Der Weg der großen Schritte

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Steigende Preise, Verteilungskämpfe, der Klimawandel sowie Energiekrisen sind die Herausforderungen der Zukunft. In seinem Festvortrag bei der GLOBArt Academy gibt Jakob von Uexküll Antworten auf die brennenden Fragen der Zeit.

Wir befinden uns in der Phase einer immer stärker werdenden Erderwärmung. Die Unsicherheiten in den Prognosen zeigen überwiegend, dass die Entwicklung noch schneller, dramatischer und bedrohlicher verläuft als bisher angenommen. Schon in den nächsten Jahren müssen wir damit rechnen, dass viele hundert Millionen Menschen vom wachsenden Klima-Chaos (Überschwemmungen, Dürre, Hitzewellen) direkt bedroht werden. Noch zehn Jahre „business as usual“, und die Folgen werden weltweit irreversibel und auf vielen Gebieten katastrophal sein.

Auch unser Finanzsystem zeigt seine Grenzen auf. Es konnte nur noch mit extremer staatlicher Hilfe stabilisiert werden. Im Energiebereich ist das baldige Maximum der globalen Ölförderung („peak oil“) von den meisten Öl-Experten akzeptiert. Sogar das Pentagon erwartet eine globale Energiekrise bis 2015. Die rapide steigenden Preise und Verteilungskämpfe werden riesige Herausforderungen aufwerfen. Das Weltbild, in dem sich die meisten Menschen zurecht gefunden haben, verliert seinen Realitätsbezug.

Welche Antworten haben wir auf diese Herausforderungen?

1. Reduzierung der CO2-Emissionen: Dies geht nur, wenn wir den Energiehunger dieser Welt mit neuen Mitteln decken und schnellstmöglich eine Versorgung mit hundert Prozent erneuerbarer Energie erreichen. Zusätzlich müssen wir die Landwirtschaft klimafreundlich gestalten und verbleibende Natur-Wälder unserer Erde endlich wirksam schützen.

2. CO2 aktiv aus der Atmosphäre entnehmen: Eine reine Emissionsreduktion wird aller Voraussicht nicht mehr ausreichen, der Klimaerwärmung bei der 2°C-Obergrenze Einhalt zu gebieten. Für zukünftige Generationen wird es wichtig sein, nicht einfach CO2 aus der Luft zu waschen und unter der Erde zu lagern, sondern Lösungen zu finden, die eine langfristige Abscheidung und -Speicherung (Sequestrierung) unter Zuhilfenahme natürlicher Prozesse erlauben. Wir nennen dies heute „Bio-Sequestration“.

3. Echtes Recycling: Wir brauchen eine neue industrielle Revolution, die unsere Produktions- und Konsumationssysteme so umbaut, dass so wenig Abfall wie möglich entsteht. Die Natur macht es uns vor! Hierzu gibt es die Kreislaufmodelle, wie sie u. a. von dem Hamburger Professor Michael Braungart entwickelt wurden. Entnommene Ressourcen sollen wieder zurückgegeben werden können. Echtes Re-Cycling und nicht Down-Cycling.

4. Faire Einkommen: Eine neue Wirtschaftsordnung muss den Zugang aller zum Markt ermöglichen. Laut einer kürzlich veröffentlichten Umfrage sind fast achtzig Prozent in den USA, Großbritannien, Deutschland und verschiedenen anderen Ländern der Meinung, dass Business Manager generell unethisch und überbezahlt sind. Es wächst in der Gesellschaft der Eindruck, dass unsere derzeitige Wirtschaftsordnung in großem Ausmaß von Insidern zu ihrem persönlichen Vorteil manipuliert wird, statt der Allgemeinheit zu dienen.

5. Übernahme der Verantwortung: Als Industrienationen müssen wir endlich die Verantwortung für die aktuellen Zustände übernehmen und Abhilfe schaffen. Konkret heißt dies auch Schadensersatz zu zahlen!

6. Verzicht üben, d. h. weniger konsumieren: Eine Lösung wird nur möglich werden, wenn wir lernen natürliche Grenzen zu akzeptieren und uns vom Wachstums-Fetischismus lösen. Wir werden auf einige moderne Bequemlichkeiten verzichten müssen. Ein ständiges Größer, Weiter, Mehr, ist für eine Welt von bald neun Milliarden Menschen nicht tragbar. Zwei Beispiele: Ein Kilo Rindfleisch zu produzieren kostet zirka 15.000 Liter Wasser – ökologisch unbezahlbar. Und ein Menschenrecht für 20 Euro nach Mallorca zu fliegen, auf Kosten der Umwelt unserer Kinder, gibt es nicht!

Wir werden unser Selbst- und Fortschrittsverständnis neu definieren müssen. Das dominierende ökonomische Denken untergräbt Gemeinschaft und Solidarität und blockiert dadurch verantwortliches Handeln. Daher muss eine realistische Strategie die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ändern, damit individuelles Handeln von positiven Regeln unterstützt wird.

Aber wie sieht es mit der Umsetzung aus?

Genau hier setzt der WFC an. Als Katalysator führen wir die genannten Antworten in politische Lösungen über. Wir müssen schnell und pragmatisch handeln. Es gibt für die meisten Herausforderungen auf dieser Welt bereits gute Lösungen. Diese zu finden und zu verbreiten, ist die Hauptaufgabe des WFC. Einige Beispiele:

Der WFC war …

1. maßgeblich daran beteiligt, dass in 2008 eine neue internationale Organisation IRENA (International Renewable Energy Agency), zur Beschleunigung der Einführung erneuerbarer Energien mit mittlerweile über 140 Mitgliedstaaten gegründet wurde. Wir haben zur schnelleren Verbreitung von erneuerbaren Energien das zurzeit wirksamste Gesetz, das EEG, weltweit bei politischen Entscheidungsträgern etabliert und erleben jetzt, dass u. a. USA, England, Südafrika und Australien dieses Gesetz einführen.

2. Wir haben das Konzept des „Verbrechens gegen zukünftige Generationen“ als potenzieller Straftatbestand auf die internationale Bühne gehoben. Dies wird ein wichtiger Punkt werden, um schnell zukunftsgerechtere Rahmenbedingungen umzusetzen. Welcher Politiker wird sich noch trauen Gesetze auf den Weg zu bringen die nicht zukunftsfähig sind, wenn er dafür juristisch belangt werden kann?

3. Ganz wichtig für uns ist die Arbeit in sich entwickelnden Ländern und Kontinenten. Wir müssen erreichen, dass die Fehler, die die Industrienationen gemacht haben, nicht wiederholt werden. So arbeiten wir auch sehr engagiert in Afrika und haben dort gerade eine Allianz für Erneuerbare Energien gegründet.

Dies ist das Ziel des WFC, des Weltzukunftsrates. Der Rat arbeitet mit politischen Entscheidungsträgern weltweit zusammen, um sog. „best policies“ – die besten bekannten Regeln, Gesetze und Abkommen – durchzusetzen und zu verbreiten.

Die ca. 50 Mitglieder des WFC sind Pioniere und Visionäre aus der ganzen Welt. Sie kommen aus Regierungen, Parlamenten, der Wirtschaft, der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft und der Kultur. Sie bilden zusammen eine Stimme, die unsere gemeinsame Verantwortung und unsere gemeinsamen Werte als Bürger dieser Erde betont und den Rechten zukünftiger Generationen Gehör verschafft.

In Krisenzeiten sind große Schritte manchmal leichter als kleine, weil sie als problemrealistisch gesehen werden und so begeistern und mobilisieren können. Denn Lösungen gibt es überall. Ich sage das ganz bewusst, weil ich seit 30 Jahren mit dem Alternativen Nobelpreis solche „Projekte der Hoffnung“ auszeichne. Die über 100 Preisträger bieten auf vielen Gebieten praktische Lösungsansätze für die großen Herausforderungen von heute. Allzu leicht verfallen Leute bei diesen Herausforderungen in Schockstarre – die globalen Probleme sind alleine nicht zu lösen. Der Effekt von persönlichen Lebensumstellungen ist doch minimal? Aus meiner Sicht können wir aber alle einen großen Beitrag leisten.

Setzen Sie sich doch zu Hause einmal zusammen und überprüfen Ihre Gewohnheiten. Hören Sie auf Ihre Kinder – häufig sind sie schon besser ökologisch ausgebildet als die Eltern. Der Fernurlaub wird dann z. B. schnell hinterfragt.

Als Unternehmer kann man sich schnell die Chancen, die sich aus der Entwicklung neuer Märkte und der Änderung des regulatorischen Umfelds ergeben, zu Nutze zu machen. Prüfen Sie Ihre Wertschöpfungsketten systematisch durch. Es muss nicht gleich der große Wandel sein, auch kleine Beiträge können schon helfen.

Und natürlich können Sie auch helfen, indem Sie den WFC unterstützen. Der WFC – unabhängig, unparteiisch und weltweit einmalig – verfolgt keine Eigeninteressen, was ihn von herkömmlichen Lobbyisten abhebt.

Wir brauchen Partner und Unterstützer, um unsere weitere Arbeit zu sichern. Damit wir auf die wachsenden Herausforderungen konsequent, erfolgreich und in einem größeren Rahmen regieren können, brauchen wir Ihre Unterstützung.

* Der Autor ist Gründer des World Future Council: www.worldfuturecouncil.org

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