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Digital In Arbeit

Marktplatz der Zukunft;

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Das wild wuchernde Internet-Universum wird allmählich zurechtgestutzt: Geregelter Zugang und Nutzung statt Spielwiese für Visionäre.

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Das wild wuchernde Internet-Universum wird allmählich zurechtgestutzt: Geregelter Zugang und Nutzung statt Spielwiese für Visionäre.

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Als im Jahr 1989 plötz-lieh die Grenzen zum / S ehemaligen Ostblock fielen und Kapiftdismus und Konsumge-JL Jk- Seilschaft auf seine Bewohner losgelassen wurden, strömten Hunderttausende Tschechen und Slowaken in die Wiener Ma-riahilferstraße und bestaunten das Angebot in den Auslagen der Elektronikdiscounter. Damals wurde an die Verkäufer die Parole ausgegeben: Seid zuvorkommend, geduldig, höflich. Gebt freiwillig und reichlich Prospekte und Werbegeschenke-zwar werden diese Frem -den dieses Mal nichts nennenswertes kaufen, aber es sei nur eine Frage der Zeit, bis diese Käuferscharen wiederkämen und dann begänne das wirklich große Geschäft ...

Ähnliches war zu hören, als etwa zur gleichen Zeit das bis dahin auf einen kleinen Kreis von universitären Softwarespezialisten beschränkte Internet plötzlich für das Massenpublikum geöffnet wurde: Eine Koalition von Technikeupho-rikern und Marktanalytikern propagierte das Internet als den Marktplatz der Zukunft. Unter dem Motto: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben” wurden von der Computerindustrie enorm viel Kapital und Entwicklungsressourcen in die Erschließung und Urbarmachung des Internets gesteckt - stets getrieben von der Hoffnung auf sagenhafte Profite, wenn erst einmal eine intakte Infrastruktur existiere.

Tatsächlich hat sich das Internet in kurzer Zeit als das definitive, weltumspannende, computergestützte Informations- und Kommunikationsmedium durchsetzen können. Voraussetzungen für diesen Erfolg war zunächst das Bedürfnis der Industrie nach neuen Expansionsmöglichkeiten: Ende der achtziger Jahre stagnierten die Zuwachsraten der Computerhersteller und Software-Entwickler. Die Philosophie des „personal Computing”, die jedem Arbeitnehmer einen eigenen Computer auf seinem Schreibtisch beschert und der EDV-Industrie enorme Umsätze gebracht hatte, war an eine Grenze gestoßen - der Markt schien gesättigt. Die Antwort darauf war zunächst das Konzept des „net-work Computing”, also die Integration der vielen Einzelplatz-EDV -Arbeitsplätze in immer größere Netzwerkumgebungen, ein Konzept, das der EDV-Industrie neue Betätigungsfelder und Absatzmöglichkeiten eröffnete.

Von der Vernetzung von Kommunikationsströmen und Produktionsabläufen zwischen den Computerarbeitsplätzen einer Firma, einer Hochschule, einer Institution, hin zur Vernetzung von d lo-zierten Netzwerken unterschiedlicher Provinieriz war es dann nur noch ein kleiner Schritt, vor allem, weil die dazu notwendigen Technologien, die im Kern schon in den sechziger Jahren für den Großcomputerbereich entwickelt worden waren, nun auch für die inzwischen erstaunlich leistungsfähigen Personal Computer zur Verfügung standen - das Internet, ein weltweites Netzwerk von Netzwerken, die untereinander in Verbindung stehen, und so den schnellen Austausch von Daten und Informationen rund um den Globus ermöglicht. Seit etwa 15 Jahren hatte es unbemerkt in einer universitären Nische existiert, auf einmal rückte es in das Zentrum des Interesses.

Vorbereitet wurde die Kolonisierung des Internets durch einen ideologischen Zweifrontenkrieg: Zum einen beschworen Medienvisonäre das Internet als ein virtuelles, digitales Paralleluniversum in dem das goldene Zeitalter einer weltweiten, demokratischen Informationsgesellschaft anbricht, zum anderen wurden die kommerziellen Möglichkeiten des neuen Kontinents in verlockenden Farben geschildert. Als mit der Entwicklung des WorldWideWeb eine Softwaretechnologie auftauchte, die dem Netz ein attraktives Gesicht und einfache Bedienbarkeit geben konnte, schien das Internet den Schritt hin zu einem massentauglichen, sicheren Informations- und Kommunikationsinstrument geschafft zu haben.

Komfort und technische Qualität des Internets haben sich in den letzten zwei, drei Jahren deutlich verbessert, sein Informationsgehalt hat sich dramatisch verdichtet - trotzdem: Vom viel beschworenen Marktplatz der Zukunft kann noch nicht die Bede sein: Bis jetzt profitieren von diesem neuen Medium nur einige wenige Anbieter von Schlüsseltechnologien, außerdem die Provider, also jene Firmen, die dem Publikum den Zugang zum Internet ermöglichen, ganz zu schweigen von den Telefongesellschaften, über deren Standleitungen die Hauptlast der Internetverbindungen läuft und über deren Telefon- und ISDN-Leitungen sich die Internetanwender ins Netz der Netze einwählen.

Für alle anderen gilt der olympische Gedanke: Dabei sein ist alles: Jede Firma, die auf sich hält, ist zwar mit einer Homepage im WorldWideWeb präsent,, aber es werden noch immer keine nennenswerte Umsätze aus Geschäftstransaktionen im Internet gemacht: Das. Internet gleicht dem riesigen Schaufenster eines Warenhauses vor dem sich Menschenmassen drängen, in dem aber kaum jemand einkauft.

Die Ursachen dafür sind vielfältig: Psychologische Hemmschwellen ebenso wie der in vielen Bereichen unsichere legistische Status für im Internet getätigte Geschäfte. Hindernisse, bis zu deren Beseitigung noch einige Zeit vergehen wird. Inzwischen versucht die Computerindustrie mit der neuen JAVÄ-Technologie (siehe Seite 16) einen Innovationsschub im Internet einzuleiten. Gleichzeitig werden für bewährte Internet-Technologien neue Märkte erschlossen: Das Schlagwort dazu lautet: Intranet. Mit Intranet bezeichnet man geschlossene Netzwerke, meist für große Firmen die, wenn überhaupt, nur kontrollierten Zugang zum Internet erlauben: Ein Internet unter Ausschluß der Öffentlichkeit.

Die Zeichen sind deutlich: Innerhalb des Internets werden autarke, kommerziell orientierte Netzwerkstrukturen gebildet, übersichtlich, mit geregeltem Zugang und geregelter Nutzung. Das wild wuchernde Internet-Universum wird zurechtgestutzt. Der Autor ist

Softwareentwickler und Lehrbeauftragterfür Multimedia an der Technischen Universität Graz und der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien.

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