Erziehung und Unterhaltung durch diese neue Anwendungsmöglichkeit spurlos zu verschwinden", schwärmt der amerikanische Musikhistoriker Robert Winter, der bei der kalifornischen Firma Voyager den sogenannten „Beethoven-Stack" entwickelt hat: Die CD besteht aus einer handelsüblichen Audio-CD der neunten Symphonie von Beethoven und einem umfangreichen Programm, dem „Hypercard-Stack", der ein CD-ROM-Laufwerk steuert. Eine Anwen-

dung im Musikunterricht bietet sich geradezu an.

Das Medium Bildplatte bietet dank seiner enormen Speicher- und Vernetzungskapazitäten die Möglichkeit, verschiedenste Ansätze von umfassenden Darstellungen zu geben: An Computern mit berührungsempfindlichen Bildschirmen - sogenannten Informationssäulen - kann der Zuse-her durch Antippen irgendeiner gewünschten Information am Bildschirm in Bild und Ton Auskünfte erhalten. Etwa in großen Ausstellungen - wie gerade aktuell der Salzburger Mozart-Ausstellung, woeine neue Bildplatte von Titus Leber großen Beifall hervorruft. 6.000 Bilddokumente untermauern Mozart-Musik, der Besucher kann sie selbst wählen und seine eigene Kombination zusammenstellen.

Abgesehen vom Ausstellung- und Weiterbildungssektor bietet die Multimedia-Technik aber natürlich auch in vielen (kommerziellen) Marktsegmenten attraktive Anwendungsmöglichkeiten. So stehen zum Beispiel an manchen Autobahnraststätten in der Schweiz „multimediale" Informationssysteme für Touristen: Dort können Reisende Angebote von Kurorten, Restaurants und Hotels abfragen. Wieder genügt ein Antippen der gewünschten Information auf dem Bildschirm - schon erscheinen Anbieter aufgelistet, Photos zeigen die Landschaft, daneben stehen Preise. Gebucht wird direkt am Terminal.

Das Aufstellen solcher Informationssäulen ist natürlich an den verschiedensten Orten denkbar und wird auch teilweise schon verwirklicht: An Flughäfen und Bahnhöfen, in Banken, Versicherungen und Warenhäusern - oder auch an speziellen Plätzen in großen Städten, wo sich Besucher über alles Wissenswerte der Stadt orientieren können.

Eine weitere interessante Anwendung ist das digitale Video. Fernsehen und Video funktionieren heute noch analog und nicht digital, wie zum Beispiel die Computergraphik. Ansätze für digitales Video gibt es allerdings - nur sind die Entwicklungen noch nicht genügend ausgereift, um kommerziell wirklich erfolgreich

zu sein. Was es gibt, ist die Möglichkeit, sich daheim auf seinem PC ein ..Video-Fenster" einzublenden - freilich mit vorderhand noch recht bescheidener Qualität. Mehrere Computerhersteller bieten die dazugehörige Hard- und Software an. Wegweisend auf diesem Markt ist das Angebot der Firma Apple.

Schnittstelle Mensch-Maschine

Die erste Computer-Plattform für eine neue Technologie, die sich DVI (Digital Video Interactive) nennt, bildeten die IBM PC/ATs und kompatible Computer. Für die PCs sind immerhin Karten verfügbar, die aus einem gewöhnlichen PC ein komplettes Multimedia-System machen. Großer Nachteil (beim jetzigen Stand der Technologie): Das Komprimieren von Videobildem erfolgt nicht in Echtzeit; das bedeutet, daß große Rechner mit hohen Speicherkapazitäten notwendig sind.

PCs können jedenfalls bereits als Steuergerät für multimediale Präsentationen dienen: Der Anwender kann zum Beispiel festlegen, welche Sequenzen eines Videofilms zu welchem

Zeitpunkt abgespielt werden soll und welche Musik dazu gespielt wird. Zwischendurch kann er einen Text oder eine Graphik einblenden und den ganzen Ablauf schließlich auf einer Videocassette speichern.

So sehr sich die verschiedenen Hersteller über die Notwendigkeit neuer Mensch-Maschine-Schnittstellen einig sind, so sehr unterscheiden sich ihre Konzepte: Während Apple's Philosophie darin besteht, daß Anwender und Produzenten gleichgestellt sein müssen (jeder soll produzieren und konsumieren können), hat IBM eigene Strategien, was Multimedia betrifft: Beim DVI-Sy-stem etwa geht die Herstellung einer MultiMedia-Applikation einen völlig anderen technologischen Weg als die Wiedergabe..

Diese Wettbewerbspolitik, die manchen Beobachter an den berühmten „Positivismusstreit" in der Philosophiegeschichte erinnern mag, kommt anderen Herstellern zugute: Setzen doch mehrere Computerhäuserauf den anvisierten Wunschmarkt der neunziger Jahre: CD-I (Compact Disc Interactive) etwa wurde von

Philips und Sony entwickelt und beschreibt ein komplettes System von Disk-Format, Abspielgeräten und Software für ein Audio-Video-Computerprodukt. CD-I ist kein Computer im herkömmlichen Sinn - vielmehrein Konzept für eine neue, andere Art von Computer.

Auch Commodore versucht mit einem neuen Konzept, das sich CDTV (Commotlore Dynamic Total Vision) nennt, in diese Richtung zu gehen. Ein dazugehöriges Gerät, der CDTV-Player, wird - ähnlich einem Videorecorder - einfach an das Fernsehgerät und/oder die Stereoanlage angesteckt und per Fernbedienung in Betrieb genommen. Als Zusatzinformation zu den konventionellen Audio-Compact Discs können damit auch Graphiken, Computeranimationen, Graphiken oder Texte abgespielt werden. Das brandneue Gerät wurde auf der Hannover CeBIT-Messe im März dem Markt vorgestellt und wird auch auf der Wiener ifabo zu sehen sein.

Hörbares visualisieren

Was ist eigentlich so reizvoll an MultiMedia? Und was bewegt Konsumenten wie Produzenten, dieser Mode so aufmerksam zu folgen?

Seit Jahrhunderten teilen Musiker. Maler, Dichter und Wissenschafter eine Sehnsucht: Das Hörbare zu visualisieren, die Farben zu formen, die man beim Hören von Tönen empfindet, oder das Sichtbare in Musik zu verwandeln. Dieser Wunsch entspringt aber nicht nur den Köpfen vers(p)onnener Künstler und Philosophen; es wurde sogar wissenschaftlich versucht, assoziative Bindungen zwischen verschiedenen Sinnesreizen nachzuweisen. Um das „totale, physische Computererlebnis" zu erfahren, wird man allerdings auf den endgültigen Durchbruch des „Cyberspace" (= digitales Universum, das von manchen Technologie-Vorreitem in Kalifornien religionsähnlich gepredigt wird) warten müssen.

Für Hersteller und Marketingspezialisten, die an der Vermarktung von Multimedia arbeiten, dürften allerdings andere Bedürfnisse im Vordergrund stehen - wie erfolgreich, das bleibt abzuwarten.

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