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Was die Parteien versprechen

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Ein Wählkampf der Platitüden, der Blumen-und Kinderplakate und der unerheblichen Randthemen: So ist in diesen Wochen immer wieder geklagt worden, nicht zuletzt in den Massenmedien, auch in der FURCHE. Aber keine Zeitung hat bisher der Tatsache Rechnung getragen, daß die wahlwerbenden Parteien immerhin auch Programmentwürfe für die Regierungsarbeit in der kommenden Gesetzgebungsperiode herausgebracht haben. Die FURCHE versucht heute, die Wahlplattformen von SPÖ, ÖVP und FPÖ in ihren wesentlichen Aussagen miteinander zu vergleichen. (Die Programmaussagen zum Thema Familie haben wir schon in Folge 16 behandelt, die Thematik Bildungs- und Kunstpolitik wird heute auf den Seiten 15 und 16 analysiert.)

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Ein Wählkampf der Platitüden, der Blumen-und Kinderplakate und der unerheblichen Randthemen: So ist in diesen Wochen immer wieder geklagt worden, nicht zuletzt in den Massenmedien, auch in der FURCHE. Aber keine Zeitung hat bisher der Tatsache Rechnung getragen, daß die wahlwerbenden Parteien immerhin auch Programmentwürfe für die Regierungsarbeit in der kommenden Gesetzgebungsperiode herausgebracht haben. Die FURCHE versucht heute, die Wahlplattformen von SPÖ, ÖVP und FPÖ in ihren wesentlichen Aussagen miteinander zu vergleichen. (Die Programmaussagen zum Thema Familie haben wir schon in Folge 16 behandelt, die Thematik Bildungs- und Kunstpolitik wird heute auf den Seiten 15 und 16 analysiert.)

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Die Regierungspartei leitet ihre 19seitige Wahlplattform naturgemäß mit einem Leistungsbericht über die SPÖ-Alleinregierungsperiode ein, während die ÖVP ihre 22 Bildseiten „Für einen neuen Frühling in Österreich“ mit einem Taus-Appell („Es ist Zeit für eine Kursänderung“) samt Bekenntnis zur „gemeinsamen Lösung“ großer Probleme eröffnet. Die FPÖ stellt sich zu Beginn ihres zwölfseitigen Wahlprogramms als Partei der Freiheit, der Gemeinschaft, der Gerechtigkeit, der Leistung, des Bekenntnisses zum Eigentum, der Sachlichkeit, der bürgernahen Demokratie sowie als Partei für eine gesunde Umwelt und Europapartei vor. Zu den einzelnen Sachgebieten wird im einzelnen angeführt:

ARBEITSPLÄTZE: Die SPÖ verspricht 200.000 neue Arbeitsplätze in den nächsten vier Jahren, die ÖVP 300.000 bis zum Ende der 80er Jahre. Die SPÖ will das Ziel durch Prämien und steuerlich begünstigte Investitionsrücklagen, die ÖVP mit einem „System von Investitiorisanreizen durch eine leistungsfreundliche Besteuerung“ erreichen.

Eine weitere Verkürzung der Arbeitszeit „in Ubereinstimmung mit der wirtschaftlichen Entwicklung“, verspricht nur die SPÖ, ein Jugendbeschäftigungsgesetz mit einer Prämiierung zusätzlicher Arbeitsplätze für Jugendliche sowie Teilzeitbeschäftigungsmöglichkeiten vor allem im öffentlichen Dienst allein die ÖVP. Im FPÖ-Programm kommt das Stichwort Arbeitsplätze nicht gesondert vor.

STEUERPOLITIK: Die Sozialisten wollen das Steuersystem „gerechter und übersichtlicher“ machen und dafür Ausnahmen abbauen. Da dabei auch ein „höheres Maß an Verteilungsgerechtigkeit“, gleichzeitig aber „keine Mehrbelastung der Lohn- und Gehaltsempfänger“ bewirkt werden soll, muß man daraus schließen, daß dabei den Selbständigen noch einmal etwas abgezwackt würde.

Ein „durchschaubares und leistungsfreundliches Steuersystem“ wünscht sich die Volkspartei und verspricht keinerlei Steuererhöhung sowie eine Abschaffung der Lkw-Steuer, der Kreditsteuer und der Extrembelastungen durch das 2. Abgabenänderungsgesetz sowie eine Halbierung der Pkw-Mehrwertsteuer.

Gewerbe-, Lohnsummen-, Kredit-und Lkw-Steuer sowie das 2. Abgabenänderungsgesetz will auch die FPÖ abschaffen und außerdem die „Gesamtsteuerbelastung“ nicht erhöhen (was Ersatzsteuern für die abzuschaffenden theoretisch nicht ausschließt).

Alle drei Parteien versprechen Sonderanstrengungen um Klein- und Mittelbetriebe - die ÖVP vor allem bei Steuern und Abgaben durch ein „Mittelstandsgesetz“, die SPÖ durch gezielte Innovationshilfen und eine Förderung der Einführung neuer Produkte auf neuen Märkten.

STAATSHAUSHALT: ÖVP und FPÖ sind für eine schrittweise Senkung des Defizits im Bundeshaushalt, die Freiheitlichen außerdem für einen neuen Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Die SPÖ will wie bisher Arbeitsplätzebeschaffung via Budgetpolitik betreiben, was auf keinerlei systematischen Defizitabbau schließen läßt.

LANDWIRTSCHAFT: Nur die

Volkspartei hat ein eigenes Programmkapitel „Funktionsfähiger ländlicher Raum“ und strebt ebenso wie die FPÖ ein neues Landwirtschaftsgesetz für eine umfassende Agrarmarktordnung an. Die Sozialisten wollen vor allem kleinere Produzenten und Nebenerwerbsbetriebe fördern sowie das Bergbau-ern-Sonderprogramm fortsetzen.

UMWELT: Die SPÖ-Aussagen zur Umweltpolitik sind eher vage und versprechen u. a. mehr Naturschutzgebiete und einen Kampf gegen Landschaftszersiedelung. Einziges konkretes Bekenntnis (aber ohne Konsequenzandeütung): Vorrang des öffentlichen Verkehrs.

Noch unverbindlicher ist in diesem Kapitel die Volkspartei, während die Freiheitlichen ein Verfassungsrecht auf eine menschenwürdige Umwelt sowie zahlreiche konkrete Maßnahmen (u. a. bundesweite Luft-, Wasser-, Boden-, Lärm- und Abfallkataster, eine Förderung von Recycling-Methoden und schonende Bewirtschaftungstechniken in der Landwirtschaft) fordern.

Auch tritt die FPÖ für verstärkte Alternativenergieforschung ein, damit Österreich „vom Atomstrom unabhängig bleiben“ kann, während die SPÖ für eine bessere Ausnutzung vorhandener Energie plädiert.

GESUNDHEIT: Die Regierungspartei will die Gesundenuntersu-chungen ausbauen, neue und rationellere Formen der Spitalsorganisation suchen, die Psychiatrie humanisieren sowie Ambulatorien und Gruppenpraxen ausbauen. Die ÖVP legt ihr Schwergewicht auf ein umfassendes System der Vorsorgemedizin sowie eine ambulante Kranken-, Alten- und Familienpflege. Eigene Pflegekrankenhäuser sind ein Anliegen der Freiheitlichen. SOZIALE SICHERHEIT: Die Sozialisten bekennen sich zu gezieltem Mitteleinsatz zugunsten der sozial Schwachen, einen Ausbau der freiwilligen Sozial- und Nachbarschaftshilfe, „Hilfe zur Selbsthilfe“ bei Senioren (die nur auf Wunsch in modernen Pensionistenheimen unterkommen sollen) und größerer Mobilität der Arbeitskräfte. Sie verheißen außerdem die Entwicklung „neuer Arbeitsformen“ (was immer das ist).

Verfassungsbestimmungen verlangen Volkspartei (als Garantie von Pensionen und Renten) und Freiheitliche (als Recht auf Arbeit). Beide Parteien sind auch für die Ermöglichung eines gleitenden Ubergangs in den Ruhestand, die ÖVP außerdem für einen weiteren Abbau der Ru-hensbestimmungen, die FPÖ für mehr Nachbarschafts- und Behindertenhilfe sowie Altenbetreuung.

LANDESVERTEIDIGUNG: Die SPÖ verspricht vage eine Fortsetzung bisheriger Bemühungen um geistige, wirtschaftliche und zivile Landesverteidigung sowie eine Verbesserung der Kasernen. Die FPÖ will vor allem die geistige Landesverteidigung sowie konkret die Errichtung von Vorratslagern forcieren, während die ÖVP zur Verteidigung überhaupt keine Wahlkampfaussage trifft.

AUSSENPOLITIK: Die sozialistische Wahlplattform ergeht sich in einer eher nebulosen Würdigung der „neuen Variante einer aktiven Neutralitätspolitik“. Auch enthält das Papier ein ziemlich lustloses Absätzchen über Entwicklungspolitik.

Die ÖVP hat auch zum Thema Außenpolitik überhaupt nichts zu sagen, während die FPÖ („Wir Freiheitliche wollen das vereinte Europa“) ausführlich für eine möglichst weitgehende Teilnahme Österreichs an der europäischen Integration, Beobachterstatus beim EG-Parlament und ein europäisches Volksgruppenrecht plädiert, das Österreich „als Schutzmacht Südtirols“ initiieren sollte.

RECHT: Die Sozialisten versprechen eine „lebensnahe Gerichtsorganisation“, einen weiteren Abbau der Diskriminierung der Frau, einen unbürokratischeren Zugang zum Recht, neue Schwerpunkte der Verwaltungsreform (welche, bleibt offen).

Die Volkspartei reklamiert eine „durchschaubare und menschliche Verwaltung“ und die FPÖ eine „klare Absage“ an die „gefängnislose Gesellschaft“, ein Verbändegesetz, leistungsgerechte Beamtenbezüge sowie ein neues Haushaltsrecht. SPÖ und FPÖ verlangen eine Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität.

AUSBAU DER DEMOKRATIE: Hier bleibt die Regierungspartei konkrete Reformvorschläge schuldig, während die Volkspartei die Briefwahlmöglichkeit, ein demokratischeres Arbeiterkammerwahlrecht, Gesetzesschutz für Gesinnung am Arbeitsplatz, Büros für Bürgerinitiativen, aktives Wahlrecht ab 18, eine Erleichterung von Volksabstimmungen auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene sowie (als einzige Partei) einen Ausbau des Föderalismus verlangt.

Die FPÖ will Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit aus- und die Parteibuchwirtschaft abbauen, die Minderheitenrechte der parlamentarischen Opposition stärken, die Gesetzes- und Verordnungsflut eindämmen, sowie ein Weißbuch über ethnische Minderheiten schaffen.

Zusammenfassend kann man sagen, daß die Wahlplattform der SPÖ von allen dreien die ausführlichste, das Wahlprogramm der FPÖ in gewisser Hinsicht (was die Schwerpunkte anlangt) das originellste und jenes der ÖVP das dürftigste ist. Freilich kann die Volkspartei darauf verweisen, daß ihre Wahlplattform nur einen Auszug aus den insgesamt 16 ausführlichen Alternativprogrammen darstellt.

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