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Ethos für die Wirtschaft

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Zwei sehr unterschiedliche Vorträge bildeten den Kern dieses von der „Creditanstalt“ und dem „Club Belvedere“ vorigen Donnerstag veranstalteten Symposiums. Da war zunächst der Theoretiker an der Reihe, Peter Koslowski, Universitätsprofessor und Direktor des Forschungsinstitutes für Philosophie in Hannover. Sein Thema „Private Laster sind nicht öffentliche Vorteile“ versprach Anschaulichkeit, wurde aber allzu abstrakt abgehandelt.

Aus drei Gründen würden heute ethische Fragen des Wirtschaftens wieder häufiger debattiert, meinte Koslowski:

• Immer zahlreicher würden die bedrohlichen (wenn auch unbeabsichtigten) Nebenwirkungen wirtschaftlichen Tuns;

• mit zunehmender Rationalisierung komme der Mensch unter wachsenden Druck. Die sich daraus ergebenden Probleme hätten zu einer Wiederentdeckung des Menschen durch die Wissenschaften geführt;

• die zunehmende Spezialisierung verstelle immer mehr den Blick für das Ganze, eine Entwicklung, die als bedrohlich erlebt werde.

Im Zusammenhang mit diesen Phänomenen tauchten Fragen nach der Orientierung wirtschaftlichen Tuns auf, also Fragen nach der Ethik des Wirtschaftens.

Lange Zeit habe man im Westen die Meinung vertreten, der Markt sorge schon dafür, daß - trotz unterschiedlichster Motive der Beteiligten - ein für die Allgemeinheit wohltätiges Ergebnis des Wirtschaftens zustande komme. Von Bernard de Mandeville, einem frühen Theoretiker des Kapitalismus, stammt die Vorstellung, daß der Markt dafür sorge, daß „private vices“ (private Laster) zu „public benefits“ (öffentlichen Vorteilen) führen könnten.

Damit wäre die „unsichtbare Hand“ des Marktes gewissermaßen ein Ersatz für ethisches Handeln. Dieses würde — so gesehen — in einer Marktwirtschaft unbedeutend werden. Denn jede gute Handlung habe auch schlechte Wirkungen und umgekehrt. Und wer könne denn die Folgen seines Tuns in der unübersehbaren Fülle der Zusammenhänge überhaupt verfolgen? Wird Ethik dadurch ein unnützer Luxus?

„Ethik wird durch dieses Phänomen jedoch nicht überflüssig“, stellte Koslowski im Anschluß an diese Gedanken fest. Das sei schon darin begründet, daß die Modellvorstellungen der Markttheoretiker ja niemals verwirklicht seien. Das tatsächliche Geschehen sei vielmehr das In-Be-ziehung-Treten „handelnder und sich verständigender Individuen“ — und nicht das reine Anpassen von Marktteilnehmern.

Daher bleibe also persönlicher Spielraum und somit sei das Wirtschaften ein ethisch zu begründendes Tun. Persönliche Eigenschaften wie Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit spielten wirtschaftlich eine große Rolle und beeinflußten die Kosten des Wirtschaftens.

„Vertrauen, Zuverlässigkeit, Treu und Glauben setzen jedoch ethische Einstellungen des Wirtschaftenden voraus“ und seien eine notwendige Ergänzung des Marktgeschehens.

Ethisches Handeln sei jedoch nicht nur im Interesse des einzelnen am reibungslosen Ablauf sinnvoll, vielmehr gehe es darum, „das allgemeine Interesse, den Gesamtnutzen oder eben Morali-tät zum Anliegen“ zu machen.

Aufgabe der Wirtschaftsethik wäre es, dem einzelnen zuzusiehern, daß er dank eines allgemeingültigen Verhaltenskodex damit rechnen könne, daß sich auch die anderen an die Spielregeln halten.

Wer ist aber heute die Institution, die ethische Normen aufstellen könne, fragte im Anschluß daran der „Praktiker“, BP-Generaldirektor Herbert Spatschek. Da gebe es eben keine allgemein gültigen Antworten mehr. Man müsse ja nur die großen Unterschiede betrachten, die sich international in Fragen der Umweltregulierungen ergeben. Welche Welten trennten da etwa Italien von Skandinavien!

Dennoch komme man nicht ohne Ethik aus. Das sehe man ja recht deutlich in der Werbung, wo zweifellos vielfach unverantwortlich vorgegangen werde: Da preise man „grünes Benzin“ ebenso an wie „grüne Waschmittel“, oder man verleitet die Jugend frühzeitig mittels Jugendkonto zum Geldausgeben.

Hier sei ein großes Betätigungsfeld für höheres Ethos, meinte Spatschek, der allerdings einen Umschwung bei den Unternehmungen registriert hat. Am deutlichsten werde das bei der Art, wie man produziert: Sparsamer Umgang mit den Ressourcen werde immer häufiger zum Anliegen, wenn auch in Österreich immer noch kurzfristige Interessen allzu oft langfristig sinnvolle Maßnahmen blockierten.

Größere Verantwortung werde auch gegenüber den Mitarbeitern1 empfunden. Führungsqualität müsse sich immer deutlicher durch ein fundamentales Interesse an der Person des Mitarbeiters ausweisen.

Immer häufiger könne man auch feststellen, daß die Firmenphilosophie erfolgreicher Unternehmer sich nicht mehr ausschließlich nach den eiskalt errechneten einzelwirtschaftlichen Erfolgskriterien ausrichtet. Vielmehr würden auch Anliegen der Allgemeinheit als Zielvorgaben mitberücksichtigt.

Letztlich komme es auf die Persönlichkeit des Managers an, auf seine Fähigkeit zu vertrauen, auf andere zuzugehen, auf seinen Mut zur eigenen Meinung, aber auch zum Eingestehen von Fehlern. Manager würden sich umso leichter tun, je eher sie in einem Umfeld agieren, in dem sich jedermann um ein hohes Ethos bemüht.

Erfreulich, daß solche Positionen von leitenden Managern vor Führungskräften der Wirtschaft vertreten werden. Wie sehr sie das Alltagsgeschehen tatsächlich prägen (werden), wird sich weisen. Richtig ist fraglos, daß wir alle für das ethische Klima mitverantwortlich sind. Es läßt sich ja nicht zwangsverordnen, wohl aber durch persönliche Umkehr und persönliches Vorbild fördern. Eine Herausforderung für alle, die Elite sein wollen.

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