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Funktionsverlust für Sozialpartner ?

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Die Sozialpartnerschaft, ein Kind der Großen Koalition, hat sich auch in Zeiten der Alleinregierung bewährt. Welche Rolle kann sie unter neuen Bedingungen spielen?

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Die Sozialpartnerschaft, ein Kind der Großen Koalition, hat sich auch in Zeiten der Alleinregierung bewährt. Welche Rolle kann sie unter neuen Bedingungen spielen?

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Im letzten Jahr vor den Nationalratswahlenhat Wirtschaftspolitik praktisch kaum mehr stattgefunden. Nun, da die Wahlen geschlagen sind, wäre es an der Zeit, sich mit drängenden Problemen auseinanderzusetzen. Budgetsanierung, Pensionsreform, Strukturpolitik (unter Einschluß der Verstaatlichten Industrie), Ei-

genkapitalbildung, Bundesbahnen, Innovationsförderung — das sind einige der Probleme, mit denen sich zwangsläufig eine neue Bundesregierung auseinanderzusetzen haben wird.

Allem Anschein nach wird dies eine SPÖ-FPÖ-Regierung sein. Da dies die erste „kleine“ Koalition in der Zweiten Republik wäre, ist die Frage nach der Zukunft der Sozialpartnerschaft unter derartigen Regierungsbedingungen von allgemeinem Interesse.

Bisher hat die Sozialpartnerschaft alle Regierungen überdauert: ursprünglich ein Kind der Großen Koalition, bewährte sie sich während der Alleinregierung der ÖVP trotz anfänglicher tiefer Skepsis auf Arbeitnehmerseite und hat auch in den 13 Jahren der Alleinregierung der SPÖ trotz zunehmender wirtschaftlicher Schwierigkeiten gehalten.

Bleibt diese hohe Problemlösungskompetenz der Sozialpartner bei einer SPÖ-FPÖ-Koalition erhalten? Die Freiheitlichen ha-’ ben immer ein erhebliches Mißtrauen dem Verbändewesen gegenüber an den Tag gelegt, was an sich Ausfluß einer liberalen Tradition sein könnte, aber in der österreichischen Realität viel eher durch die faktisch geringe

Repräsentanz in den Verbänden politisch begründet ist.

In der freiheitlichen Forderung nach der Schaffung eines Verbändegesetzes kann man in erster Linie eine rechtliche Klammer für den privaten Verein „österreichischer Gewerkschaftsbund“ sehen, die Forderung nach „Einführung einer Wirtschaftsverfassung, mit der die Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft sichergestellt und das Zusammenwirken der staatlichen Institutionen und Wirtschaftsverbände geregelt und kontrolliert wird“, klingt schon nach einer Verrechtlichung der Sozialpartnerschaft, wodurch diese einen Großteil ihrer Flexibilität einbüßen würde, die wiederum ihr Wesen ausmacht.

Abgesehen vom Programmatischen taucht folgende Frage auf: Für die Tätigkeit der Sozialpartner im vorparlamentarischen Raum ist die Verschränkung von Verbänden und Parteien eine wesentliche Voraussetzung. Die FPÖ, die in den Verbänden kaum als eigenständige Gruppierung auftritt (das hat nichts mit der Parteizugehörigkeit von Einzelpersonen zu tun!), könnte zwischen den Sozialpartnern paktierten Übereinkommen im Ministerrat Schwierigkeiten bereiten. Wiederholte Einsprüche der FPÖ im Ministerrat würden die SPÖ- FPÖ-Koalition belasten, umgekehrt würde die Umgehung einstimmiger Ministerratsbeschlüsse durch — möglicherweise gemeinsame! — Initiativanträge von SPÖ und ÖVP diese ad absurdum führen.

Belastet wird diese Situation noch zusätzlich durch den Umstand, daß gerade bei der FPÖ — auf Grund bisheriger Erfahrungen — im vorhinein schwer ab schätzbar ist, ob sie in einer bestimmten Situation nun den Arbeitgeber- oder den Arbeitnehmerstandpunkt einnimmt. Die Partei, die sich im Wahlkampf als Mittelstandspartei darstellte, hat sich auch als „natürliche Heimat für die Arbeitnehmer“‘bezeichnet. Ich kann mich noch gut erinnern, daß der FPÖ-Klub im Februar 1979 den ohnehin maximalen Vorschlag der SPÖ für die Arbeiter-Abfertigung noch überbieten wollte — Mittelstandspolitik?

Erinnerlich ist ferner, daß die FPÖ in der Zeit der SPÖ-Minder- heitsregierung gemeinsam mit der ÖVP gegen die SPÖ die völli ge Entsteuerung der Überstunden beschloß, um wenig später gemeinsam mit der SPÖ gegen die ÖVP die Erhöhung des Uberstundenzuschlages für die ersten drei Überstunden von 25 auf 50 Prozent durchzudrücken — Mittelstandspolitik?

Gefahr zu laufen, daß die FPÖ einen Sozialpartnerkonsens einmal zugunsten der Arbeitnehmer, einmal zugunsten der Arbeitgeber in wesentlichen Punkten abändert, können sich die Verbände auf beiden Seiten nicht leisten. Kommt es dazu, würde sich der „vorparlamentarische Raum“ schlagartig leeren. Das muß nicht unbedingt und vor allem nicht gleich Rückwirkungen auf andere Aktionsbereiche der Sozialpartner haben, wie etwa auf die Paritätische Kommission oder auf die diversen Beiräte. ,

Wahrscheinlich sind solche Rückwirkungen aber dennoch, weil „begrenzte Konflikte“ in einem so sensiblen sozio-ökonomi- schen Gefüge nicht möglich sind. Man kann nicht auf der einen Seite Krieg führen und sich zwei Häuser weiter — im wahrsten Sinne des Wortes — auf den sozialen Frieden berufen.

Auftakt zur Instabilität

Denkbar ist, daß Teile der SPÖ einen solchen Funktionsverlust der Sozialpartnerschaft gerne sähen oder doch billigend in Kauf nähmen. Aus der Programmdiskussion der Sozialisten im Frühjahr 1978 sind noch heftige Angriffe auf die Sozialpartnerschaft in Erinnerung. Die distanzierte Einstellung von Sozialminister Alfred Dallinger zur Sozialpartnerschaft ist ein offenes Geheimnis. Sein „Die Unternehmer sind für mich keine Sozialpartner“ ist zwar fast zehn Jahre alt, bleibt aber unvergessen.

Nach dem Abgang Kreiskys, der die verschiedenen Richtungen innerhalb seiner Partei ab- und zuzudecken verstand, ist eine Ideologisierung der SPÖ in Richtung zu mehr Marxismus nicht ausgeschlossen. Diese würde zweifellos zu einer Auseinandersetzung mit den pragmatischen Praktikern der Arbeitnehmerverbände führen. Die Koalition mit der FPÖ wäre dann sicher kein Schutzschild für die Sozialpartnerschaft.

Damit scheint es möglich, daß die Sozialpartnerschaft in einer rot-blauen Koalition vor allem im vorbereitenden Teil der Gesetzgebung von einem Funktionsver- lust bedroht ist. In einer von den ökonomischen Rahmenbedingungen her ohnehin schwieriger werdenden Welt bedeutet aber der Verzicht auf einen leistungsfähigen Problemlösungsmechanismus den Auftakt zu einer Phase der politischen Instabilität.

Der Autor ist Mitarbeiter der Sozialpolitischen Abteilung der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft.

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