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Digital In Arbeit

Wie ökologisch sind Techniken mit Zukunft?

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The Futurist", eine amerikanische Zeitschrift für Zukunftsfragen, geht dieser Frage nach. In einem ihrer Reiträge umreißt Douglas E. Diesen, Direktor des angesehenen Ratelle-Instituts in Colom-bus (Ohio), welche Technologien sich aller Voraussicht nach als erfolgsträchtig erweisen werden. Das vorherzusehen, sei weniger schwierig als die Abschätzung der Folgen dieser technischen Neuerungen, stellt Ole-sen fest und präsentiert eine Expertenbefragung seines Institutes. Die Aufgabenstellung dieser Refragung: Welche Technologien werden wohl in zehn Jahren die größte Rolle in der Wirtschaft spielen?

■ Auf Rang eins landet die Technologie der Entschlüsselung des Gen-Codes. „Wir stehen an der Schwelle des goldenen Zeitalters der Biologie. In den nächsten Dekaden werden wir beginnen, biologische Vorgänge und die Ursachen von Krankheiten wirklich zu begreifen."

Enorme Anstrengungen zielen auf die Reschreibung der menschlichen Erbsubstanz ab. Schon jetzt gibt es erste Ansätze zum Erkennen von Erbdefekten, die in Zusammenhang mit Nieren- und Rrustkrebs, Leukämie oder der Alzheimer-Krankheit stehen dürften.

„Diese genetische Forschung könnte in den nächsten zehn Jahren Rehandlungsmethoden für bestimmte Krebsarten hervorbringen - vielleicht sogar für Aids." 13 Millionen 1 Ierztodesfälle werde man in den nächsten 25 Jahren vermeiden können. So jedenfalls die Hoffnung.

Natürlich werde diese Information auch große Probleme aufwerfen. Vor allem: Wie werden Dienstgeber und Versicherungen mit solcher Information umgehen? Wird man sich vor der Eheschließung einem Erbtest unterziehen müssen?

■ Die Entwicklung von Supermate-rialien wird Erfolge feiern. Derzeit müsse man unter Einsatz von Hitze oder Druck zwei oder mehr Materialien verbinden, um ein neues hervorzubringen. Materialien mit genau umschriebenen Eigenschaften zu entwickeln, ist heute ein langwieriger und aufwendiger Vorgang.

In den nächsten zehn Jahren werde man neue Stoffe auf der Molekular-Ebene entwerfen. „Wir werden imstande sein, die Moleküle eines Materials so zu beeinflussen, daß es leichter, fester, flexibler oder sonstwie besser verwendbar wird." Schon jetzt geschehe das beim Polyethylen.

■ Energiequellen mit sehr hoher Energiedichte („High-Densitiy Energy Sources") sollte es bis in zehn Jahren geben. Auf diesem Sektor wird vor allem die Autoindustrie die Innovation vorantreiben. Die neuen Ratterien werden aber auch auf dem gesamten Elektronik-Markt eine große Rolle spielen.

■ Das digitale Fernsehen werde Bildschirme haben, deren Rildqualität jener der Filmleinwand entspricht. Das werde ein ähnlich großer Qualitätssprung sein wie der Übergang vom Schwarz-Weiß- auf das Farbfernsehen. Im Gefolge dieser Neuerung würden die Farbfernseher genauso verschwinden wie kürzlich die LP-Plattenspieler nach Einführung der Compact Disc.

Führend auf dem Sektor dürften die USA sein. Auf den entsprechenden Märkten warte ein Multi-Milliarden-Geschäft, so lautet die Prognose.

■ Miniaturisierung: In zehn Jahren werde es Laptop-Computer von der Größe eines Taschenrechners geben: interaktive, drahtlose Datenzentralen, als Fax, Telephon, als Instrument des Zugriffs auf mehr Daten, als in gängigen Ribliotheken verfügbar sind. Außerdem werde man mit „intelligenten Karten", die als Schlüssel fürs Auto, als Kalender, als Geldbörse, als persönliche Gesundheitsgeschichte dienen, ausgestattet sein.

„Wirsagen voraus, daß es in 15Jah-ren eine Milliarde Computer und „intelligente Karten" in den USA geben wird."

■ Intelligente Produktionsverfahren: „Verkäufer werden direkt mit der Herstellungsebene verbunden sein. Neue, intelligente

Systeme werden Produktionsprozesse steuern und für den einzelnen Konsumenten Waren nach rles-sen persönlichen —«——— Wünschen herstellen." Ein typisches Reispiel: Anzüge nach Maß im Kleidergeschäft. Elektronisch wird Maß genommen, die Daten durchgegeben und in wenigen Tagen kann man seinen Anzug abholen.

■ Produkte und Dienstleistungen, die das Altern verzögern („Anti-Aging-Products"), wenn auch nicht verhindern, sollten auf den Märkten, die von einer wachsenden Zahl alter, aber kaufkräftiger Kunden geprägt sein werden, reißenden Absatz finden. „Das Altern der jugendzentrierten Raby-Room-Generation wird einen besonders attraktiven Markt für solche Produkte in den kommenden Jahren darstellen."

■ Verfeinerte Medikamente und Rehandlungsmethoden: Die Diagnoseverfahren sollten in Zukunft deutlich verbessert und Krankheiten schon in ihren frühesten Stadien erkennbar werden. So sollten in absehbarer Zeit Maschinen entwickelt werden, die billionste Teile in Gasen nachweisen können. Damit wären sie imstande, schon die geringfügigsten Veränderungen, im Organismus zu erfassen, was Gegenmaßnahmen möglich macht, noch bevor Schädigungen eingetreten sind.

■ Fahrzeuge mit Hybrid-Antriebssy-stemen: Sie sollten besonders bei den Autos eine Rolle spielen. Diese würden über ein eigenes Antriebssystem verfügen, das in Phasen der Reschleu-nigung zum Zug kommt und über ein anderes, das für die Aufrechterhaltung einer einmal erreichten Geschwindigkeit sorgt. In der ersten Phase würden herkömmliche Treibstoffe zum Einsatz kommen, in der zweiten andere Energieformen, eventuell Strom.

■ Computergestütztes Lernen: Das Schlagwort lautet „edutainment", was so viel wie spielerisches Lernen bedeutet. „Das ergibt große Erträge für Unternehmen, die Produkte entwickeln, die vermehrt erzieherische Spiele entwickeln und Erziehung spielerischer gestalten."

Diese Liste dürfte recht realistisch die Vorstellungen der Wirtschaft widerspiegeln. Coleson beschreibt einleitend, welche Kriterien bei der Auswahl zugrunde gelegt wurden: Die Technologien sollten wirtschaftlich ertragreich und wichtig für den Endverbraucher sein; jene Unternehmen, die sie entwickeln, sollten durch ihre Nutzung einen komparativen Vorteil erzielen und die Technologien sollte ndem Unternehmensziel förderlich sein. Kurzum: „Das sind", so Coleson, „Technologien, die jemandem jedenfalls viel Geld einbringen werden."

Damit ist die Stoßrichtung eindeutig geklärt: Retriebswirtschaftlicher Erfolg ist wohl beim derzeitigen wie beim zukünftigen Stand der Dinge der alles beherrschende Maßstab. Weitgehend außer Retracht bleiben bei solchen Überlegungen, die sozialen und ökologischen Folgen der technischen Entwicklung, die jedoch schwerwiegend sein können und mit Sicherheit eintreten werden.

Zugegeben, manche der Technologien dürften positive Urmyelteffekte haben. Dazu zählt sicher der Hybrid-Antrieb, der einen umweltfreundlicheren Straßenverkehr ermöglichen wird, und die Miniaturisierung, die den Materialeinsatz verringern hilft.

Äußerst bedenklich aber ist die Selbstverständlichkeit, mit der die Gentechnik als der Renner angesehen wird.

Auch die Supermaterialien werden früher oder später ihre Tücken erkennen lassen. Sie eröffnen zwar neue Nutzungsmöglichkeiten und man kann sie wohl auch weniger energieaufwendig herstellen als bisher verwendete Stoffe, aber es ist mehr als wahrscheinlich, daß sie bei der Entsorgung neue Probleme aufwerfen werden.

Damit ist absehbar, daß die beiden Spitzentechniken zwar jenen, die sie entwickeln und wirtschaftlich umsetzen, viel Geld einspielen, jenen aber, die mit ihren Spätfolgen leben müssen (das sind wir alle und unsere Kinder und Enkel) noch viel Kopfzerbrechen bereiten werden.

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