Türkis-Grün

Türkis-grün – wird das was?

19451960198020002020

Auf dem Weg zu einem türkis-grünen Koalitionspakt warten noch ­zahlreiche Hürden. Welche sind die höchsten? Eine Analyse.

19451960198020002020

Auf dem Weg zu einem türkis-grünen Koalitionspakt warten noch ­zahlreiche Hürden. Welche sind die höchsten? Eine Analyse.

Werbung
Werbung
Werbung

Wächst zusammen, was eigentlich nicht zusammengeht? Inhaltlich weist die ÖVP mit den Grünen bekanntlich die geringsten Überschneidungen unter allen Parteien auf. Dennoch beziffern gut informierte ÖVP-Politiker die Wahrscheinlichkeit einer Regierungseinigung mit jenseits der 60 Prozent. Die grüne Parteispitze beschritt indessen den Start in die Koalitionsverhandlungen mit betont kompromissfördernder Rhetorik. Message Control, so scheint es, beherrschen inzwischen auch die Grünen.

Die Causa Casinos könnte allerdings Verhandlungsungemach bedeuten. Mit den aktuellen Enthüllungen werden Warnungen vor einer Koalition mit der ÖVP in Teilen der grünen Basis wieder lauter – auch wenn die Parteidisziplin nach außen hin weiter aufrecht ist. Grünen-Chef Werner Kogler will indes mit SPÖ und NEOS über einen U-Ausschuss verhandeln. Hat die Casinos-Affäre also das Potenzial, die Koalitionsgespräche entscheidend zu belasten? „Bevor die Regierungsbildung am U-Ausschuss scheitert, scheitert sie wohl an zehn anderen Punkten“, sagt Politikberater Thomas Hofer. „Ich halte die Causa aber für einen ersten Elchtest über die Tragfähigkeit der gemeinsamen Kommunikation.“

Was für eine türkis-grüne Einigung spricht, ist relativ klar: Es wäre eine Koalition der beiden großen Wahlsieger: die Variante ist in der Bevölkerung inzwischen äußerst beliebt; die Grünen sind für erstmalige Regierungsverantwortung auf Bundesebene zu deutlichen Kompromissen bereit; und für die ÖVP wäre ein Pakt mit den Grünen in Außenwirkung und öffentlicher Rezeption mit Abstand der dankbarste: Ein neuer Weg, der Versuch eines frischen politischen Modells, auf das halb Europa schauen würde. Dazu kommt der Mangel an attraktiven Alternativen: Eine Neuauflage mit der FPÖ lässt sich nach der Fülle bisheriger Enthüllungen zunehmend schlechter argumentieren – und wäre eine unabsehbare Hypothek für die Zukunft. Eine große Koalition mit der SPÖ ist indes unbeliebt bei Wahlvolk wie Funktionärskaste. Angesichts der Konjunktur des Klimaschutzes dürfte sich das Thema zudem gut für eine gemeinsame Regierungserzählung eignen.

Knackpunkt Infrastruktur

Ebenso klar am Tisch liegen indes die Punkte, die Türkis-Grün zu einer Herausforderung machen. Das einst so polarisierende Thema Migration zählt allerdings kaum noch jemand dazu. Der Kampf gegen illegale Einwanderung ist längst Teil der grünen Agenda. Und mit der Stärkung von Integrationsmaßnahmen im Inland wird sich auch in der ÖVP niemand schwer tun. Vielmehr könnte der Bereich Infrastruktur für Probleme innerhalb der Verhandlungsgruppen sorgen. Die dritte Piste am Flughafen Schwechat und der Lobautunnel sind Beispiele für unterschiedliche Positionen. Ebenso der Autobahn-Ausbau und die Energiepolitik. Beim Thema Wasserkraft etwa sei bei den Grünen noch Überzeugungsarbeit nötig, meint ein ÖVP-Insider.

Auch Pensions- und Bundesheerreform zählen zu den heißen Eisen – immerhin stehen Entscheidungen über die Eurofighter-Nachfolge und einige andere Großaufträge an. Die Sozialpolitik würde beiderseits schmerzliche Kompromisse erfordern. Und: Bei der Vereinbarkeit von offensivem Klimaschutz mit wirtschaftsfreundlicher Standortpolitik, wie sie ÖVP-Chef Sebastian Kurz vorschwebt, könnte der Teufel im Detail liegen. Auch weil wirksamer Klimaschutz wohl mit neuen Steuern verknüpft ist. „In einigen Untergruppen stehen sich durchaus Hardliner beider Seiten gegenüber“, sagt Politikberater Hofer. Umso mehr habe man deshalb wohl bereits beim Wording der Überschriften für einzelne Fachgruppen darauf geachtet, Leitungen zum Kompromiss zu legen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung