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Für Umwelt sparen

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Auf die Mahnungen des Klubs von Rom in „Die Grenzen des Wachstums“ reagierte Wilfried Beckerman, Professor für Ökonomie in Oxford, mit der Bemerkung: „Was interessieren uns die Fische — uns geht es um den Menschen.“ Hier kommt das Dilemma der Debatten zwischen Ökologen und Ökonomen zum Ausdruck.

Die einen sorgen sich wegen der Folgen, die unsere Art des Wirt- schaftens in der Umwelt hat. Sie überhäufen uns mit Schreckensmeldungen: Dramatische Klimaveränderungen seien zu erwarten, abschmelzende Polareiskappen könnten ein Ansteigen der Weltmeere bewirken, bei Abnahme der gefährdeten Ozonschicht könnten die Hautkrebsfälle stark steigen, bei fortschreitendem Waldsterben die Länder Europas verkarsten...

Die anderen strahlen Zuversicht aus: Alles sei maßlos übertrieben, wissenschaftlich nicht abgesichert. Außerdem würde man schon im rechten Moment eine geeignete Abhilfe finden. Auf jeden Fall aber müsse man den ökonomischen Gesetzen Rechnung tragen.

Es wird aus Extrempositionen argumentiert. Der kleine Mann ist bei dem Duell zwischen Greuelnachricht und Hinweis auf wirtschaftliche Vernunft ratlos. Statt zur großen Versöhnung zwischen Ökologie und Ökonomie in akademischen Debatten aufzurufen, erschiene mir ein anderer Ansatz sinnvoll: Als erster Schritt sollte der Versuch gemacht werden, im wirtschaftlichen . Alltag stärker das zu verwirklichen, was die Theorie eigentlich vernünftigerweise fordert:

Vor allem müßte das ökonomische Prinzip verwirklicht werden. Es besagt, daß mit knappen Mitteln möglichst viel geleistet werden soll. Oder anders herum: Vorgegebene Aufgaben sollten mit sparsamstem Aufwand erfüllt werden.

Der Biologe Bernd Lötsch weist darauf hin, daß dieser Grundsatz in der Natur durchgehend verwirklicht wird: Besonders sparsam gehen die Lebewesen mit Energie um. Sie nutzen diese möglichst wirkungsvoll. Mit dem ökonomischen Prinzip wird also ein ökologisches Grundanliegen verwirklicht.

Diesem Anspruch-wird unsere Wirtschaft nur ungenügend gerecht. Freie Güter, wie Luft und Wasser, haben z. B. keinen Preis, weil sie scheinbar unbegrenzt vorrätig sind. Daher wurden sie bisher übermäßig ausgebeutet. Wirtschaftlich bedeutend wird ein Gut erst, wenn es knapp wird, was aber bei Luft und Wasser dann bereits bedrohlich ist. Teilweise ist dieser Zustand heute schon erreicht: Hessen produzierte 1980 selbst 16 Millionen Tonnen Sauerstoff, seine Industrie allein verbrauchte gleichzeitig jedoch 60 Millionen Tonnen!

Dadurch wird kostenlos ein Ka pital verzehrt. Ähnliches gilt für alles, was nicht oder nur schwer rechenbar, aber zum Wirtschaften notwendig ist: Es wird nicht ausreichend in den Kosten berücksichtigt und daher ohne Regulativ aufgebraucht. Unternehmen, die unter heutigen Bedingungen wirtschaftlich erscheinen, erweisen sich bei umfassender Betrachtung als weit kostenintensiver.

Betroffen davon ist häufig die menschliche Substanz: Es erhöht z. B. die Kosten eines Unternehmens nur geringfügig, wenn ein Mitarbeiter wegen eines im Beruf angezüchteten Herzinfarkts durch einen anderen ersetzt werden muß. Denn Heilungs- und Pensionskosten trägt wer anderer.

Kostenverzerrungen treten auch bei Rohstoffen, die nach ihrem Abbau und ihrer Verwertung unwiederbringlich verloren sind, auf: So wird der Preis von Bodenschätzen vielfach überwiegend von den Abbau-, Transport- oder Lagerkosten bestimmt. Die Tatsache aber, daß ein Kapital ein für allemal verzehrt wird, kommt in der Kostenrechnung nicht zum Tragen.

Der Umstand, daß zukünftige Generationen all das entbehren werden, spiegelt sich nicht in unseren Preisen wider. Wir behandeln Weizen, der jährlich nachwächst, wie Erdöl, das einmal aufgebraucht sein wird. Das widerspricht aber vernünftigem Wirtschaftsdenken: Es kann sich ja auch kein Unternehmen auf Dauer leisten, die Abnutzung seines Maschinenparks nicht in die Kosten einzubeziehen.

Auch die Folgekosten wirtschaftlicher Tätigkeiten fallen oft nicht denen auf den Kopf, die sie verursachen. Sie sind umso problematischer, je weiter die Folgen unseres Handelns in die Zukunft reichen. So fallen beispielsweise in Atomkraftwerken radioaktive Isotope mit gigantischen Halbwertzeiten an (Niobium 94 mit 20.000 und Nickel 90 mit 80.000 Jahren z. B.). Vor zehn Jahren wußte man nicht einmal noch, daß diese Stoffe in beachtenswerten Mengen überhaupt zu verzeichnen sein würden. Die damaligen Kostenrechnungen waren somit zwangsläufig falsch.

Um Projekte auf ihre Wirtschaftlichkeit prüfen zu können, müssen sie überschaubar sein. Je großräumiger, weitreichender und komplexer die Aktivitäten werden, umso weniger verläßlich sind Kosten-Nutzen-Berechnun- gen. Unüberschaubarkeit ist unökonomisch. Wem Wirtschaftlichkeit ein Anliegen ist, der müßte auch für ein System eintreten, das Überschaubarkeit begünstigt, in dem Folgen und Ursachen in Beziehung gesetzt werden können. Wer etwa Kadmium (eines der giftigsten, im Körper nicht abbaufähigen Metalle) in der Produktion verwendet, sollte die negativen Folgen seines Tuns zumindest in seinen Kosten zu spüren bekommen.

Gefährliche Produkte müssen wenigstens preislich als solche erkannt werden können. Wenn der Markt dies nicht leistet, muß die Wirtschaftspolitik das Versagen ausgleichen.

Der Abbau von Rohstoffen, die Verwendung von Luft und Wasser, der Einsatz und die Herstellung von Produkten mit negativen Nebenwirkungen müßten so stark besteuert werden, daß es für das einzelne Unternehmen wirtschaftlich interessant wird, gesamtwirtschaftlich bessere Lösungen zu finden. Damit wird die Wirtschaft durchaus nicht gegängelt. Sie bekommt nur über jenes Signal, das sie versteht (nämlich die Preise), die richtige Information: „Dein Tun bereitet an anderer Stelle Kosten, die du bisher nicht getragen hast.“

Es ist höchste Zeit, daß die Lük- ke zwischen betriebswirtschaftlich und volkswirtschaftlich sinnvollem Handeln geschlossen wird. Für hohe Preise dort zu sorgen, wo im gesamtwirtschaftlichen Interesse gespart werden sollte, ist Aufgabe der Wirtschaftspolitik. Eine Umschichtung der Besteuerung weg von den Einkommen und hin zum Energieverbrauch und den umweltschädigenden Produkten ist durchaus marktkonform. Es würde auch dem Anliegen dienen, sparsam mit Ressourcen umzugehen, den eigenen und denen der Allgemeinheit.

Die ökonomische Vernunft brächte aber ökologische Früchte.

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