6954280-1984_23_16.jpg
Digital In Arbeit

Wer rettet die Umwelt?

Werbung
Werbung
Werbung

„Stirbt unser Wald? Hunderttausende Hektar Wald schon gestorben ... Der Saure Regen tötet die Wälder. Europas schönste Aulandschaft wird austrocknen."

Das sind nur wenige Umweltschutz-Schlagzeilen aus den Zeitungen der letzten Wochen. Die Diskussion rund um unsere Umwelt hat sich längst von einzelnen Kraftwerksprojekten auf fast alle Bereiche des menschlichen Lebens ausgeweitet.

Und immer wieder wird der Zeigefinger des Vorwurfs auf den angeblich „Hauptschuldigen" gerichtet: die Industrie.

Deshalb ist es wichtig, den Fakten auf den Grund zu gehen. Was tut die Industrie, was könnte sie noch tun?

Wir alle haben ein elementares Interesse an sauberer Luft, schadstofffreiem Wasser, an Mülldeponien, die immer kleiner werden, lärmgeschützten Wohnhäusern, abgasfreien Erholungsräumen, maximal entschwefelten Verbrennungsrückständen und sinnvollem Recycling von Rohstoffen.

Das alles ist unser aller Anliegen, denn wer lehnt für sich selbst schon reines Wasser oder saubere Luft ab? Obwohl es dumm und durchsichtig ist, die Menschen in Verschmutzer und Umweltschützer, Abfall-Barbaren und friedliebende Ökologie-Apostel einteilen zu wollen, geschieht dies heute sehr oft. Derlei Pauschalurteile werden dann in der Öffentlichkeit zum Teil unkritisch übernommen. Die Berichte der Medien lassen den Eindruck entstehen, Umweltfragen seien ein völlig neues Problem, das im 20. Jahrhundert das erste Mal auftauche. Doch auch diese Meinung ist falsch.

Umwelt ist keineswegs ein Problem unserer Zeit. Der Mensch hat seine Umwelt immer belastet. Worin liegt aber der Unterschied?

Erst jetzt haben wir - als Folge des technisch-industriellen Fortschritts - die Chance, so gut wie allen Umweltproblemen wirksam zu begegnen!

Im Mittelalter flössen alle Abwässer der Haushalte, voll von Unrat und Fäkalien, am Straßenrand entlang, um irgendwo zu versickern und die Brunnen zu gefährden. Der Gestank einer mittelalterlichen Stadt war eine Umweltbelastung, von deren Ausmaß wir uns heute kaum eine Vorstellung machen können.

Die Menschen der Urzeit brannten ganze Landstriche ab, um die Tiere in eine bestimmte Richtung (meist Schluchten, die als Fallen dienten) zu hetzen.

Die Verkarstung weiter Teile des Mittelmeerraumes ist die direkte Folge eines unermeßlichen Raubbaues in der Antike an der damals vorherrschenden Baumund Pflanzenwelt.

Heute gibt es für fast alle Belastungen eine technische Lösung!

Staubfilter, Lärmschutzwände, Kläranlagen, Sondermüllbeseiti-gungsöfen, Wiederverwertungs-anlagen für Altglas und Papier, schwefelärmere Heizstoffe, bleifreie Vergasertreibstoffe, um nur einige zu nennen. Die moderne Technik macht es möglich.

Selbst der Saure Regen ist wirksam zu bekämpfen: mit einer Fülle technischer Einsatzmöglichkeiten.

Der springende Punkt ist: Nur mit dem technischen Fortschritt sind die akuten und zweifellos sehr ernsten Probleme der Umweltbelastung zu lösen. So ist beispielsweise die Entschwefelung der Abgase eines kalorischen Kraftwerkes ein technisch sehr komplizierter und finanziell sehr aufwendiger Vorgang, der Millioneninvestitionen erfordert.

„Aber ohne die Industrialisierung hätten wir uns doch alle diese Probleme erspart..." Es ist kurios, aber auch diese Meinung kann man noch immer zu hören bekommen.

Die Geschichte beweist: jede Aktivität des Menschen, die ihn aus dem Stadium des Jägers und Sammlers herausgeführt hat, hatte Einfluß auf die Umwelt!

Je rascher das Bevölkerungswachstum auf dieser Erde wurde, umso größer geriet auch der die Umwelt berührende Einfluß!

Die wachsende Weltbevölkerung erforderte und erfordert Wirtschaftswachstum. Wer sich jetzt gegen weiteres Wirtschaftswachstum ausspricht, der zementiert nicht nur die Armut im eigenen Land, sondern der bricht auch den Stab über jene Milliarden Menschen, die noch hungern müssen! Es gibt keine Alternative. Der Umweltschutz braucht Wirtschaftswachstum, mag dies auch auf Anhieb paradox klingen.

Bleiben wir etwa beim Stichwort „Saurer Regen": Die Experten sind sich international beispielsweise darin einig, daß mit bleifreiem Benzin ein wichtiger Beitrag gegen die Stickoxydbelastung der Luft geleistet werden könnte. Das bedeutet aber: Investitionen in den Aufbau zusätzlicher Zapfsäulen für bleifreies Benzin.

Einbau von Millionen Katalysatoren in unsere Kraftfahrzeuge.

Diese Investitionen in mehrfacher Milliardenhöhe werden sowohl die Erdöl Wirtschaft als auch die einzelnen Autokäufer vornehmen müssen. Ein Katalysator für den eigenen Wagen wird vorerst mehr als 10.000 S kosten.

Bei schrumpfender oder stagnierender Wirtschaft mit sinkenden Realeinkommen wird sich diese Investitionen nicht so schnell jemand leisten können.

Das ist der wahre Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und erfolgreichem Umweltschutz: Investitionen erfordern zusätzliches Kapital.

Ähnliches gilt für die Energieversorgung. Eine moderne, aufstrebende Volkswirtschaft, in der wieder alle Arbeit haben, ist ohne ausreichende Bereitstellung von Energie undenkbar. Industrie und technischer Fortschritt machen es möglich, etwa elektrischen Strom auf billigere und sehr umweltschonende Weise zu erzeugen.

Wer zur Kernenergie nein sagt, der bekommt kalorische Kraftwerke. Wer zum Sauren Regen nein sagt, der muß für Wasserkraft eintreten.

Wer gegen Wasserkraft auftritt, der stellt letztlich die gesamte Energieversorgung in Frage.. ..

Übrigens: Der Stromverbrauch hat sich im 1. Quartal 1984 um acht Prozent erhöht...

Auch das ist ein aktueller Aspekt der Umweltschutzdebatte, den man berücksichtigen sollte.

Die österreichische Industrie hat seit Beginn der siebziger Jahre 43,7 Mrd. S für den Umweltschutz ausgegeben. Bis 1990 sind weitere 7,6 Mrd. S an Ausgaben geplant. Dabei handelt es sich aber nur um die fix geplanten Projekte. Unter Einbeziehung der laufenden Ausgaben und der Ergebnisse aus den letzten Jahren wird damit gerechnet, daB sich die Summe der Aufwendungen 1985 bis 1990 auf 31 Mrd. S erhöhen wird.

Und was unternimmt die Industrie bei sich selbst? Die österreichische Industrie braucht sich weder als Umweltverschmutzer noch als Wachstumsfetischist verteufeln zu lassen. Denn die Fakten sprechen eine klare Sprache:

• In den Jahren 1985 bis 1990 werden in der österreichischen Industrie für den Bau und Betrieb von Umweltschutzanlagen bzw. die Berücksichtigung des Umweltschutzes in den laufenden Investitionen 7,6 Milliarden Schilling ausgegeben werden. Das sind nur die konkreten, bereits fix und fertig vorliegenden Projekte. Wahrscheinlich wird diese Summe wesentlich höher ausfallen. Unter Einbeziehung der laufenden Kosten für solche Investitionen und der Erfahrungen der letzten sechs Jahre kann also mit einem Investitionsschub für die Umwelt bis 1990 gerechnet werden. Rund 31 Mrd. S wird die Industrie aufbringen müssen, rund 14 Mio. S pro Tag.

• Allein seit 1978 hat die heimische Industrie 28,5 Mrd. S in den Umweltschutz investiert. Davon entfallen mehr als 28 Prozent auf die Jahre 1983 und 1984. Das beweist: Das Umweltbewußtsein der Industrie nimmt rasch zu.

Wofür werden diese Beträge verwendet?

Auch dazu gibt es neueste Untersuchungen (s. Tabelle 2). Die einen beziehen sich auf die Vergangenheit, die anderen zeigen, wohin die Umweltschutz-Reise in der Industrie bis zum Ende dieses Jahrzehnts gehen wird.

Noch ein Aspekt, der nicht übersehen werden sollte:

• Für Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Umwelttechnik wird man bald schon ein Zehntel aller Ausgaben aufwenden. Das ist ein weiterer Beweis dafür, daß die Industrie die Sache sehr ernst nimmt.

Es steht außer Frage, daß der schwierige Teil des Weges noch vor uns liegt. Aber Österreichs Industrie ist im internationalen Vergleich wahrlich nicht untätig. Im Gegenteil: Wer aus dem industrialisierten Ausland in die Heimat zurückkehrt, der weiß, wie unsinnig die Polarisierung zwischen Ökonomie und Ökologie geworden ist. Je besser es der Wirtschaft geht, umso effizienter ist auch der Umweltschutz:

Nur mit technischem Fortschritt wird der Wald wieder gesund - oder aber mit der Rückkehr zum Sammeln und Jagen ...

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung