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Politisierung der Sozialpartnerschaft?

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Mitte September wurde Anton Benya vom ÖGB-Bundeskongreß neuerlich zum Vorsitzenden des Gewerkschaftsbundes gewählt, Mitte November trat Adolf Czettel die Nachfolge von Wilhelm Hrdlitschka im Präsidium der Wiener Arbeiterkammer und damit auch als Präsident des österreichischen Arbeiterkammertages an und in der letzten November-Dekade fanden die Wahlen in der Handelskammerorganisation ihren Abschluß durch die Wahl von Rudolf Sallinger zum Präsidenten der Bundeswirtschaftskammer. Zwischen der Wahl Anton Benyas und der von Rudolf Sallinger lag die Nationalratswahl, deren Ergebnis unter anderem auch klarmachte, daß die Sozialpartnerschaft auch in den nächsten vier Jahren durch ein Zusammenspiel der Parteien nicht abgesichert sein wird. Daraus resultierten während der Zeit der ÖVP-Al-leinregierung Situationen, die das Verhältnis Kreisky—Benya und während der SPÖ-Alleinregierung das Verhältnis Kreisky—Sozialpartner insgesamt zeitweise sehr stark belasteten.

Heute dagegen scheint es so, als wäre das Verhältnis Kreisky—Benya völlig friktionsfrei. Das stimmt insofern, als die beiden Kontrahenten früherer Tage vor einer vollendeten Karriere stehen: der eine als Bundeskanzler und Parteivorsitzender, der andere als ÖGB- und Nationalratspräsident. Beiden ist es unmöglich, ihren Einfluß innerhalb der Partei und Regierung weiter zu vergrößern, beide haben sehr ähnliche Vorstellungen über die Person des Nachfolgers von Bruno Kreisky in Partei und Regierung: Hannes Androsch. Die gemeinsame Reise von Anton Benya und Bürgermeister Leopold Gratz nach Israel sollte wohl die Präferenz des ÖGB-Präsldenten ein wenig verdecken. Entscheidend für dieses Verhalten dürfte das in sozialistischen Kreisen Wohlverstandene Denken in Faustpfändern sein. Auch der Beitrag Anton Benyas im Molden-Buch „Die Ära Kreisky“ läßt ahnen, daß der innenpolitische Journalismus in Österreich für die nächsten Jahre ein gern beschriebenes Thema verloren hat: das der Spannungen zwischen Benya und Kreisky. „Im Leben eines politischen Gegners“, schreibt Benya, „wäre es der schönste Tag, zu erreichen, die Sozialistische Partei und die sozialistischen Gewerkschafter zu Gegnern zu machen. Daraus abgeleitet aber hat man immer wieder versucht, zwischen Kreisky und mir Spannungen, Rivalität, ja sogar Abneigung zu konstruieren.“

So war es nicht, so ist es nicht, so wird es nie sein, meint Benya, der es sich freilich nicht verkneifen kann, darauf hinzuweisen, daß 1966 im parteiinternen Streit über eine Koalition mit der ÖVP er und die Gewerkschafter sich gegen die Auffassung

Kreiskys durchgesetzt haben. Zu Beginn der letzten Legislaturperiode fühlte sich Bundeskanzler Kreisky einige Male von den Sozialpartnern in wirtschaftspolitischen Fragen überspielt. Später, als die Hochkonjunktur auslief und immer mehr Krisensignale aufleuchteten, lernte er die Vorteile dieser spezifisch österreichischen Situation kennen und schätzen: die Diversifizierung der Verantwortung in wirt-schaftspolitischen Fragen.

Der neue Parteiobmann der ÖVP, Josef Taus, versucht nun, diesen aus oppositioneller Sicht problematischen Regelkreis zu durchbrechen. In einem Gipfelgespräch mit Kreisky und Peter schlug er vor einiger Zeit vor, daß auch Vertreter der Parteien an der in jedem Vierteljahr stattfindenden „Wirtschaftspolitö-schen Aussprache“, der Bundeskanzler Kreisky vorsitzt, teilnehmen sollen. Aus der Sicht der Handelskammerorganisation ist dieser Vorschlag bzw. dessen Verwirklichung nicht ungefährlich, weil er darauf hinausläuft, die Sozialpartnerschaft mit parteipolitischen Inhalten aufzufüllen.

Wie es heißt, soll Bundeskanzler Kreisky grundsätzliche Bereitschaft für die Realisierung des Vorschlags von Josef Taus angedeutet haben. Wahrscheinlich sieht er darin die Chance, die ÖVP als Gesamtpartei in den Entscheidungsprozeß der Sozialpartner so einzuspannen, daß sie auf der Lohn- und Preisseite voll Mitverantwortung trägt Bislang gilt das allein für die Vertreter der Handels-kammerorganisation, die zumeist auch Funktionäre des ÖVP-Wirt-schaftsbundes sind.

Es Ist nicht auszuschließen, daß sich die Vertreter der Sozialpartnerschaft gegen diesen Vorschlag auch dann aussprechen werden, wenn ihn die Obleute beider Großparteien gemeinsam vorbringen, weil sie an einer weiteren Politisierung dieses Gremiums nicht interessiert sein können.

Am Beispiel der Behandlung der auslaufenden Wirtschaftsgesetze wird die Sozialpartnerschaft schon in den nächsten Tagen und Wochen großen Belastungen ausgesetzt sein. Einschlägig befaßte Regierungsmitglieder — Handelsminister Stariba-eher, Landwirtschaftsminister Weihs — haben einfach-gesetzliche Ersatzvorschläge für die Materie der Wirtschaftsgesetze ausgedacht, sehr weit von den bisherigen Vorstellungen beider Sozialpartner abweichend. Auf diese Weise will die Regierung den Sozialpartnern lehren, wer der Herr im Hause Österreich ist und der Opposition gleichzeitig zeigen, daß sie sich darauf versteht, politisch uneinnehmbare (verfassungsgesetzliche) Bastionen zu passieren. Besonders schmerzvoll wäre dies für die Landwirtschaft, deren Vertreter in der Sozialpartnerschaft ohnedies nur die dritte Geige spielen. Ihnen will Bundeskanzler Kreisky offensichtlich zeigen, daß er nicht länger bereit ist, für eine soziale Gruppe Politik zu machen, die seine Partei dann nicht wählt. Die Frage ist allerdings nicht allein, ob sich die Sozialpartner das gefallen .lassen, sondern ob das die Sozialpartnerschaft aushält.

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