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Anmerkungen zur Idee der Nachhaltigkeit.

Nachhaltigkeit meint, die Bedürfnisse der Gegenwart in einer Weise zu erfüllen, welche die Fähigkeit künftiger Generationen, ihre Bedürfnisse zu erfüllen, nicht beeinträchtigt. Nur wenn man die langfristigen Konsequenzen eigenen Handelns, die Folgen gegenwärtiger Wirtschaftspraktiken einigermaßen präzise einschätzen kann, vermag man zu prüfen, ob man nachhaltig vorgeht, ob sich das, was man tut, langfristig durchhalten lässt, oder ob absehbar ist, dass man Verhalten und Strategie ändern muss, soll das Ganze nicht mit einem "Crash" enden.

Nun haben die Möglichkeiten, Entwicklungen unter verschiedensten Bedingungen zu prognostizieren, zugenommen. Prognose-Modelle unterschiedlichster räumlicher wie zeitlicher Reichweite wurden entwickelt und verfeinert. Und viele davon zeichnen kein erfreuliches Bild. Das gilt für ökologische und ökonomische Prognosen. Zwar werden diese ebenfalls der Kritik unterzogen, und mancher "Prognose" schimmert das Interesse des Propheten am Öffentlichkeitsgeschäft durchs Unterfutter. Aber - die Sorge ist mit dem Anschwellen der Futurologie, die auch schon eine große Zukunft hinter sich hat, eingetreten und geht nicht mehr. Wie heißt es, frei nach Nestroy: Die Zukunft ist eine undankbare Person, die grad den bekümmert, der sich um sie besonders bemüht.

Die Sorge bleibt

Und selbst wenn man rückblickend sagen kann, dass viele Vorhersagen, computergestützt oder nicht, nicht eingetroffen sind und vieles passiert ist, was niemand rechtzeitig angezeigt hat (etwa den Zusammenbruch der Sowjetunion, die bubble der new economy, das Ende des Endes der Geschichte), und selbst wenn es hinterher alle immer schon gewusst haben: die Sorge bleibt.

Zu klar ist: Nicht nur die Natur haben wir nicht im Griff (vielleicht war es ein Fehler, das konsequent zu wollen), auch das Gemachte, die zweite Natur des Menschen, macht sich selbstständig. Die Beherrschbarkeit des Gemachten entpuppt sich als Utopie; nicht erst für die Gentechnik, auch für Medien, Computer, Verkehr gilt: alles hat Folgen - unbeabsichtigte, die oft schwer einzufangen sind (wie der Steigbügel, der die Kriegstechnik revolutionierte, weil die Reiter mit Panzer aufsteigen konnten).

Das Wissen um die Folgen, auch wenn es kein völlig sicheres Wissen ist, bedingt Verantwortung. Verantwortung hat man dabei nicht nur für gegenwärtige Taten, sondern auch für Untätigkeit. Wenn wir wissen, dass wir durch unsere Art der Energieverwendung langfristig (und für die Betroffenen irreversibel) Schaden bewirken, sind wir moralisch verpflichtet, Änderungen einzuleiten. Wenn wir ausrechnen können, dass das Umlagesystem für die Pensionszahlungen in der gegenwärtigen Form nicht aufrechterhalten werden kann, weil die Menschen länger leben und sich der Bevölkerungsaufbau verändert, muss man reagieren. Die Berechnungen dafür sind alt und zahlreich. Die Problemlösung muss gleichzeitig an verschiedenen Punkten ansetzen (Pensionsalter, zusätzliche Säulen, Migration). Nur Datenblinde, die den Zeichen an der Rechenwand die Apperzeption erfolgreich verweigert haben, können davon reden, dass die Änderungen nunmehr "überfallsartig" erfolgen sollen. Sie sollten - zur Milderung ihrer Überraschung - nachlesen, was der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen (so etwa 1991/92) zu dem Thema geschrieben hat.

Daher ist die Spurensuche nach Lösungen, nach nachhaltigen Problemlösungen, so wichtig; sie eröffnen die Aussicht auf mögliche Auswege (Sicherheit ist nirgends). Das ist schon viel. Noch mehr bieten freilich Beispiele. Sie können nachgerade ansteckend wirken (wenn ihre imitatio nicht allzu schwer ist).

Wenn der Effekt der Nachahmung ein "gutes Gewissen" ist, so muss nicht einmal der Glaube an die Effektivität im Sinn des angestrebten Ziels vorhanden sein: Mülltrennung wird selbst dann praktiziert, wenn der Verdacht besteht, dass alles wieder zusammengeworfen wird; ein bestimmter Ölkonzern, der sich angeblich umweltfeindlich verhalten hat, wird boykottiert, selbst wenn man nicht glaubt, dass dieser reagiert. Man setzt ein Zeichen! An sich!

Häufig aber ist die Bereitschaft etwas zu tun, eine Gewohnheit zu ändern, an den Glauben an Effektivität gebunden - und man weiß: sinnlos ist es, alleine zu handeln (auf individueller oder betrieblicher Ebene); ja unter Umständen ist es rationaler, "Trittbrett zu fahren". Daher sind "sozialer Druck" (auf das umweltverträgliche Verhalten der anderen wird mit Argusaugen geachtet; stinkende Autos werden angehupt, Raucher geächtet) oder gesetzliche Regelungen nötig, die sicherstellen, dass es kein erlaubtes Trittbrettfahren gibt (autofreie Tage mit Pickerl; Umweltauflagen für alle Betriebe; gezielte Steuern bzw. Förderungen, die bestimmte Zielgrößen im Auge haben). Trotzdem glaube ich, dass die Innovationen für die Entwicklung nachhaltigen Konsumierens und Wirtschaftens nicht allein "von oben" kommen können, sondern aus der Mitte der (Zivil-)Gesellschaft kommen müssen.

Die Macht der Nachfrage

Verbraucher müssen (sich) zunächst aufzeigen, worin ein umweltverträglicher Konsum heute besteht: in Versorgung, Anschaffung bestimmter Geräte, Entsorgung. Sie haben - entsprechende Kommunikation/Vernetzung vo-raus gesetzt - auch Nachfragemacht. Gruppen, Vereine haben hier eine Entdeckungs- und Informationsaufgabe, die über den verfassten Konsumentenschutz hinausgeht. Fair trade kann propagiert werden und Ethik-Funds können (nach Prüfung) unterstützt werden. Resonanzwahrscheinlichkeit besteht dafür in Teilen der modernen Gesellschaft durchaus. Betriebe positionieren sich durch vorbildliches Verhalten (manchmal aus eigenem Antrieb, manchmal angetrieben und vorbeugend): Ethisches Verhalten kennen sie auf mehreren Ebenen, es muss nicht uneigennützig sein. Es kann durchaus eine rationale Begründung haben - ja, vielleicht ist diese notwendig, um Nachhaltigkeit zu erzeugen.

"Im Bezug auf Ethik", so sagt Peter Drucker in berührender Einfachheit, "sind die Regeln für jedermann gleich, und der Test ist einfach." Er nennt ihn den "Spiegel-Test": "Was für eine Art Person möchte ich sehen, wenn ich mich morgens rasiere oder meinen Lippenstift auflege?". Abgesehen von der Tatsache, dass nicht alle das Gleiche sehen wollen - manche wollen auch einen Zyniker oder gar einen selbstverliebten Bösewicht sehen oder einen Narziss: die individuellen Werte können gar leicht mit dem Wertesystem eines Unternehmens in Konflikt geraten. In Familienbetrieben, wo der Inhaber kurz- und langfristige Interessen mit und in sich ausmachen konnte, war die Sache noch verhältnismäßig einfach. Allfällige Interessenskollisionen fanden in ihm oder (schon komplizierter) im Teilhaberkreis statt. In börsennotierten Betrieben "dienen" die Manager den Aktionären, den Kunden, den Mitarbeitern und sich selber - und das in einer komplexen Wirtschaftswelt, in der nicht alles a priori durch feste Kontrakte regelbar ist. Im Gegenteil: Gerade eine komplexe Welt benötigt nicht so sehr Verträge für alles und jedes - sondern Vertrauen.

Vielleicht kommt das daher, dass sich ein bestimmtes Menschenbild ausgebreitet hat, das den Menschen auf ein ökonomisch-egoistisches Wesen reduziert, nur darauf aus, seine Eigeninteressen zu verfolgen. Und es ist klar: wenn wir glauben, dass eine andere Person (eine Führungskraft, ein Kundenberater) nur durch ihr Eigeninteresse getrieben ist, nur das tut, was ihr dient, dann wird Vertrauen kaum entstehen und Misstrauen nach Absicherungsverträgen verlangen. Nun ist es in einer kapitalistischen Wirtschaft notwendig, Gewinn zu machen. Aber ein Unternehmen, das die Gewinnmaximierung explizit zum einzigen Ziel macht, wird wahrscheinlich Schwierigkeiten bekommen. In der Wissenschaft bezeichnet man das als "Profit-Paradoxon". Je mehr ein Unternehmen davon besessen ist, Gewinn zu machen, umso unwahrscheinlicher ist die Realisierung. Es ist wie mit dem Glück: wer es unbedingt erlangen will, wird es verfehlen. Ein Unternehmen steht nicht nur im "Gewinnwettbewerb", sondern auch im "Vertrauenswettbewerb".

Gedanken sind wie Flöhe

Es stärkt die Beziehung(en), wenn nach dem alten ethischen Grundsatz gehandelt wird: Behandle Kunden und Mitarbeiter und die weitere Umwelt (auch als Konsument) so, wie du behandelt werden möchtest! Aus Eigennutz und für den "Spiegel-Test". Und wegen der dadurch erwartbaren Nachhaltigkeit. Das wird nicht von heute auf morgen geschehen. Zuvor muss es ge- und durchdacht werden. Dabei muss man berücksichtigen: Gedanken sind wie Flöhe: sie springen von Kopf zu Kopf, aber sie beißen nicht jeden.

Der Autor ist Geschäftsführer des Marktforschungsinstituts Fessel-GfK.

Der Text basiert auf einem Referat, das der Autor im Rahmen einer Veranstaltung des Föhrenbergkreises im Haus der Industrie gehalten hat.

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