Österreichs Green Deal  - „Ein gutes Drittel der österreichischen Treibhausgasemissionen sind davon abhängig, ob es gelingt, im Bereich der Sachgüterproduktion Industrie und Gewerbe neu zu positionieren.“ (Stefan Schleicher) - © Foto: APA / Helmut Fohringer

Türkis-Grüne Klimapolitik: Pläne gegen heiße Luft

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Die Klimapolitik gilt als Herzstück des neuen Regierungsprogramms. Doch sind die Vorhaben konkret genug? Und was bräuchte es noch jenseits dieses Themas? Faktencheck eines Experten.

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Die Klimapolitik gilt als Herzstück des neuen Regierungsprogramms. Doch sind die Vorhaben konkret genug? Und was bräuchte es noch jenseits dieses Themas? Faktencheck eines Experten.

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Die Intentionen eines Regierungsprogramms reichen von einer Verbreitung von Wohlfühl-Messages bis zu einem für den politischen Alltag tauglichen Manual. Unabhängig vom aktuellen Programm der neuen Bundesregierung eignen sich drei in Fragen formulierte Filter zum Verstehen und zum Bewerten eines solchen Programms: Erstens, was wird angesprochen bezüglich der zu erledigenden Aufgaben und den damit verbundenen Zielen; zweitens, wer soll diese Aufgaben behandeln hinsichtlich der Zuständigkeiten und Verbindlichkeiten; drittens, wie sollen die angesprochenen Aufgaben schließlich erledigt werden. Über das gesamte Regierungsprogramm wären diese Filter zu legen. Beispielhaft soll dies anhand von drei Themen geschehen.

Was ist herausragend?

An die Spitze der Kommentare in den internationalen Medien hat es die Ankündigung des Klimaziels Klimaneutralität bis 2040 geschafft. Innerhalb von nur zwei Jahrzehnten soll somit ein Gleichgewicht zwischen den Emissionen von Treibhausgasen aus Quellen (wie der Nutzung von fossiler Energie) und dem Abbau solcher Gase durch Senken (wie Böden, Wälder und Ozeane) hergestellt werden. Österreich will damit zehn Jahre früher dieses erst für 2050 von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Klimaziel erreichen. Nur Finnland und Schweden haben bisher angekündigt, dieses Ziel schon früher schaffen zu wollen. Die besondere Aufmerksamkeit im Ausland rührt wohl daher, dass es derzeit nur schwer vorstellbar ist, diese Benchmark innerhalb von zwei Jahrzehnten zu erreichen – und dass Österreich durch seine energie- und emissionsintensive Industrie bei Stahl, Zement und Grundstoffchemie noch zusätzlich herausgefordert ist.

Kaum mediale Spuren hat hingegen bisher ein anderes im Regierungsprogramm auffindbares Thema hinterlassen, dessen Bewältigung eine Voraussetzung für das Erreichen von Klimaneutralität ist: nämlich eine unter der Chiffre Green Deal für Österreichs Wirtschaft formulierte Strategie zu einer radikalen Restrukturierung der Sachgüterproduktion. Damit ist die Intention verbunden, Österreichs Industrie und Gewerbe den Übergang zu neuen Prozessen in der Produktion, neuen Produkten und deren Verwendung so zu ermöglichen, dass insgesamt der gesamte Verbrauch von Ressourcen reduziert und die Treibhausgasemissionen langfristig neutralisiert werden.

Welche Themen fehlen?

Einige Themen werden hingegen kaum oder nur nachrangig angesprochen. Überraschenderweise trifft dies auf das Thema Fiskalpolitik zu, die traditionell als ein Pfeiler einer proaktiven Wirtschaftspolitik verstanden wird. Fiskalpolitik scheint explizit im Regierungsprogramm nicht auf und wird implizit eher mit ausgeglichenen Budgets und geringeren Staatsanteilen assoziiert als ein zukunftsorientierter Mechanismus für zielorientierte Innovationen. Dieses Manko verwundert angesichts der weiterhin hohen und absehbar steigenden Zahlen von Arbeitslosen.

Das ist auch angesichts der angesprochenen Zeitspannen bis 2040 und 2050 unverständlich. Schon jetzt beginnen sich massive Änderungen beim Bedarf und bei der Organisation von Arbeit abzuzeichnen als Vorboten der sich entfaltenden technologischen Brüche durch künstliche Intelligenz, Roboterisierung und radikalen Veränderungen bei der Produktion von Gütern und Dienstleistungen.

Wer ist zuständig?

Die drei genannten Beispiele von politischen Aufgaben mit ihrem höchst unterschiedlichen Stellenwert im Regierungsprogramm verweisen auch auf beachtliche Unterschiede in der Auffassung von Zuständigkeiten und Verbindlichkeiten. Nur scheinbar unmissverständlich ist die als ein klares Ziel und als klarer Auftrag deklarierte Klimaneutralität bis 2040. Der dazu formulierte Anspruch, in Europa zu einem Vorreiter im Klimaschutz zu werden, stößt allein deshalb auf Skepsis, weil sich Österreich in einem Ranking der Mitgliedsstaaten unter jenen fünf Nachzüglern befindet, die gegenüber 1990 höhere Emissionen von Treibhausgasen ausweisen.

Die sehr medienwirksame Ansage der Klimaneutralität wird von vielen vagen Absichtserklärungen konterkariert, die in der Summe nicht ausreichend für die Zielerfüllung sind und zusätzlich noch durch mehr als 300 Hinweise auf vorab durchzuführende Prüfungen weiter abgeschwächt werden.

Ein besonderes Problem stellt die bisher bei weitem nicht ausreichende Kooperation der Bundesländer für eine wirksame Restrukturierung der Bereiche Gebäude und Mobilität, aber auch Forschung und Entwicklung dar, wofür im Regierungsprogramm wohl genug Aufforderungen enthalten sind. Diese wären jedoch auch politisch konsensfähig zu machen, wofür es in der Vergangenheit viele Beispiele des Scheiterns gibt.

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