Aufbruch in die neue Maschinenwelt

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Künstliche Intelligenz ist am Vormarsch: Lernende Maschinen und smarte Gegenstände halten Einzug in Industrie und Haushalt. Das provoziert kühne Visionen, aber auch Skepsis gegenüber den Versprechen der Hypertechnik.

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Künstliche Intelligenz ist am Vormarsch: Lernende Maschinen und smarte Gegenstände halten Einzug in Industrie und Haushalt. Das provoziert kühne Visionen, aber auch Skepsis gegenüber den Versprechen der Hypertechnik.

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Was denken Sie über Maschinen, die denken?" Diese Frage beschäftigt derzeit die Vordenker dieses Planeten -nicht nur im digitalen Magazin Edge, das hierzu führende Forscher und Intellektuelle um ihre Statements gebeten hat. Prominente Persönlichkeiten wie der Astrophysiker Stephen Hawking oder Microsoft-Gründer Bill Gates sorgten sich unlängst sogar um den Fortbestand der Menschheit und warnten vor den potenziell apokalyptischen Folgen der "Künstlichen Intelligenz", sofern eine maschinelle Superintelligenz außer Kontrolle geraten sollte. Andere Stimmen schwelgen in euphorischen Visionen bezüglich des ungeheuren Potenzials "gescheiter" Geräte, lernender Objekte und einfühlsamer Roboter.

"Technologie am Scheidepunkt"

Derweil nimmt die Automatisierung unseres Alltags ihren Lauf: Selbstfahrende Autos kündigen sich an, der Einsatz von Robotern in Haushalten und Pflegeheimen rückt in greifbare Nähe, und die Konsumgüter-Elektronik setzt auf den "Alles smart"-Trend, vom Fitnessband bis zur Waschmaschine. Und in Schweden sorgte jüngst eine Aktion unter dem Dach des Cyborg-Vereins "Bionyfiken" für Aufsehen: 300 Personen ließen sich einen Chip in die Hand implantieren, um damit Türen zu öffnen und Geräte zu entsperren, ohne jemals wieder nach Schlüsseln kramen zu müssen. Wandern die Mini-Computer nun bald auch unter die Haut? "Eine technisch machbare Sache, die keiner braucht", sagte hierzu IT-Experte Georg Sigl vom deutschen Fraunhofer-Institut in der FAZ. Smartphones und Chipkarten am Schlüsselbund wären dafür schon ausreichend.

Auch Trendforscher Matthias Horx zeigt sich gegenüber den Versprechen der Hypertechnik skeptisch. "Technologie ist an vielen Fronten an einem Scheidepunkt angekommen. Das Internet etwa enthüllt gerade seine Schattenseiten: Wir kommen in die Ära der digitalen Revision", sagte er kürzlich im Rahmen einer Veranstaltung des TÜV Austria in Wien. "Wir müssen neu definieren, was 'Smart Tech' ist, weil vieles, was unter diesem Label angeboten wird, überzüchteter Unsinn ist; Spielzeug, das man schon morgen in den Keller räumt."

Horx plädierte dafür, Technik auf das richtige Maß zurecht zu stutzen, was in neuen Kunstwörtern wie "Rightsizing" und "Simplexität" auf den Punkt gebracht werden soll. Zudem seien Innovationen auch im Hinblick auf den sozialen und psychologischen Kontext zu bewerten: "Das automatisierte Autofahren etwa stößt vor allem bei Männern auf Widerstände. Denn beim Lenken eines Autos geht es ja nicht nur um Fortbewegung, sondern auch um Macht, Status und Kontrolle. In unseren Umfragen hat die größte Mehrheit gesagt: 'Wenn ich nicht selbst am Steuer sitze, steige ich doch gleich in den Zug.'" Während offen bleibt, wie sehr die Konsumenten die Vernetzung von Haushaltsgeräten und Alltagsobjekten in Anspruch nehmen werden, ist das "Internet der Dinge" in der Industrie bereits als Leitbild etabliert.

Industrieller Umbruch

In der "Smart Factory" sollen Rechner, Sensoren und Funkverbindungen dafür sorgen, dass Maschinen mit ihren Produkten kommunizieren, sich selbst organisieren und ihre Abläufe optimieren. Ein Szenario also, das vor kurzem noch unter "Science-Fiction" lief: Vernetzte Gegenstände tauschen Informationen aus und treffen Entscheidungen, geleitet von künstlicher Intelligenz. Der Überbegriff "Industrie 4.0" impliziert die industriellen Revolutionen seit dem 18. Jahrhundert: Nachdem die Industrie mechanisiert, elektrifiziert und digitalisiert wurde, soll sie nun auch intelligent werden. Der Begriff stammt aus Deutschland, das sich auch im Internet-Zeitalter als eine der führenden Produktionsnationen behaupten will. Denn autonome Produktionsprozesse mit "Echtzeitfähigkeit" versprechen, die Wettbewerbsfähigkeit am globalen Markt zu steigern.

Mit dem Einzug Internet-basierter Technologien stellen sich auch in der Industrie neue Sicherheitsfragen. Die "Smart Factory" erscheint besonders störanfällig: Die vernetzten Abläufe werden nicht nur durch Computer-Viren, sondern auch durch neue "Schadprogramme" bedroht. Diese könnten System-Parameter ausspionieren, Maschinen manipulieren und die Produktionsprozesse zum Stillstand bringen, wie Birger Krägelin vom IT-Sicherheitslabor des Fraunhofer-Instituts berichtet: "IT-Sicherheit in der industriellen Produktion muss ganz andere Bedingungen berücksichtigen als im Büro-Bereich." Eine Herausforderung sei daher, Firewalls und Datenverschlüsselung im Netzwerk zu installieren, ohne die Abläufe im System zu beeinträchtigen.

Für Horx erscheint das Thema Sicherheit generell als neuer "Megatrend" am Horizont einer hoch technologischen Welt. Entscheidend sei nun, wie Sicherheit im Verhältnis zu Technologie gedacht wird: "Das lineare Denkmodell buchstabiert Sicherheit ausschließlich als mehr Kontrolle. Das führt nur leider dazu, dass wir uns irgendwann in einem Hochsicherheitstrakt befinden. Aus dieser Logik müssen wir heraus. Wir brauchen Systeme, die resilient sind, klüger und nachhaltiger schon im Design: Systeme mit einer Art Selbstorganisation, also 'Smart Security'."

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