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Randhemerkungen zur wocmi

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AUCH DAS BURGTHEATER soll also nach Plänen aufgebaut werden, welche die Öffentlichkeit nicht kennt, weil sie nur mit jenen Projekten vertraut ist, welche vor mehr als einem Jahr als nicht allzu glückliche Ergebnisse eines Wettbewerbs viele und heftige Diskussionen wachriefen. Schon damals blieb die Frage, ob man den ausgebrannten Zuschauerraum im alten Ringstraßenstil restaurieren oder aber, der Zeit und ihren veränderten materiellen und Gesellschaftlichen Bedingungen entsprechend, modernisieren sollte, im Grunde genommen offen. Die Architekten hatten zumeist Kompromißlösungen vorgeschlagen, während die Öffentlichkeit und eine Reihe kritischer Fachleute eher für die Beibehaltung oder besser: Wieder, herstellung des alten Zustandes eintraten. Auch die „Furche“ bevorzugte damals diese letztere Ansicht; ähnliche Uber-legungen dürften nunmehr ein internes technisches Komitee zu seinem, wie es heißt, endgültigen Entschluß veranlaßt haben, die Restaurierung der Erneuerung vorzuziehen. — Man muß aber zugeben, daß verschiedene seither gemachte Erfahrungen das Problem doch in einem neuen Licht erscheinen lassen: die Restaurierungsarbeiten, die unterdessen zum Beispiel an der Oper durchgeführt wurden und ja bekanntlich auch nur der Wiederherstellung, nicht etwa einer grundsätzlichen Erneuerung galten, sind zwar notwendig gewesen — aber sie standen, um das in aller Aufrichtigkeit zu sagen, in keinem rechten Verhältnis zu der materiellen Situation des Landes. Wie ist das nun beim Burgtheater? Können wir uns nach solchen und ähnlichen Erfahrungen eine teure Restauration wirklich leisten? Es gibt Gründe, die für sie, und es gibt nicht weniger gewichtigere Gründe, die gegen sie sprechen — wobei von technischen Belangen hier nicht die Rede sein soll. Die ursprüngliche Hauptfrage nach Modernisierung oder Restaurierung dürfte also immer noch offenstehen und auch neue Akzente erhalten haben; der Vorschlag allerdings, die Zahl der Logen herabzusetzen, die charakteristischen Logenreihen aber nicht gänzlich durch Ränge zu ersetzen, wird allgemein begrüßt werden. Wir bezweifeln die Zuständigkeit jenes internen technischen Komitees keineswegs. Aber wir sehen Widersprüche aus der Öffentlichkeit voraus, die in breitem Maße an der Diskussion für und wider teilnimmt. Man darf sich darüber freuen und soll es nicht für eine unerwünschte Einmischung in die internen Besprechungen technischer Fachleute halten.

MIT DANK QUITTIERT sei der Ausfall der Wiener kommunistischen Tageszeitung gegen die „Furche“ aus Anlaß des Ausschlusses der kommunistischen Chefredakteure aus der Jaurnalistengewerkschaft. Es gibt sonach kein Mißverständnis: Nicht Parteinahme für die Haltung und Schreibweise der Ausgeschlossenen, sondern ein Prinzip, das jedem Journalisten unantastbar sein sollte, veranlaßte die „Furche“ zu der Feststellung, daß die verfassungsmäßig gewährleistete Pressefreiheit nur durch ein staatliches Notstandsgesetz eine rechtmäßige Beschränkung erfahren kann.

DAS STREITGESPRÄCH, IN FRIEDEN GEFÜHRT, sammelt immer mehr Teilnehmer. Die Volkshochschulen veranstalten öffentliche Diskussionen über wichtige Probleme des alltäglichen Lebens, die österreichischen Rundfunksender bringen in regelmäßigen Abständen ihre „Radioparlamente“, in denen namhafte Vertreter des öffentlichen Lebens trotz aller Spielregeln frisch und lebhaft über politische oder der Politik benachbarte Themen diskutieren. Auch Debattierabende, in denen Priester auf Fragen, die vom Publikum an sie gestellt werden, ausführliche und lebensnahe Antwort erteilen, brauchen sich über regen Zuspruch nicht zu beklagen. Diese Sitte, entscheidende geistige Probleme von Anhängern verschiedener Meinungen in aller Öffentlichkeit mit Spruch und Widerspruch abhandeln zu lassen, ist gut. Es ist eine nützliche und eine höchst demokratische Sitte; mag sie bisweilen die Zuschauer auch dazu erleiten, eine intellektuelle Auseinandersetzung gleichsam unter sportlichem Blick Winkel zw sehen — was schadet's? Nichts ist wünschenswerter, als da/J Wege durch die Dschungel geschlagen werden, die heute zwischen den Menschen wuchern. Und das geschieht in diesen Debatten.

DEN BAYRISCHEN LANDTAGSWAHLEN, die der CSU nur einen Achtungserfolg brachten, folgen jetzt die Verhandlungen hinter geschlossenen Türen: die Gespräche über die Neubildung der Landesregierung. Neben 64 Christlichsozialen sitzen im Landtag 63 Sozialdemokraten 39 Mitgliedern der Bayernpartei, 26 Vertretern der Heimatvertriebenen und 12 Liberalen gegenüber. Die Koalitionsmöglichkeiten sind daher vorgezeichnet. Für die von der Bundes regierung in allen Ländern bisher befürwortete „Kleine Koalition“ — CDU, Liberale und gemäßigte Rechtsgruppen — fehlt in Bayern zwar ein politisch interessanter liberaler Partner, aber die von starkem Lokalkolorit bestimmte Bayernpartei ist bereit, den Ersatzmann zu spielen, und hat deswegen auch schon seit einiger Zeit ihre Heißsporne etwas in den Hintergrund geschoben. Gegen diese Kombination melden sich aber im christlichsozialen Lager selbst immer mehr Stimmen. Ihr Wortführer ist der bekannte ehemalige bayrische Justizminister Dr. Müller, der sich vor allem auf die Arbeitnehmer stützt und auch der Sympathien der in der „Jungen Union“ vereinigten Parteijugend sicher ist. Seine Gesinnungsfreunde deuten das Wahlergebnis als ein Bekenntnis zur Mitte und treten für eine Koalition mit der Sozialdemokratie ein. Dieser Entschluß wird ihnen um so leichter gemacht, als in Bauern nicht ein starrer Mann wie Dr. Schumacher die Zügel dieser Partei führt, sondern Dr. Högner, der in den ersten Monaten nach 1945 als bayrischer Ministerpräsident wiederholt der Begegnung von Sozialismus und Christentum das Wort redete. Fällt die Entscheidung für die letzte Lösung, dann würden nicht nur in Bayern, sondern auch im gesamten Bundesgebiet, vor allem aber im Land der Schlote und der Zechen, in Nordrhein-Westfalen, die Kräfte des sozialen Katholizismus neuen Wind in ihre Segel bekommen. Vor allem Ministerpräsident Arnold, der hier nicht ganz freiwillig nach den Landtagswahlen im vergangenen Sommer die Zusammenarbeit mit der sozialdemokratischen Fraktion aufkündigte und nach verschiedenen Experimenten ein Minderheitenkabinett bildete, das dem alten Partner die Tür offen ließ, würde wahrscheinlich nicht lange zögern, diesen in sein Kabinett wieder anzunehmen. Ob Wordrhein-Westfalen od' Bayern, ob Arnold oder Müller, beide christlich-demokratischen Politiker und ihre Anhänger haben gewichtige Gründe für ihren Kurs: eine feste, nicht den Schwankungen des Tages ausgelieferte Regierungsmehrheit und die Sicherung des für Deutschland gerade in der gegenwärtigen Weltsituation so notwendigen sozialen Friedens. Es ist nicht uninteressant, zu vermerken, daß sie zur Stützung ihrer Argumente gerne auf das österreichische Beispiel, auf die hier in fünfjähriger Arbeitsgemeinschaft erprobte Koalition der beiden großen Parteien hinweisen.

DIE UNBEKANNTESTE EINRICHTUNG DER AMERIKANISCHEN ARMEE IN DEUTSCHLAND sind ihre Elementarschulen, in denen über tausend US-Rekruten im Lesen und Schreiben unterrichtet werden. Wie man von General Huebner hörte, dem bisherigen europäischen Oberkommandierenden, sind Analphabeten unter den jungen Amerikanern nicht so selten, wie man annehmen möchte. Denn die Staaten sind ein Land der Schulsorgen. Die Rekrutierungsbüros der Armee, die sich seit Korea wieder aufgetan haben, mußten bereits nicht wenige junge Leute abweisen, weil sie ihre mangelnde Schulbildung für den Wehrdienst untauglich machte. Wer weiß, daß während des zweiten Weltkrieges mehr als eine halbe Million Rekruten nach Hause geschickt wurden, weil sie den Mindestforderungen einer einklassigen Dorfschule nicht entsprachen, wird darüber nicht erstaunt sein. Alarmierend und die Politiker der Neuen Welt mit Sorge erfüllend ist vor allem die von der amerikanischen Presse aufgestellte Rechnung, daß rund vier Millionen Kinder zwischen sechs und sechzehn Jahren zur Zeit keinerlei Schulen besuchen! Während die Wissenschaft von Jahr zu Jahr höhere Stufen der Erkenntnis erklimmt, droht hier eine Generation von Nichtswissern heranzuwachsen. Die Gründe für diese im reichen Amerika auf den ersten Blick unverständliche Entwicklung sind teilweise erfreulicher Natur: der seit 1940 anhaltende Geburtenanstieg; zum andern allerdings sind sie in der Unterbewertung des Lehrerstandes zu suchen. Angesichts solcher sozialen Einstufung wanderten in den letzten zehn Jahren über 350.000 Lehrer zu anderen Tätigkeiten ab, aber die gleiche Zahl würde zusätzlich gebraucht, um die zehn Millionen Kinder zu unterrichten, die Amerika 1959 mehr haben wird als zu Kriegsende. Diese unheimliche Lage der Schule hat den Kongreß veranlaßt, sich dieser großen Sorge der Öffentlichkeit anzunehmen, obwohl er dafür verfassungsmäßig nicht zuständig ist. Man plant, den Gliedstaaten für jedes Kind einen jährlichen Kopfbetrag aus Bundesmitteln zur Verfügung zu stellen, um daraus Lehrmittel und Schulbücher, Schulspeisung und Schulferien zu bezahlen.

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