Volkspartei: Zeit für eine Zäsur

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Trotz des Verdachts auf Bestechung, Bestechlichkeit und Untreue will Sebastian Kurz im Amt bleiben – und die Volkspartei steht auf Gedeih und Verderb hinter ihm. In Kauf nimmt man dafür die weitere Beschädigung der politischen Kultur.

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Trotz des Verdachts auf Bestechung, Bestechlichkeit und Untreue will Sebastian Kurz im Amt bleiben – und die Volkspartei steht auf Gedeih und Verderb hinter ihm. In Kauf nimmt man dafür die weitere Beschädigung der politischen Kultur.

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Wer auf einen Paukenschlag gewartet hatte – oder gar auf so etwas wie Einsicht -, der wurde enttäuscht: Statt angesichts eines über hundertseitigen Sittenbildes polit-medialer Verkommenheit einen Anflug von Zerknirschtheit zu zeigen und sich bis zur Klärung der Vorwürfe zurückzuziehen, hat Bundeskanzler Sebastian Kurz Kampfgeist demonstriert: Er werde „mit allen rechtlichen und demokratischen Mitteln“ dafür kämpfen, dass seine Unschuld bewiesen werde, erklärte er auf dem Weg in die Hofburg.

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Das ist sein gutes Recht, auch für einen Kanzler gilt die Unschuldsvermutung. Auf der Strecke bleiben bei diesem Überlebenskampf freilich nicht nur wesentliche politische Entscheidungen, für die nun alle Kräfte gebündelt werden müssten (zuvorderst beim Thema Klima und Pflege), sondern auch die politische Kultur. Nicht erst seit Ibiza wird diese jenseits der Grenzen als - für westlich-aufgeklärte Verhältnisse - verstörend verdorben klassifiziert. Dazu kamen zuletzt direkte politische Angriffe auf die Justiz. „Ich habe das schon vielfach erlebt, allerdings in anderen Ländern, auf die man normalerweise mit dem Finger zeigt. In Österreich ist das in dieser Vehemenz und Betroffenheit wohl einmalig“, meinte Martin Kreutner, ehemaliger Dekan der Antikorruptionsakademie IACA, im März dieses Jahres zu den Attacken der neuen Volkspartei auf die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Mit der Rede von „linken Zellen“ hat der VP-Abgeordnete Andreas Hanger dies jüngst auf die Spitze getrieben.

Geopferte Moral

Der große Erfolg des Sebastian Kurz, so zeigt sich immer klarer, ist nicht nur die Folge eines besonderen rhetorischen und strategischen Talents – es ist auch die Folge der Bereitschaft, dem Machtgewinn und -erhalt alles zu opfern. Und sei es die (eigene) Moral. Das mag eine Reihe historischer Vorläufer haben. Noch nie jedoch wurde dies so feinsäuberlich digital dokumentiert wie hier und jetzt.

Die in Österreich seit jeher ausgeprägten Mauschelein zwischen Politik, Wirtschaftseliten und manchen Medien wurden im türkisen Universum professionalisiert und auf ein neues Niveau gehoben.

Moralisch hat die „Neue Volkspartei“ damit endgültig abgedankt, der „neue Stil“ ist entzaubert: Die in Österreich schon immer "ausgeprägten Mauschelein zwischen Politik, Wirtschaftseliten und manchen Medien" (Kreutner) wurden im türkisen Universum vielmehr professionalisiert und auf ein neues Niveau gehoben.

Doch was nun? Sebastian Kurz hat den Ball (taktisch klug) den Grünen zugespielt – und sie damit in Geiselhaft genommen: Halten sie an der Regierung fest, verspielen sie auf ihrem Kerngebiet der Korruptionsbekämpfung jeglichen Kredit. Springen sie ab und stimmen sie kommenden Dienstag in der Nationalrats-Sondersitzung bei einem Misstrauensantrag der Oppositionsparteien mit, verspielen sie ihre erst jüngst erreichten politischen Erfolge, es kommt zu äußerst volatilen neuen Konstellationen - oder zu Neuwahlen, bei denen sich Kurz im Zweifel als Opfer stilisiert.

Wie die Grünen nun agieren, wird sich am Dienstag zeigen. Ebenso, ob und wann ein erster „schwarzer“ Stein aus der türkisen Mauer bricht. „Die Härte der Vorwürfe hat eine Dimension erreicht, die an die Grenzen geht“, konstatierte immerhin der steirische Landeshauptmann, Hermann Schützenhöfer. Ob sich diese Erkenntnis in der ehedem auf Anstand gründenden Volkspartei doch noch herumspricht - und ob es in der ÖVP wie im gesamten polit-medialen System endlich zu einer Zäsur kommt, wird zum Reifetest für die Demokratie.

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