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Keine Grausamkeiten..

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Die Parlamentsdebatte über die Regierungserklärung beuHes, daß es auf das Verhandlungsgeschick von Bundeskanzler Dr. Kreisky ankommen wird, wie lange sich die SPÖ-Minderheitsregierung im Sattel hält. Faßt man nämlich den Eindruck der Parlamentsdebatte, soweit sie das Fernsehen life übertrug, zusammen, so stand das Ergebnis 2:0 für die parlamentarische Opposition. Die beiden ersten Redner der Großparteien, Dr. Pittermann und Dr. Wit-halm, hielten sich noch die Waage, das heißt, sie waren schwächer als in früheren Zeiten; Withalm aus Gesundheitsgründen, Pittermann, weil er besser angreifen als verteidigen kann. Den beiden anderen Rednern der ÖVP, Dr. Schleimer und Doktor Koren, hatte die SPÖ keine gleichwertigen Kontrahenten entgegenzusetzen. Schleimer wirkte zwar ruhig und verzichtete auf scharfe Attak-ken, ließ jedoch keinen Zweifel aufkommen, daß die Regierung mit ihm in der Opposition zu rechnen haben wird.

Die klassische Oppositionsrede hielt ■ Dr. Koren. Sie hätte jedem Parlament zur Ehre gereicht. Der ehemalige Finanzminister spielte alle Variationen durch, von der Ironie bis zum Zynismus, ohne jedoch den guten Geschmack zu verletzen, vom Lobpreis der eigenen Leistung bis zur Warnung vor den gegnerischen Illusionen. Sein Satz vom Astronautenteam, dem bald die Luft auszugehen droht, kann zu einem Slogan der künftigen ÖVP-Propaganda werden. Koren gelang es meister- , haft, die Leistung der ÖVP in den vergangenen vier Jahren als ebenso , solid wie richtunggebend hinzustel- ( len. Keine Regierung habe, so meinte , er, ihrer Nachfolgerin ein so gut be- , steütes Hatis übergeben wie die ab- j getretene. Der Gediegenheit der j ÖVP-Politik stellte er die Illusions- f Politik der SPÖ gegenüber. ,

Koren traf mit seinen Darlegungen c die Sozialisten empfindlich, denn j gleich nach seiner Rede meldete sich I Kreisky zu Wort, um mit seinen <&#9632; Ausführungen den Eindruck dei Koren-Rede abzuschwächen. Nur wirkt Kreisky in erster Linie all Persönlichkeit. Im Gespräch ist ei wesentlich überzeugender denn als Redner, noch dazu, wenn er aus dem Stegreif spricht, während Korens Rede ein wohlvorbereitetes Konzept mit funkelnden Pointen zugrunde lag. Durch seine Wortmeldung setzte Kreisky den nächsten Redner seiner Partei, den Abgeordneten Czernetz, zeitlich zurück, obwohl er als einziger von Seiten der Sozialisten Koren dialektisch gewachsen war. Ihm gelang es auch bereits in den ersten fünf Minuten, die Solidität des ÖVP-Erbes ein wenig zu erschüttern, doch mitten in den Ausführungen von Czernetz brach die Fernsehsendung aus dem Parlament ab, weil irgendeine Märchentante für Kinder und Kleinstkinder an der Reihe war und der Jugend zweifellos der Vorrang einzuräumen ist. Auch sind die für sie bestimmten Märchen harmloser, wenn auch nicht ganz so amüsant wie die der Großen, noch dazu, wenn sie im Hohen Hause dargeboten werden.

Verhältnismäßig gut schnitten auch die beiden Redner der kleinen Opposition ab. Ihr Obmann. Friedrich Peter, hatte es nicht leicht. Es war ein kleiner Eiertanz, den er aufführen mußte, hatte doch seine Partei im Wahlkampf versprochen, daß sie den sozialistischen Bundeskanzler verhindern werde. Er zog sich jedoch mit Anstand aus der Affäre und schmückte, nach dem Vorbild des Bundeskanzlers, seine Rede mit Zitaten, allerdings aus der deutschen und nicht, wie Kreisky, aus der englischen Literatur.

Der zweite Redner der FPÖ, Gustav Zeillinger, einer der wenigen Abgeordneten im Parlament, der die freie Rede beherrscht, ging schon ins Detail und legte eine Art Stufenplan dar, zu dessen Durchführung die Regierung mit der Unterstützung der Freiheitlichen rechnen könne. Auf dem Gebiet der Justiz- und Wehrreform braucht die Regierung Kreisky keine Sorge zu haben, gestürzt zu werden. Hier scheint das Zusammengehen von SPÖ und FPÖ bereits perfekt zu sein. Es war vor allem der Justizminister, den Zeillinger ansprach, und Dr. Broda zeigte sich sehr geschmeichelt und angetan, was Zeillinger wahrscheinlich eine Rüge in der „Nationalzei-iung“ einbringen wird. Doch: zwanzig Rügen in der Nationalzeitung, und die FPÖ ist für die SPÖ koalitionswürdig!

Überaus negativ reagierten die FPÖ-Sprecher auch auf den Hinweis eines ÖVP-Redners vom Damoklesschwert, das an einem seidenen Faden hängt und über dem Haupt der Regierung schwebt. Die Ablehnung galt nicht dem seidenen Faden', weil das Schwert, das über dem Haupt des armen Damokles hing, bekanntlich an einem Pferdehaar befestigt war, sondern dem Bündnisangebot der ÖVP, da ja nur beide gemeinsam den Faden, um beim falschen Bild zu bleiben, abzuschneiden in der Loge sind. Vielleicht ist auch die FPÖ bereits zu sehr vom Humanprogramm der SPÖ angetan, so daß sie solche grausame Methoden ablehnt, wie sie Dionysios I. von Syrakus anwendete, der außerdem noch ein Tyrann war. Wie konnte auch die ÖVP so rückfällig werden, obwohl sie doch wissen müßte, mit welch Riesenschritten unser Land unter Führung der SPÖ der Volldemokratisierung entgegeneilt!

Die beiden Hauptredner der SPÖ, Kurl Sekanina und Dr. Weihs, waren weder der Brillanz der Korenschen loch der Klarheit der Schleinzer-tchen Ausführungen gewachsen. Der Präsident des Gewerkschaftsbundes, Anton Benya, hatte es schwer, den anwesenden Bundespräsidenten gegen die Vorwürfe der Opposition zu verteidigen. Die besten Redner der SPÖ, von Czernetz und Pittermann abgesehen, die aber dieses Mal bei weitem nicht ihre Höchstform erreichten, saßen als Minister auf der Regierungsbank: Grätz, Häuser, Staribacher und Androsch. Es wird nicht leicht für die SPÖ sein, dem Ansturm der Oppositionsredner standzuhalten. Wichtiger und erfolgreicher als die Redekunst seiner Parlamentarier wird Kreiskys Verhandlungsgeschick sein. Mag seine Mannschaft auch bei den Redeschlachten 0:2 verlieren, bei der Abstimmung wird es für längere Zeit 2:1 und oftmals sogar 3:0 heißen.

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