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Digital In Arbeit

Denken und denken lassen

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Österreich hat einen Forschungsschwerpunkt beschlossen, um in unserer Welt der Denkmaschinen und Roboter den internationalen Anschluß nicht zu verlieren.

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Österreich hat einen Forschungsschwerpunkt beschlossen, um in unserer Welt der Denkmaschinen und Roboter den internationalen Anschluß nicht zu verlieren.

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Wird die Menschheit in 30 Jahren „geistiges Jogging" betreiben, weil die gesamte Denkarbeit bereits von Computern bewerkstelligt wird? Experten sind drauf und dran, diesen technischen Monstern Sprechen, Sprachen verstehen und übersetzen „beizubringen".

Seit 1977 gibt es an der Wiener Universität ein Institut für medizinische Kybernetik und Artificial Intelligence (AI) — künstliche Intelligenz der Computer, wie dieser neue Forschungsbereich bezeichnet wird.

Spät, aber gerade noch rechtzeitig hat Österreich begonnen, auf dem Gebiet der Mikroelektronik ernsthaft zu forschen. Die Entwicklung von Methoden und Anwendungen der AI ist nicht roh-stoff- und wenig kapital-, aber sehr personalintensiv. Daraus ergibt sich für Österreich die Chance, auf diesem innovationsträchtigen Gebiet aktiv zu werden. „Und zehn bis fünfzehn österreichische Experten können international durchaus mithalten", betont Professor Robert Trappl vom Institut für medizinische Kybernetik in Wien.

Der Einsatz von Computern mit künstlicher Intelligenz wird in absehbarer Zeit der nächste große Schritt hin zur totalen Automatisierung sein.

Immer in der Geschichte wurde der Wert der menschlichen Arbeit im Zusammenhang mit dem jeweiligen Stand der Technik gemessen. Vor 200 Jahren war die körperliche Kraft ein entscheidendes Auslesekriterium, wenn eine Arbeit vergeben wurde. Inzwischen sind Wissen, Erfahrung und Intelligenz längst wichtiger geworden.

Die allgemeine Einführung von „denkenden Computern" wird sich auf das Leben jedes einzelnen entscheidend auswirken. Die Umwälzungen werden ähnlich tief greifen, wie jene, die abliefen, als im Zeitalter der industriellen Revolution die Gesellschaft durch den Einsatz der Maschine, des Motors verändert wurde.

Die ersten AI-Programme werden Angestellte des mittleren Bereichs ersetzen können. Die Pro-. gramme sind noch zu wenig flexibel, um Führungskräfte zu verdrängen. Es fehlen ihnen auch noch die Sensoren, mit denen man sie als Bürohilfskräfte oder Boten einsetzen könnte.

Auswirkungen wird es in der Wirtschaft, in der Politik und natürlich in der Gesellschaft allgemein geben.

Heute schon ist es möglich, durch die Durchführung intelligenter Leistungen im Computer Infektionskrankheiten zu diagnostizieren oder ertragreiche Molybdänlager aufzuspüren.

Handwerk- und Lebensmittel-Betriebe werden ohne AI-Computer nicht mehr konkurrenzfähig sein können.

Es wird möglich sein, die Verkehrsüberwachungskameras an

Computer mit Bilderkennungsprogrammen anzuschließen, die angeben können, welche Person sich mit welcher anderen zu welcher Zeit wo befunden hat. Telefongespräche können „verstanden" — automatisch interpretiert — werden.

Russisch-englische Computerprogramme sollen erstellt werden, die von Russen wie Amerikanern für Ubersetzungen verwendet werden können. Das internationale Telefongespräch der Zukunft wird so ablaufen: Ein Spanier telefoniert in seiner Muttersprache mit einem Engländer und dieser hört ihn — auf Englisch.

Ob sich die „elektronische Zeitung" auf breiter Basis durchsetzen wird, scheint fraglich. Tele-und Bildschirmtexte sind jetzt schon Bestandteil vieler Haushalte, aber eine elektronische Zeitung läßt sich schwer ins Kaffeehaus oder in den Zug mitnehmen.

Die Weiterentwicklung der AI wird möglicherweise den „Mächtigen" Mittel in die Hand geben, die sie noch mächtiger machen.

„Computersabotage" kann sich zu einer neuen Form von Kriminalität entwickeln: Durch das Führen eines Stabmagneten über Magnetbänder können Informationen unwiederbringlich gelöscht werden. Fehler können gezielt in Programme eingebaut werden, die erst zu einem späteren Zeitpunkt aktiviert werden sollen.

Die modernen Verfahren ermöglichen einen abhörsicheren Informationsaustausch über das öffentliche Telefonnetz, so daß im Gegensatz zum Bildschirmtext geheime Informationen tatsächlich geheim bleiben können.

Im Forschungsförderungspro-gramm des Wissenschaftsministeriums für 1984 bis 1987 stellen Mikroelektronik und Informationsverarbeitung einen der wichtigsten Schwerpunkte dar. Hierzu zählen auch die Bereiche Artifici-al Intelligence, Advanced Robo-tics (fortgeschrittene Roboter) sowie computerunterstützendes Entwerfen.

Eine Computer-Diskette kostet leer 50 Schilling. Mit Programm kann ihr Wert auf 5.000 Schilling steigen, und dieses Programm kann überall auf entsprechenden Geräten unbegrenzt abgerufen werden. Wird Österreich diese Chance ausnutzen können?

Ein Aber bleibt noch offen: Die Auswirkungen sind heute noch unüberschaubar — der menschliche Aspekt aber darf nicht übersehen werden.

Computer werden auch im sozialen Bereich eingesetzt werden können - ist das zu wünschen? Denn die so wichtigen zwischenmenschlichen Beziehungen gingen damit wohl sicher verloren.

Wird der Mensch zum Bediener eines „Blechtrottels" degradiert, der nur mit Null und Eins rechnen kann?

Ein Computer wird auch in Zukunft und trotz seiner AI immer nur so gescheit sein wie sein Programmierer. Wird ihm nicht alles ablaufgerecht eingegeben, macht er es falsch oder spuckt „error" aus. Er kann nur einen gesteuerten Ablauf wiederholen.

„Gescheiter" werden als Menschen können Computer erst dann, wenn niemand mehr weiß, was beim Aufrufen eines Programms eigentlich vor sich geht. Das könnte also auf zukünftige Generationen zutreffen, die fertige Software erben, von Basis-EDV aber keine Ahnung mehr haben.

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