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Andreas Wabl über Schwarz-Grün: "Die Chance kommt nie wieder"

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Der eine hat den ökosozialen Gedanken in der ÖVP etabliert, der andere war ein streitbarer Grüner im Parlament. Beide sind Steirer und für Schwarz-Grün. Josef Riegler und Andreas Wabl räumen im Furche-Gespräch die unüberbrückbar scheinenden Hindernisse für diese Regierungsvariante aus dem Weg.

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Der eine hat den ökosozialen Gedanken in der ÖVP etabliert, der andere war ein streitbarer Grüner im Parlament. Beide sind Steirer und für Schwarz-Grün. Josef Riegler und Andreas Wabl räumen im Furche-Gespräch die unüberbrückbar scheinenden Hindernisse für diese Regierungsvariante aus dem Weg.

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DIE FURCHE: Was reizt Sie beide an einer schwarz-grünen Koalition?
Andreas Wabl: Reizvoll ist in der Politik immer, wenn sich eine Chance ergibt.
Josef Riegler: Inhaltlich gibt es mehr Übereinstimmungen zwischen ÖVP und Grünen, als man auf Grund der Rhetorik vergangener Wochen vermuten würde. Wenn man will, findet man in den beiden Wahlprogrammen Ansatzpunkte für drei Regierungsprogramme. Die Hürden, die zu überwinden wären, sind groß. Aber: nicht versucht, ist auch gescheitert.
Wabl: Und ganz so neu ist diese Konstellation ja auch wieder nicht. Wir haben Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre schon sehr gute Koalitionen auf Sachebenen gehabt, wo wir eine sehr interessante Zusammenarbeit und sehr viele Berührungspunkte in den Bereichen Landwirtschaft und Energiepolitik hatten. Für uns beide ist es deswegen nichts Neues, darüber nachzudenken, ob es in der jetzigen Situation Möglichkeiten gibt, so ein Experiment zu wagen.

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DIE FURCHE: Warum wird dann eine solche schwarz-grüne Zusammenarbeit erst jetzt wieder aktuell?
Riegler: Die neunziger Jahre haben einen anderen politischen Hauptstrom gehabt. Das Kürzel "neoliberal" ist über die gesamte Politik gestülpt worden. Das, was wir vor mehr als einem Jahrzehnt auch steuerpolitisch schon konkret entwickelt hatten, ist damals nach der Umsetzung von wenigen Punkten hängengeblieben.

DIE FURCHE: Die Kluft zwischen Volkspartei und Grünen ist bei gesellschaftspolitischen Themen am größten. Können alle diese Divergenzen auf der Öko-Schiene überwunden werden?
Wabl: Beispiel Drogenpolitik: Ich halte die Unterstellungen, die die ÖVP in diesem Bereich den Grünen gemacht hat, für ein grobes Foul. Den Grünen geht es um die Entkriminalisierung von Suchtkranken und nicht um die Verharmlosung von Drogengeschäften. Aber auch dieser Punkt ist nicht unüberbrückbar.
Riegler: Wo man sich in der Drogenpolitik findet, weiß ich nicht. Gravierendender ist für mich das Thema Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, inklusive Sicherung des Luftraumes. Da gibt es für die ÖVP unverzichtbare Standpunkte Und in Deutschland sieht man ja, wie schwer die Grünen an Aufgaben schlucken, die für die Staatsräson notwendig sind. Die gesellschaftspolitischen "Randthemen" halte ich da für eher überwindbar.
Wabl: Der massive Einsatz der ÖVP für Abfangjäger hängt mit der Frage zusammen, wer in Zukunft an der europäischen Rüstungswirtschaft mitbeteiligt ist und wer nicht. Denn militär- und sicherheitspolitisch ist es vollkommen irrelevant, ob Österreich zehn, zwanzig, dreißig Abfangjäger kauft.
Riegler: Gerade wir Steirer wissen, dass Daimler Chrysler und Magna gerade für unsere regionale Wirtschaft eine große Bedeutung haben: Standortsicherung, Gegengeschäfte etc. - man kann nicht einfach sagen, das sei kein Thema.
Wabl: Für die Grünen wird im militärischen Bereich weltweit zuviel Geld ausgegeben. Und da müsste sich die ÖVP mehr auf ihre christlichen Wurzeln besinnen und begreifen: Investitionen in den militärischen Bereich bedeuten, dass im zivilen Bereich das Geld abgeht.
Riegler: Der christliche Ansatz bedeutet auch, dass man sich verteidigen muss. Wie wollen wir Österreich sicherheitspolitisch positionieren? Was bedeutet die Neutralität heute? Diese Themen sind zu diskutieren und nicht nur die Frage: Abfangjäger - ja oder nein? Aber ich gebe zu: Die Sicherheitspolitik ist ein Knackpunkt für eine schwarz-grüne Zusammenarbeit.

Mit einem Regierungspartner, der sich vehement in eine Richtung einbringt, bewegt sich mehr als mit einem Partner, der in dieser Frage auf der Bremse steht. SPÖ und FPÖ waren diesbezüglich nie Vorreiter.

Josef Riegler

DIE FURCHE: Die Volkspartei hat vor einem rot-grünen Chaos gewarnt. Warum sollte es der ÖVP gelingen, mit den Grünen gute Politik zu machen?
Riegler: Bei Rot-Grün hätte es Verstärkereffekte gegeben, bei Schwarz-Grün hingegen gibt es die Chance, dass aus zwei gewaltigen Spannungsmomenten eine vernünftige Balance entsteht. Ein Problem sehe ich eher darin, dass Schwarz-Grün eine knappe parlamentarische Mehrheit hat und es nicht ausgemacht ist, dass bei den Grünen alle geschlossen hinter den Vereinbarungen stehen.
Wabl: Das würde ich nicht überbewerten. Ein gemeinsam ausgearbeitetes Regierungsprogramm wird von allen Abgeordneten mitgetragen. Wichtiger scheint mir folgender Einwand: Zu Zeiten des Josef Riegler war die ÖVP auf dem Weg in Richtung Nachhaltigkeit. Wirtschaft wurde damals umfassender verstanden. In den letzten Jahren dominierte allerdings jener Flügel in der ÖVP, der ausschließlich auf eine ganz bestimmte Form von - ganz gewiss nicht nachhaltigem - Wachstum setzt.
Riegler: Heute hat nachhaltiges Wirtschaften viel mehr Überzeugungskraft als vor zehn Jahren. Denken Sie an diesbezügliche Bestrebungen in der EU und den Nachhaltigkeitsgipfel in Johannesburg.

DIE FURCHE: Österreich ist bei der Umsetzung des Kyoto-Protokolls meilenweit von den Vorgaben enfernt. Glauben Sie, mit Schwarz-Grün ...
Riegler: ... geht diesbezüglich mehr weiter - ganz sicher. Mit einem Regierungspartner, der sich vehement in eine Richtung einbringt, bewegt sich mehr als mit einem Partner, der in dieser Frage auf der Bremse steht. SPÖ und FPÖ waren diesbezüglich nie Vorreiter.


DIE FURCHE: Hunderttausende ehemalige FPÖ-Wähler haben bei dieser Wahl die ÖVP gewählt - was bedeutet das für die künftige VP-Politik?
Wabl: Man hat das ja schon im Wahlkampf gesehen: Innenminister Strassers rauer Umgang mit Asylwerbern, der auf freiheitliche Wähler zugeschnitten war, hat bereits die Stimmung im Land verändert. Aber man darf nicht vergessen: Ein Großteil der späteren FPÖ-Wähler war einmal SP- und VP-nahe. Wenn eine politische Führung verantwortungsvoll mit diesen Menschen umgeht, kann man viele davon sicher wieder in eine andere Richtung steuern. Ich kann mich nicht zurücklehnen und sagen: Die sind jetzt alle ganz rechts, und ich warte ab, bis sie mit ihren Anschauungen gegen die Wand fahren. Jeder Dialog, jedes Gespräch, jede Konfrontation ist zu suchen.
Riegler: Das waren ja keine eingefleischten, sehr rechtslastigen Freiheitliche, sondern das waren Leute, die mit den Zuständen unzufrieden waren. Die haben eine Zeit lang FPÖ gewählt, weil dort Protest sehr griffig formuliert worden ist. Diese sechshunderttausend Stimmen und mehr stellen für die ÖVP eine große Verantwortung da. Sie sind eine Aufforderung, die vernünftige Reformpolitik fortzuführen. Deshalb bin ich skeptisch, wenn zu schnell in Richtung schwarz-rot gedrängt wird. Das ist die Konstellation, von der man weiß, dass ihre Reformfähigkeit nicht übertrieben ausgeprägt ist.

DIE FURCHE: Eigene Erfahrung?
Riegler: Natürlich, ich habe ja lange genug in einer solchen Konstellation mühsam gearbeitet.

Wolfgang Schüssel hat in der vergangenen Periode gezeigt, dass er mit einem Partner sehr fair umgeht.

Josef Riegler

Mich erinnert Schüssels Umgehen mit dem politischen Partner eher an eine ägyptische Gottesanbeterin.

Andreas Wabl
FURCHE 2002_49_03 - Grün-schwarze Debatte - © Faksimle von: Die FURCHE, 5. Dezember 2002
© Faksimle von: Die FURCHE, 5. Dezember 2002

Grün-schwarze Debatte

DIE FURCHE: Haben Sie Angst, dass es die Grünen in einer VP-dominierten Regierung zerbröselt?
Wabl: Die ÖVP hat mit Schüssel sicher einen Parteiobmann, der - um es freundlich auszudrücken - mit allen Wassern gewaschen ist. Wenn da nicht auf der anderen Seite Grüne sitzen, die ganz genau wissen, was ihre Inhalte sind und wie sie diese umsetzen wollen, sehe ich im wahrsten Sinne des Wortes schwarz. Ein mögliches Regierungsprogramm müsste ganz präzise formuliert sein - auch mit einem zeitlichem Horizont. Und wenn bis zum ausgemachten Termin die Umsetzung der Vorhaben nicht möglich ist, muss man halt sagen: Halt! Unsere Koalitionsabkommen wurden nicht eingehalten, Schluss jetzt!
Riegler: Wolfgang Schüssel hat in der vergangenen Periode gezeigt, dass er mit einem Partner sehr fair umgeht.
Wabl: Diese Meinung ist gewagt. Mich erinnert Schüssels Umgehen mit dem politischen Partner eher an eine ägyptische Gottesanbeterin.
Riegler: Es gibt in der grünen Fraktion sicher Leute, die wissen, was sie politisch wollen und was sie nicht wollen. Da habe ich keine Sorge, dass die nicht in der Lage sind, ihre Position klar zu machen.
Wabl: Ich halte es für keine schlechte Voraussetzung, wenn man sich über sein Gegenüber keine falschen Illusionen macht. Ich kenne das Verhältnis, das zwischen Joschka Fischer und Gerhard Schröder geherrscht hat. Fischer hat von Schröder eine sehr, sehr schlechte Meinung gehabt und umgekehrt genauso. Das ist in der Politik eine viel bessere Voraussetzung, als voller Sympathien und mit großem Optimismus in eine Zusammenarbeit zu gehen. Und dann bleibt nichts übrig außer viel Schwung, der rasch im Chaos endet.
Riegler: Es gibt ja schon auch Personen, wie den Wilhelm Molterer und etliche andere, bei denen man nicht nur von der Sache, sondern auch vom Atmosphärischen her sagen kann, da ist eine gute Gesprächsgrundlage gegeben.

DIE FURCHE: Welche Ministerien sollte die ÖVP den Grünen zugestehen?
Riegler: Die ÖVP kann hier durchaus großzügig sein. Die Grünen sollen die Möglichkeit erhalten, sich ihrem Profil entsprechend in einer Regierung zu entfalten. Zugegeben, die Chance, dass man sich auf einer gemeinsamen Ebene finden kann, ist sehr klein, aber sie ist interessant und wäre für Österreich eine Überlegung wert.
Wabl: Jetzt gibt es diese Chance, auch wenn sie ganz, ganz gering ist. Dort, wo unüberbrückbare Positionen sind, kann man mit gegenseitiger Toleranz zu Ergebnissen kommen. Und dort, wo Gemeinsamkeiten zum Greifen sind - beispielsweise im Öko-Steuersystem -, da wäre es doch wunderschön, wenn sich für Österreich etwas ausginge. Wenn man eine Chance nicht nutzt, die kommt nie wieder. Die Jahre ziehen ins Land. Wir können uns zwar dann wieder einmal treffen und sagen: Oje, damals hätten wir eigentlich sollen, aber das ist dann vorbei.

Wolfgang Machreich

Der Autor ist freier Journalist.

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