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Linke Rote nehmen Anstoß
Am Abend, da der Rücktritt von Finanzminister Androsch erwartet wurde, präsentierte die Parteilinke der SPÖ den . Sammelband,,Roter Anstoß"', in dem 33 überwiegendjunge A utoren ihre A uffassungen darlegen, die alle in der Forderung nach mehr Prinzipientreue und weniger Pragmatismus in der Politik gipfeln. SPÖ-Denker Egon Matzner nannte das Werk „ein wichtiges politisches Dokument, das durch die aktuellen Umstände eine Zäsur in der SPÖ signalisieren könnte . Hier einige wörtliche A uszüge:
Am Abend, da der Rücktritt von Finanzminister Androsch erwartet wurde, präsentierte die Parteilinke der SPÖ den . Sammelband,,Roter Anstoß"', in dem 33 überwiegendjunge A utoren ihre A uffassungen darlegen, die alle in der Forderung nach mehr Prinzipientreue und weniger Pragmatismus in der Politik gipfeln. SPÖ-Denker Egon Matzner nannte das Werk „ein wichtiges politisches Dokument, das durch die aktuellen Umstände eine Zäsur in der SPÖ signalisieren könnte . Hier einige wörtliche A uszüge:
Die Funktion der Sozialpartnerschaft bestand darin, zu verhindern, daß die Grenzen der kapitalistischen Klassengesellschaft überschritten werden. Sie war (und ist) die große Bremse des gesellschaftlichen Fortschritts in Osterreich.nbsp;
Die Funktion der Sozialpartnerschaft bestand darin, zu verhindern, daß die Grenzen der kapitalistischen Klassengesellschaft überschritten werden. Sie war (und ist) die große Bremse des gesellschaftlichen Fortschritts in Osterreich.
Josef Hindels
Die schwierigste Aufgabe der Antifaschisten besteht darin, antifaschistische Elemente in die konkrete Politik der SPÖ einzubringen . . . Auch in der -noch immer ungelösten - Slowenenfrage in Kärnten ist die Mobilisierung der Antifaschisten mit dem Ziel einer Kursänderung der sozialistischen Landes- und Regierungspolitik erforderlich, wenn diese Volksgruppe in Österreich nicht einer vollständigen Germanisierung zum Opfer fallen soll.
Wolfgang Neugebauer
In der österreichischen Sozialdemokratie gibt es in bezug auf die Landwirtschaft und die Einschätzung der Rolle der Bauern grundsätzlich sich voneinander unterscheidende Strömungen. Für einen Teil der Sozialdemokraten ist jeder Bauer in traditioneller Sichtweise, unabhängig von seiner sozio-ökonomischen Lage, gleich und auf der Seite der politischen Gegner stehend ... Ein anderer Teil der Sozialdemokraten hat Verständnis für die Probleme der benachteiligten Bauern. Aber sie haben es nicht leicht bei der Verwirklichung sozialdemokratischer Grundsätze (auch nicht) bei ihren Genossen.
Josef Krammer/Günther Scheer
Zwentendorf hätte im günstigsten Fall höchstens 12 Prozent (offiziell 11,1 Prozent) unseres derzeitigen Bedarfs an elektrischer Energie und weniger als 2 Prozent unseres Gesamtbedarfs gedeckt. Unser Land hat damit auf eine Energieform verzichtet, die wie keine andere wissenschaftlich, technisch, wirtschaftlich und politisch umstritten ist. Beweist Österreich in den kommenden Jahren, daß es ohne Atomenergie seine Wirtschaft in Gang halten und der Bevölkerung ein angemessenes Leben sichern kann, hat es ein
Beispiel gegeben, das dem Widerstand gegen diese untrennbar mit der Atomrüstung verbundenen Technologie starken Auftrieb geben wird ...Wir fordern die Ausarbeitung eines alternativen Energieplans für Österreich, mit dem Ziel der Stabilisierung des Pro-Kopf-Energieverbrauchs (an nicht erneuerbaren Energien) um 1990. Wir fordern, daß die Zusammenhänge zwischen Beschäftigungs- und Energiepolitik untersucht werden. Zahlreiche Studien in anderen Ländern zeigen, daß Investitionen in Alternativ-Technolo-gien viel mehr und dauerhaftere Arbeitsmöglichkeiten schaffen als großtechnische Anlagen mit ihrem ungeheuren Kapitalbedarf und ihrer auf die Spitze getriebenen Rationalisierung.
Paul Blau
Es gibt eine Reihe schulrechtlicher Möglichkeiten im Rahmen der vorhandenen Bestimmungen. Die SPÖ oder ihr nahestehende Organisationen (Gewerkschaft, Berufsförderungsinstitut, Kinderfreunde, Arbeiterkammer) könnten Privatschulen einrichten und durch eine liberale Auslegung der bürokratischen Kontrollvorschriften solchen Schulen einen erheblichen Freiraum für die Erprobung von Möglichkeiten eines repressionsarmen und humanen Lernens garantieren. Warum soll nur die Kirche von der Möglichkeit der staatlichen Förderung privater Schulinitiativen profitieren?
Christoph Matznetter/Peter Seidl
Die Berufsausbildung darf keine Festlegung auf einen bestimmten Beruf sein, sondern muß dem Arbeitnehmer Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft vermitteln. Daher ist die Ausbildung auf eine breitere Basis zu stellen, eine Basis, die alle Bereiche des Arbeitslebens umfaßt (also auch Wirtschaftspolitik, Arbeitsrecht, Allgemeinbildung usw.).
Ditmar Wenty
In Österreich hält die konservative Medien-Ubermacht auch nach zehn Jahren SPÖ-Regierung die Köpfe der Österreicher noch immer besetzt. Sie konnte zwar nicht verhindern, daß es am 6. Mai 1979 über 51 Prozent SPÖWähler gab; sie hat aber bisher mit Erfolg verhindert, daß 51 Prozent SPÖ-Wähler auch 51 Prozent Sozialisten sind . ..
Einen kaum weniger wirkungsvollen Beitrag als die Printmedien liefert zur Stabilisierung der gesellschaftlichen Verhältnisse in Österreich der ORF . .. In den Informationssendungen - dem Gesetzesauftrag folgend - kurzfristig annähernd ausgewogen, was die österreichische Innenpolitik, Zitierung von Parteipressediensten und Politiker-Interviews betrifft, ist die Summe der ORF-Programminhalte langfristig ein Bollwerk gegen die Zielsetzungen des SPÖ-Parteiprogramms 1978 .. . Würde es tatsächlich zu einer Privatisierung des elektronischen Medienbereichs kommen, würden Hoffnungen bald zu Illusionen werden. Gesellschaftliche Realität kann auch noch so dick aufgetragener Optimismus nicht übertünchen. Und diese Realität spricht eindeutig gegen die Annahme, Sozialisten könnten sich etwas vom Privat-TV erhoffen.
Bruno Aigner/Herbert Lackner
Die Beziehungen zwischen sozialistischer Bewegung und kirchlichen Organisationen sind heute viel breiter gefächert als vor zehn Jahren. Die Katholische Arbeiterjugend hatte hier sicher eine Vorreiterfunktion, was sich aber relativ leicht durch die von ihr vertretene Zielgruppe erklären läßt... Sie ist in den letzten Jahren des öfteren in Aktionseinheiten auch mit sozialistischen und kommunistischen Organisationen aufgetreten. In der gesellschaftlichen Analyse als nahestehend zu bezeichnen ist sicher die Betriebsseelsorge Österreichs, die ebenfalls in den vergangenen Jahren stärker hervorgetreten ist. Stark angefeindet von konservativ-kirchlichen Kräften wird die Katholische Sozialakademie, die in ihren Stellungnahmen und der Bildungstätigkeit eindeutig die gesellschaftlichen Mißstände und deren Ursachen aufzeigt.
In der Katholischen Arbeitnehmerbewegung sind differenzierte Entwicklungen in der Beurteilung der gesellschaftlichen Verhältnisse im Gang. Ähnliche Tendenzen sind aber auch in der Katholischen Jugend/Land festzustellen und in Teilen der Katholischen Studierenden Jugend. Daneben gibt es aber eine Reihe von Einzelpersonen, die in verschiedenen Verbänden und Referaten für eine solche Entwicklung eintreten. Doch entsteht gleichzeitig eine neue kritische Distanz in Fragen Kernenergie, Wachstumsfetischismus, Umweltfragen, Rüstungs- und Entwicklungspolitik. Bei den anderen Verbänden ist sicher in unterschiedlicher Weise, aber insgesamt doch, eher die ÖVP die politische Heimat.
Die Frage nach dem Sinn hat in unserer heutigen Welt jedenfalls sowohl für den glaubenden als auch fürden nicht-glaubenden Sozialisten neue Aktualität. Die Theologie der Befreiung mit ihrem Ursprung in Lateinamerika bleibt bei uns nicht ohne Auswirkungen. Ihre Wurzel ist in der schmerzlichen Wahrnehmung des Elends großer Mehrheiten der Völker begründet.. . Kirchliche Gruppen, die sich so auf den Menschen einlassen, sind für die Entwicklung unserer Gesellschaft sehr bedeutsam, und die SPÖ täte gut daran, sich verstärkt mit ihnen auseinanderzusetzen.
Ambros Pree
Die bisherigen Rechtsreformen der SPÖ konzentrieren sich - wohl infolge der Ministerzuständigkeit des „Reformmotors" - auf das Straf- und Zivilrecht. Tatsächlich sind heute aber neun von zehn Normen Verwaltungsrecht, und die Betroffenheit des einzelnen von Verwaltungsrechtsnormen wächst mit dem Ausbau des Sozial-, Leistungsund Planungsstaates kräftig, während die durch Zivil- und Strafrecht stagniert.
Manfred Matzka
Eine Diskussion über das österreichische Sozialversicherungssystem endet meistens wie die Infragestellung der heiligen Kühe in Indien. Mit großem Fanatismus wird jede Kritik im Keim erstickt...
Um den Klassencharakter des derzeitigen Gesundheitswesens zu überwinden, müssen energische Maßnahmen gesetzt werden, die die Einflüsse des kapitalistischen Systems auf das Gesundheitswesen zurückdrängen. Es erscheint selbstverständlich, daß dies ohne gesamtgesellschaftliche Veränderungen nicht möglich ist. Konkrete Ansätze wären z. B.:
Abschaffung der Höchstbeitrags-grundlage der Krankenkassen; Ersatz durch einen progressiven Krankenversicherungsbeitrag; demokratische Kontrolle in der Sozialversicherung statt sozialpartnerschaftlicher Strukturen; ein integriertes, patienten- statt privatwirtschaftlich orientiertes Gesundheitswesen; Maßnahmen zur Gesundheitssicherung in unterversorgten Gebieten statt freie Niederlassung; Einführung des klassenlosen Krankenhauses; Primärprävention statt ausschließlich kurativer Medizin; Abschaffung von ge-sundheitsgefährdeten Arbeitssituationen statt Akzeptieren von finanzieller Abgeltung; Bildung eines Fonds für Betriebsärzte, gespeist aus Beiträgen der Unternehmer; Zusammenfassung von Kleinbetrieben zur betriebsärztlichen Betreuung; Aufhebung der ASVG-Aussteuerung von chronisch Kranken; effiziente Mitbestimmung und Kontrollmöglichkeiten des Gesundheitswesens durch die Patienten und damit Demokratisierung des Gesundheitswesens.
Roland Paukner/Andreas Rudas
ROTER ANSTOSS (herausgegeben von Josef Hindels und Peter Pelinka, Vorwort Heinz Fischer). Verlag Jugend und Volk, 363 S., öS 248.-.
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