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Haie und kleine Fische

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„Gibt es ein sozialistisches Management?“ — so fragte jüngst die „Arbeiter-Zeitung“. Ja, das gibt es. Und es wächst. Es wächst in der Bundesverwaltung und es wächst im Bereich der öffentlichen Unternehmungen. Das eine Mal sind es Haie, das andere Mal kleine Fische, die die Bundesregierung an Positionen für die Regierungspartei an Land zieht. 1

Dieser Tage wurde es zur Gewißheit, daß ein Sozialist neuer Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit als Nachfolger von Sektionschef

Oswald Peterlunger wird. Damit gehören „innere“ und „äußere“ Sicherheit sowohl auf politischer als auch auf der Beamten-Ebene in die Einflußsphäre der Sozialistischen Partei: das Heer und die Polizei, der Polizeipräsident der Bundeshauptstadt ebenso wie die Staatspolizei, an der noch vor sechs Jahren die oppositionelle SPÖ soviel auszusetzen hatte und an der sie heute so großen Gefallen findet. Das ist schon ein großer Machtapparat in einem demokratischen Staatswesen. In wenigen Wochen dürfte Bundes-

Präsident Kirchschläger über Vorschlag der Bundesregierung den sozialistischen Staranwalt Wilhelm Rosenzweig zum Vizepräsidenten des Verfassungsgerichtshofes ernennen. Mit dieser Ernennung werden die Weichen für die Zukunft des Verfassungsgerichtshofes gestellt, wenn nämlich auf Verfassungsgerichtshofpräsident Antondolli der politisch unprofilierte Professor Melichar folgen dürfte. Wie politisch wichtig die Entscheidungselastizität des Verfassungsgerichtshofes sein kann, wird schon in wenigen Wochen die Diskussion um die Marktordnungsgesetze zeigen. In der Frage der Fristenlösung zeigte der Verfassungsgerichtshof — anders als das deutsche Verfassungsgericht — bereits Verständnis für die SPÖ-Argumentation.

Als' Bundesparteiobmann Josef Taus in den Nationalrat einzog, hieß es für ihn zugleich, vom ÖIAG-Auf-sichtsrat als Vorsitzender Abschied nehmen. Sein Nachfolger wurde der Sozialist Karl Kölliker.

„Die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung“, sagte jüngst VP-Ob-mann Taus, „besteht im Kassieren von Posten“. Nach der Nationalratswahl wurde bei Simmering-Graz-Pauker der ÖVP-nahe Generaldirektor Zach durch einen Sozialisten ersetzt. An der Spitze der Postspar*-kasse werden mit Beginn 1976 zwei Sozialisten als Gouverneur und zweiter Vizegouverneur (Kurt Nößlinger und Brutto Tichy) einem Mitglied der Volkspartei gegenüberstehen. Vor dem 5. Oktober war das Verhältnis seitenverkehrt.

Nun läuft auch schon eine sehr heiße Diskussion um die Besetzung Von Positionen in der größten Bank Österreichs, der Oreditanstalt-Bank-verein. Die Sozialisten drohen hinter verhaltener Hand mit einer vorzeitigen Pensionierung des derzeitigen CA-Generaldirektors Helmut Treichl, unter dessen Führung die Creditan-stalt ein imposantes Wachstum erreichte. Josef Taus glaubt zwar nicht, daß die SPÖ hier einen Angriff starten wird, fürchtet freilich, daß sich die Sozialisten bei den Besetzungsverhandlungen andere Positionen gegen den Verbleib Treichls“ „einhandeln“ wollen. Das gilt weniger für den Bankvorstand und -Aufsichtsrat als für einige der großen einflüßreichen Konzernbetriebe der Creditan-stalt-BankVerein.

Der Parteiproporz bei der Besetzung von Führungspositionen in der Verwaltung, der halbstaatlichen und staatlichen Wirtschaft ist nicht nur ein politisches, sondern auch ein wirtschaftliches Übel.

In den ersten Jahren behalf sich die Regierung Kreisky allerdings mit sogenannten „Blutgruppe-Null“-Angehörigen. Dabei wurde sowohl bei Verteidigungsminister Lütgendorf wie bei ÖIAG-Vorstandsvorsit-zendem Franz Geist in erster Linie auf die Attraktivität der Gewählten für politische Randschichten geachtet. Allerdings blieben die personellen Maßnahmen der ersten beiden Kabinette Kreiskys nur Scheinmaßnahmen zum Abbau des Proporzes, denn letztlich blieben die Erkorenen vom Wohlwollen der Parteiinstanzen abhängig. Nunmehr sollen parteinahe Persönlichkeiten aufrücken.

Schließlich hat allerdings die Personalpolitik des Wissenschaftsministeriums an den österreichischen Universitäten bei den letzten Personalvertretungswahlen .gezeigt, daß das zu Ergebnissen führen kann, die nicht einmal im Interesse der Sozialistischen Partei liegen: zu einem unverhältnismäßig hohen Anteil des kommunistischen Linksblocks. Wenn man heute diese Entwicklung kritisiert, wehren sich Kommunisten wie Sozialisten in merkwürdiger Einigkeit. Daß erstere damit eine Entwicklung fördern wollen, liegt auf der Hand, ob aber letztere auf diese Weise alles, was links von der Mitte und selbst links vom linken Flügel der SPÖ. Steht, tolerieren wollen, ist noch ungeklärt.

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