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Komplizierter Sieg

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„Der Starke ist am mächtigsten aHein“ — für Dr. Kreisky, den großen Sieger vom 1. März, gilt dies nicht. Allein war er lediglich im Wahlkampf — als Reisender für einen demokratischen Sozialismus seines Zuschnitts. Heute ist er umgeben von Ressentiments, zahlreichen „Siegern“ und notwendigerweise auch einer österreichischen Volkspartei, die ihn vorerst zappeln lassen will, ehe sie sich —wenn überhaupt — ins Koalitionsbett legt. Das macht Kreiskys Sieg so kompliziert; ob er dadurch auch reduziert wird, dürfte in erster Linie von Keiskys Verhandlungsgeschick innerhalb und außerhalb seiner Partei abhängen.

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„Der Starke ist am mächtigsten aHein“ — für Dr. Kreisky, den großen Sieger vom 1. März, gilt dies nicht. Allein war er lediglich im Wahlkampf — als Reisender für einen demokratischen Sozialismus seines Zuschnitts. Heute ist er umgeben von Ressentiments, zahlreichen „Siegern“ und notwendigerweise auch einer österreichischen Volkspartei, die ihn vorerst zappeln lassen will, ehe sie sich —wenn überhaupt — ins Koalitionsbett legt. Das macht Kreiskys Sieg so kompliziert; ob er dadurch auch reduziert wird, dürfte in erster Linie von Keiskys Verhandlungsgeschick innerhalb und außerhalb seiner Partei abhängen.

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Mit Ressentiments müßte Doktor Kreisky, will er in der nächsten Regierung ein starker Bundeskanzler sein, selbst fertig werden. Noch wird er nicht müde, sieh vor politischen Freunden und Gegnern als „rehabilitierter Verfolgter“ auszugeben. Als einen Maon, der es dennoch schaffte, in Österreich Bundeskanzler zu werden. Es wäre sehr zu hoffen, daß Dr. Kreisky bald erkennt, daß er nicht „weil“ oder „obwohl“ so großen Zuspruch am 1. März fand, sondern einfach deshalb, weil er glaubhaft versichern konnte,.daß sich die SPÖ von einer Klassenpartei zu einer pragmatischen Partei mit akzeptierbarem Programm gemausert habe. Den Beweis für die“ Richtigkeit seiner Versicherung wird er in den nächsten Jahren liefern müssen. Bleibt er ihn schuldig, dann sind die österreichischen Sozialisten wieder genau dort, wo sie im März 1966 standen.

Zuvor freilich, wird Kreisky jenen hohen sozialistischen Funktionären, die aus vielerlei Gründen seinen politischen Absichten im Wege stehen, entweder die Plätze an den Schalthebeln der innerparteilichen Macht streitig zu machen, ihnen jedenfalls aber den Weg, zu den Schalthebeln der Regierungsmacht

zu versperren haben. Der Leute, die das betrifft, gibt es in der SPÖ viele: der 65jährige Dr. Pittermann ist da noch das einfachste Problem. Schwieriger dürfte es mit Czernetz, Doktor Broda, Probst, Slavik, Ulbrich, Weik-hart, selbst mit Ing. Häuser und einigen neuen Männern in der SP-Na-tionalratsmannschaft, wie etwa dem Wiener Parteisekretär Nittel und dem Kärntner Kerstnig werden. Dazu kommen, als „Machtbürokratien“, der Wiener SPÖ-Parteiapparat und der Gewerkschaftsbund Anton Ben-yas. Sie alle standen bestenfalls in der , Wahlnacht des sozialistischen Sieges bedingungslos 'hinter Kreisky. In der Routine'des täglichen politischen Kleinkrams werden sie allesamt von Fall zu Fäll jene Politik machen, auf die sie eingeschworen sind: eine andere also als die Politik Kreiskys.

Vorerst richten sie ihre Augen auf Kreiskys Verhandlungsgeschick bei der Regierungsbildung: Dr. Veselsky meldet ältere Rechte als Doktor Androsch auf das Finanzministerium an, Dr. Firnberg gibt schon jetzt in der „Arbeiter-Zeitung“ Erklärungen als künftige Frau Gesundheitsminister ab, Häuser fühlt sich schon als Sozialminister, die Kärntner haben bereits einen Regierungssitz bean-

tragt, Dr. Broda erzählt jedermann, wie er in den nächsten Jahren die Sträfrechtsareform im Justizministerium „durchziehen“ möchte, Mondl und Preussler streiten schon um das Verteidigungsministerium, kurzum: der Kampf um die Positionen hat begonnen, noch ehe die Parteienverhandlungen über die Bildung einer neuen Regierung richtig angelaufen sind.

Bloß Ing. Wald brunner und Probst scheinen von den Versprechungen Kreiskys vorerst befriedigt: der eine wird Erster Präsident des Nationalrates, der andere sein Dritter Präsident werden.

Im Hintergrund des Positionsrangeins wartet Anton Benya. Ihm dürfte der Wahlsieg der Sozialistischen Partei geteilte Freude bereiten, denn erstmals wird ein sozialistischer Gewerkschaftsbundpräsident gegen einen sozialistischen Bundeskanzler und eventuell einen sozialistischen Finanzminister Forderungen durchdrücken müssen. Bislang war es leichtes Spiel, gewisse Stimmungen In den Betrieben mit dem Hinweis auf die Machtpositionen der „Kapitalisten“ niederzuargumentie-ren. Nun ist die Situation für Benya wesentlich schwieriger. Da nach sozialistischer Lesart stets der Bundeskanzler die Hauptverantwortung für steigende Preise und gleichbleibende Löhne trägt, dürfte hier in nächster Zeit ein recht interessantes Kräftemessen zwischen dem sozialistischen ÖGB-Präsidenten und Doktor Kreisky stattfinden. Pikant dürfte die Angelegenheit dann werden, wenn auch ein sozialistischer Finanz-minister — etwa Dr. Veselsky von der Arbeiterkammer — daran teilnehmen muß.

Der Sieger Dr. Kreisky ist um seinen Sieg nicht zu beneiden. Dann erst recht nicht, wenn ihm eine wiedererstarkte Volkspartei (und Chancen hierfür hat sie bereits bei einigen Wahlen in der nächsten Zeit) droht, Konsequenzen aus einer schwerfälligen sozialistischen Regierungsführung zu ziehen. Denn dazu bieten schon die nächsten Budgetverhand-lumigen Gelegenheit.

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