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Gespenst verscheucht

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Es war doch etwas mehr als Theaterdonner, was in der letzten Tagen vor Weihnachten über die politische Bühne ging Das in letzter Minute ausgehandelte Kompromiß im großer Rangeln um die Preisregelung und das verständliche allgemeine Aufatmen kann nämlich nicht darüber hinwegtäuschen, daß einfach um einen zu hohen Einsatz gespielt worden ist.

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Es war doch etwas mehr als Theaterdonner, was in der letzten Tagen vor Weihnachten über die politische Bühne ging Das in letzter Minute ausgehandelte Kompromiß im großer Rangeln um die Preisregelung und das verständliche allgemeine Aufatmen kann nämlich nicht darüber hinwegtäuschen, daß einfach um einen zu hohen Einsatz gespielt worden ist.

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Man nur allein an den Agirairbereich dankt — sich nicht einmal dde EWG leisten kann.

Erschreckend ist vor allem die sehr deutlach gewordene Tatsache, daß die Zukunft und der Arbeitserfolg jedes einzelnen Österreichers faktisch vom guten Willen einiger weniger Männer abhängen, die in Wahrheit die Schalthebel der Macht in Händen halten.

Wenn sich diesmal das österreichische Wunder, nämlich der sinnvolle Ausgleich eines tiefgehenden Interessenkonflikts, doch noch vollzogen und damit die Machit der wirklich Mächtigen richtig gebraucht worden ist, 'gibt uns dies keineswegs die Gewißheit, daß dem immer so sein muß.

Wir waren in diesen Tagen konfrontiert mit einer Regierung in manövrierunfähiger Trotzhaltung und einem Parlament, das, zum untätigen Zusehen verurteilt, sich mit Budgetziffern die Zeit vertreiben mußte, während wenige Räume vom Plenum entfernt um das Schicksal von Wirtschaft und Wohlstand gerungen wurde.

Mit welcher leichten Hand hier die gesamte bisherige Basis des Sozial-und Wirtschaftsgefüges in Frage gestellt worden ist, zeigte sich in der Endphaäe dieses Pokers mit fremdem Geld, als gleichsam noch zur Krönung der Konfusion der Sozialpartnerschaft ein Graibgesang angestimmt wurde.

Dies taten keineswegs marxistische Spinner von ganz links, son-dftnn Männer, die über das Ende der Sozialpartnerschaft nicht nur große Worte reden, sondern dieser tatsächlich auch ein rasches Ende beredten können.

Wenn ein sonst die Worte stets sorgfältig zu wählen gewohnter Mann wie Benya, der in Personalunion als Nationalratspräsident und Gewerkschaftschef personifizierte Supermacht ist, über eine Nutzenrechnung der Sozialpartnerschaft am Kulminationspunkt der Krise zu philosophieren beginnt, dann ist dies ein ernstes Krankheitssymptom dieses Instruments. Der Ausspruch, die Arbeitnehmerschaft profitiere von der Sozialpartnerschaft weniger und sie sei für sie daher nicht unbedingt notwendig, war ein echter Paukenschlag. Und so mußte man wohl annehmen, daß die sieben Wirtschaftslenkungsgesetze mit 1. Jänner 1972 der Vergangenheit angehören werdein. Es ist paradox, daß ausgerechnet der auf dem Justamentstähd-punkt eines verstärkten Wirtschafts-dirigisnuus verharrende Bundeskanzler Dr. Kreisky eine Entwicklung gefördert hat, die zunächst zum genauen Gegenteil sedner Zielsetzung geführt hätte.

An die Stelle der sozialen Marktwirtschaft wäre nämlich eine von allen Lenkungsinstrumenten entkleidete absolut freie Wirtschaft getreten, ein Zustand, den — wenn

Verständlich, daß viele Experten für einen solchen Fall das totale Chaos vorhersagten. Höchstwahrscheinlich wäre eine negative Kettenreaktion nicht zu vermeiden gewesen; das Auslaufen der Wirt-schaftslenkungsgesetze hätte den schon genug in Bewegung befindlichen Inflationstendenzen zusätzlichen Auftrieb gegeben und in verschärfte Lahn-Preis-Konflikte gemündet. Vorhersehbar wäre dann das rasche Ende der Sozialpartnerschaft und letztlich auch der Paritätischen Kommission gewesen.

An die Stelle des stets klaglos funktionierenden Krisenmanage-menrts wäre eine sicherlich produktive Krisenkonfliktproduktioh getreten.

Wozu wohl heute, da wir alle vor solchen Dingen bewahrt bleiben, Aktiv dde Kulisse für ein Wirtschafts-draima entwerfen, bei dem am Schluß Wirtschaftszusammenbruch und Arbeitslosigkeit stünden? Um einfach zu zeigen, was hier mit offenkundig leichter Hand alles aufs Spiel gesetzt worden ist?

Es ist symptomatisch für die Zustände in Österreich, daß es die So- • zaalpartner, nicht aber die Regierung und auch nicht das Parlament waren, die dem grausamen Spiel ein rasches Ende bereitet haben. Es ist weiters symptomatisch, daß außer diesen Sozialpartnern keine Macht in diesem Staate die Kraft zur Durchsetzung eines Kompromisses besaß. Und es ist daher nur logisch, daß sich uns letztlich das Parlament nur noch als eine Vollzugsmaschine jener Sozialpartnerschaft erwies, die, auf freiwilliger Basis zustande gekommen, rein rechtlich im Staats-mechaniismus überhaupt nicht existiert.

Die Lösung war aber mehr als die Rettung einer Wirtschaftsordnung durch Sozialpartnerschaft. Sie bedeutete zugleich auch die Rettung der Sozialpartnerschaft selbst, weil diese nur auf der Basis von Freiwilligkeit und Partnergledchheit funk-ionieren kann, ein System, das mit dem geschlossenen Kompromiß in das Jahr 1972 hinübergerettet werden konnte.

Wenn man heute mitunter wieder Stimmen hört, die diesen Erfolg der Sozialpartner auch als Stärkung der Partnerschaft ansehen, dann wird sich diese Meinung schon in naher Zukunft auf ihre Richtigkeit hin überprüfen lassen.

Beachtung verdient im Rückblick der Appell, den der frühere Bauten-minister und Kammieramtsdirektor von Oberösterreich, Dr. Kotzina, Ende November mit der Anregung eines Sallinger-Benya-Abkommens gerichtet hat, wobei Dr. Kotzina nicht vergaß, auf erfolgreiche Vorgängermodelle hinzuweisen. Dr. Kotzina, der aus seiner Präferenz für eine Zusammenarbeit der großen politischen Lager auch in der Zeit der ÖVP-Alleinregierung nde ein Hehl gemacht hat und dem erst kürzlich vom sozialistischen Abgeordneten Pölz für seine frühere Kooperatdons-bereitschaft Anerkennung gezollt worden ist, wurde durch die späteren Vorgänge dm seiner Ansicht voll bestätigt, daß eine Lösung der Krise nur durch die Sozialpartner bewirkt werden könnte.

Benya hat damals ein neues Sozialpartnerabkommen abgelehnt Es wäre vielleicht nicht verwunderlich, Wenn ihn die turbulenten Ereignisse der letzten Tage vor Weihnachten zu einer Revision dieser Ansicht bewegen konnten. Für Österreich könnte ein Ausräumen der bestehenden XVdrtschaftsprobleme im Wege des Interessenausgleichs nur von Nutzen sein.

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