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Überrundeter Programmierer

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Um den Diskussionsentwurf des sozialistischen Wirtschaftsproprogramms ist es still geworden — abgesehen von Pflichtquerschüssen der einzelnen Gruppen in der SPÖ im theoretischen Organ „Zukunft“. Nach anfänglicher Begeisterung über die Kreisky-Initiative zur Erstellung einer Alternative zum Regierungskonzept ist die Stimmung unter den sozialistischen Funktionären eher flau geworden; denn: sie fühlen sich durch den in Broschürenform zum kurzfristigen Bestseller gewordenen Koren-Plan überrundet, zumal dem unausdiskutierten SPÖ-Konzept bereits erste Taten als Verwirklichung des Regierungskonzeptes gegenüberstehen.

Dürfte der Diskussionsentwurf des SPÖ-Programms seinem Initiator Dr. Kreisky auch nicht zum Waterloo werden, so dürfte sein Image doch durch den nun auch vermehrt in sozialistischen Kreisen entstehenden Eindruck eines politisch überrundeten Programmierers angeknackst werden.

Was sind nun die Hauptargumente, welche das sozialistische Parteivolk dem parteieigenen Konzeptsentwurf so kritisch gegenüberstehen läßt? Hier geben vor allem Diskussionen Aufschluß, welche von der sozialistischen Gewerkschaftsfraktion laufend über das Konzept abgehalten werden. Vor allem die praktisch denkende Jugend der Gewerkschaftslinken hat hier große Bedenken. Dies besonders deshalb, weil ihrer Meinung nach der Kreisky-Entwurf in seiner gegenwärtigen Grundkonzeption nicht realisierbar ist. Bei der Formulierung der Forderungen des Konzepts in Gesetzestexte dürfte sich, so meinen sie, nämlich herausstellen, daß viele von ihnen ohne Verfassungsbestimmungen nicht zu verwirklichen sind. Sind die jungen SPÖ-Gewerkschafter in Prognosen für den Wahlausgang 1970 nicht kleinlich, eine Zweidrittelmehrheit für die SPÖ erscheint auch ihnen mehr als unrealistisch. Zum Koren- Plan meinen sie, daß er im Gegensatz zum SPÖ-Entwurf auch in einer Koalition zu verwirklichen sei.

Von den SPÖ-Sektionen, in welchen nun der Entwurf laut Parteibeschluß diskutiert werden soll, hört man ebenfalls ablehnende Stimmen: Der Entwurf sei zu kompliziert und die unteren Funktionäre stünden ihm deshalb mißtrauisch gegenüber.

Aber nicht nur Gewerkschaftsjugend und Sektionsobmänner tendieren zum Kjoren-Plan auch der Gewerkschaftsbund selbst versucht eine Politik der Annäherung. Nachdem ÖGB-Präsident Benyawiederholt betont hatte, der Gewerkschaftsbund sei zur Mitarbeit an einem Wirtschaftsprogramm bereit, wobei er sich auch durchaus positiv über den Koren-Plan äußerte, versucht er nun seine Bestrebungen über die überbetriebliche Mitbestimmung der Gewerkschafter nicht über das SPÖ-Konzept, sondern über das Wirtschaftskonzept der Bundesregierung in die Wirklichkeit umzusetzen. Der Koren-Plan sieht unter anderem zur Investitionsfinanzierung die Gründung einer Investitionsbank vor, welche Kredite über zehn Millionen Schilling für Betriebsneugründungen und große Produktionsumstellungen vergeben soll.

Bei dieser wichtigen Schlüsselstelle der künftigen wirtschaftspolitischen Praxis will sich der ÖGB nun „einkaufen“. Präsident Benya forderte offiziell einen der drei in diesem neuen Institut vorgesehenen Vorstandsposten für den ÖGB. In der Regierungspartei scheint man diesem Wunsch nicht ablehnend gegenüberzustehen. Vor allem Bundeskanzler Dr. Klaus und Vizekanzler Dr. Withalm, die stets für ein verstärktes Heranziehen der Gewerkschaften in wirtschaftspolitischen Angelegenheiten eintraten, dürften von der Ehrlichkeit des ÖGB- Angebotes überzeugt sein und nicht befürchten, daß der dann entsandte ÖGB-Vertreter den Vorstandssitz zur Heokenschützenposition ausbauen wird. Trotz der Haltung Präsident Benyas wird es bei der Entscheidung über eine ÖGB-Beteiligung in der Geschäftsführung der Investbank von ausschlaggebender Bedeutung sein, ob es dem ÖGB gelingt, einen

Mann mit dem Ruf der Sachlichkeit auf diesen Posten zu entsenden.

Der Gewerkschaftsbund steht als große Gruppe der SPÖ nicht allein mit seiner Ansicht, daß man das SPÖ-Programm zwar diskutieren, aber im Warten darauf nicht versäumen sollte, die Gelegenheit des Koren-Plans zu nützen. Auch von anderen SPÖ-Teilen wird in letzter Zeit immer stärker der theoretische Charakter des eigenen Diskussionsentwurfes in den Vordergrund gestellt.

Die konträren Stellungnahmen vor allem der äußersten SPÖ-Linken unter Czernetz und der Zentralisten unter Probst runden das Bild der parteiinternen Wertschätzung für das SPÖ-Konzept ab: Czernetz wittert hinter dem unter der Führung Kreiskys erstellten Entwurf den Versuch des Parteivorsitzenden, Österreichs Sozialisten auf den Kurs der gemäßigten schwedischen Genossen zu drängen und den Ballast der Marxschen Klassenkampftheorie über Bord zu werfen. Als geschickter Taktik wendet sieh Czernetz selbst nicht direkt gegen den Entwurf, sondern erklärt lediglich, daß durch den Entwurf die Voraussetzungen geschaffen werden können, von denen aus die SPÖ erst die sozialistischen Traumziele der klassenlosen Gesellschaft und der weiteren Verstaatlichung der Produktionsmittel in Angriff nehmen müsse.

Während für den linken Flügelmann Czernetz der SPÖ-Entwurf also nichts anderes als ein trojanisches Pferd ist, mit dem die SPÖ unter Vortäuschung anderer Ziele an die Macht will, sträuben sich die Zentralisten und Traditionalisten Wiener Prägung um Proibst gegen die Unverfrorenheit, mit welcher Kreiskys junge Ökonomen Österreichs Wirtschaft so erschreckend rasch umkrempeln wollen. Besonders der Plan des Investivlohnes erscheint dem Zentralsekretär eher suspekt.

In politischen Kreisen ist man der Ansicht, daß dem SPÖ-Konzept nach einer über den Sommer geführten Sparflammendiskussion auf dem Herbstparteitag und unmittelbar davor noch schwere Stunden bevorstehen. Man hält die Position des Konzeptinitiators Kreisky in seiner Partei für nicht so stark, daß er es verhindern könnte, daß man ihm weiter Parteiwasser in seinen Konzeptwein gießt.

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