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Die Qualifikation der Parteibücher

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Es müssen nicht gleich Köpfe rollen, wenn ein Minister die Beamtenschaft auf seine Seite ziehen will. Durch sanften Druck hat die SPÖ in 16 Jahren auch viel erreicht.

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Es müssen nicht gleich Köpfe rollen, wenn ein Minister die Beamtenschaft auf seine Seite ziehen will. Durch sanften Druck hat die SPÖ in 16 Jahren auch viel erreicht.

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Als die ÖVP 1966 die Alleinregierung übernahm, fürchteten die Sozialisten um ihre Vorherrschaft in den bisher von ihnen geführten Ministerien. Damals drohte Bruno Kreisky: „Wir werden jeden einzelnen, der politisch verfolgt wird, im Parlament nennen, und wenn wir Stunden um Stunden Listen verlesen.“

Es wurden keine Listen verlesen, trotz spürbarer Widerstände in manchen Ministerien hielt man sich an die Parole von Bundeskanzler Josef Klaus, nach der in den Reihen der Beamten keine Köpfe rollen dürfen.

Auch die SPO ließ keine Köpfe rollen, aber sie verstand es meisterhaft, die 17 Jahre ihrer Regierungsverantwortung zum Ausbau ihrer Macht in allen Ministerien zu nutzen. Vom verstorbenen SPÖ-Abgeordneten Karl Czer- netz stammt der Ausspruch: „Zur Durchführung des Sozialismus brauchen wir die ganze Macht Wir brauchen daher die Regierung, die Verwaltung und die Beamten.“

Zur Gewinnung der Beamten dienten Versprechungen ebenso wie Einschüchterungen. Ideologische Bedenken gab es dabei nicht. So fanden zum Beispiel schon äm Montag nach der von der ÖVP verlorenen Wahl 1970 nichtsozia- listische Spitzenbeamte des Sozialministeriums auf ihrem Schreibtisch die Beitrittserklärung zum „Bund Sozialistischer Akademiker“ (BSA) vor. Da war kein Zwang, aber jeder verstand, was die Voraussetzung für ein berufliches Vorwärtskommen war.

Von größter Bedeutung aber waren umfassende Verwaltungsmaßnahmen. Die Beamtenhierarchie gliedert sich, von oben nach unten, in Sektionen, Gruppen, Abteilungen und Referate.

In einer Untersuchung der Politischen Akademie der ÖVP über die „sozialistische Personalpolitik 1970 bis 1986“ wird ein in der Geschichte der Zweiten Republik einzigartiges Wachstum der Zahl aller dieser Organisationseinheiten aufgezeigt: sie stieg von 546 zur Zeit der ÖVP-Alleinregierung auf nicht weniger als 1.119 bis zum Jahre 1985 (siehe Kasten „Die Aufblähung der Bundesverwal tung“).

Dementsprechend vermehrte sich die Zahl der Spitzenbeamten um nahezu 19 Prozent, während in den untergeordneten Dienststellen nur eine Zunahme von nicht einmal neun Prozent zu verzeichnen war.

In der Untersuchung heißt es, „daß sich die parteipolitisch ausgerichtete Personalpolitik in erster Linie auf die Führungspositionen in den Zentralstellen konzentriert. Wenn hier die Weichen in die richtige Richtung gestellt sind, können die nachgeordneten Dienststellen davon ohnehin nicht abweichen.“

Das erwähnte Wachstum der Organisationseinheiten läßt sich nur zum geringen Teil aus der Schaffung neuer Ministerien und Staatssekretariate erklären. Die Schaffung neuer und die Zellteilung bestehender Sektionen, Gruppen, Abteilungen und Referate waren ein Mittel, den zahlreichen karrierefreudigen Sozialisten Führungspositionen zu verschaffen, ohne sich mit dem Makel zu belasten, einen nichtsozialistischen Beamten zu verdrängen und materiell zu schädigen, wohl aber hatte der Steuerzahler den Schaden, der für die stetig wachsenden Personalkosten aufkom- men muß.

Die konsequente Personalpolitik der SPÖ-Alleinregierung und der rot-blauen Koalitionsregierung führte zu einer radikalen Einfärbung.in Rot und Blau bei den Spitzenpositionen aller Ministerien. Diese Politik wurde 1986 noch verstärkt, als alle Meinungsumfragen eine politische Wende erwarten ließen.

In den einst schwarzen Hochburgendes Landwirtschafts- und des Handelsministeriums gibt es keinen, im Unterrichtsministerium noch einen einzigen Sektionschef, der nicht der SPÖ zuzurechnen ist. Unterrichtsminister Herbert Moritz änderte noch 1986 die Geschäftsordnung, um 13 neue Gruppen, Abteilungen und Referate schaffen zu können, von denen zehn mit Sozialisten besetzt wurden.

Nach der für die SPÖ verlorengegangenen Bundespräsidentenwahl ernannte Landwirtschaftsminister Günter Haiden noch rasch acht Sozialisten zu Abteilungsleiter-Stellvertretern.

Fast lupenrein rot präsentiert sich unter Alfred Dallinger das Sozialministerium, wo unter den rund 500 Bediensteten nur mehr 14 der ÖVP-Fraktion in der Gewerkschaft angehören.

Mit sorgendem Blick auf die Zukunft leitete Minister Dallinger noch im Herbst 1986 die Pensionierung von sieben der neun Leiter der Landesarbeitsämter in die Wege, um sie ausnahmslos wieder mit Sozialisten zu besetzen; wenn der 41jährige Anwärter auf den Leiterposten im schwarzen Niederösterreich mit 65 Jahren in Pension geht, wird man das Jahr 2011 schreiben.

Mit der Einfärbung der Planstellen in den letzten Jahren zu nehmend auch in Rot und Blau hat es noch lang nicht sein Bewenden. Kam die ÖVP-Regierung 1966 noch mit insgesamt 36 persönlichen Referenten aus, so zählt man 1985 deren 143. Dazu kommen noch rund weitere 100 Helfer der Minister auf Grund verschiedener Verwendungskonstruktionen, Konsulenten- und Leihverträge. So werkten im Ministerbüro Friedhelm Frischenschlager nicht weniger als 24 blaue Helfer...

Besonders auffallend ist der Wildwuchs an persönlichen Referenten im seit eh und je rot dominierten Sozialministerium. Als es 1966 auch noch die Gesundheitskompetenzen wahrnahm, genügten der damaligen Ministerin Grete Rehor zwei persönliche Referenten; 1985 scharte Minister Dallinger deren elf um sich, und weitere elf dienten im inzwischen zum Ministerium erhobenen Gesundheitsbereich, wozu noch Be rater mit Konsulentenverträgen kamen.

Vor diesem Hintergrund ergeben sich bei einem Verzicht auf die Parteibuchwirtschaft für die Großparteien grundverschiedene Ausgangsstellungen:

Nach dem systematischen Ausbau der sozialistischen Positionen durch mehr als eineinhalb Jahrzehnte — die ÖVP-Untersuchung listet auf 15 Druckseiten, sagen wir, zumindest recht eigenwillige Entscheidungen zugunsten sozialistischer Bewerber auf — stünde es der SPÖ gut an, künftig große Zurückhaltung beim Durchdrük- ken sozialistischer Postenbewerber zu üben.

Trotz des sicher gegebenen großen Nachholbedarfs wäre die ÖVP gut beraten, wenn sie, im Sinne einer objektiven Postenvergabe, nicht nur ihre Anhänger, sondern auch parteiungebundene Kräfte zum Zug kommen ließe, wenn nur ihre Qualifikation stimmt. Damit würde der Weg zur Wiederherstellung eines parteiungebundenen Berufsbeamtentums geebnet, dessen Objektivität und Loyalität Österreich einst berühmt gemacht hat.

In die gleiche Richtung zielte ein mit 10. Juli 1986 im Nationalrat eingebracnter Gesetzesantrag von Neisser und Genossen für ein Ausschreibungsgesetz für Spitzenfunktionen im öffentlichen Dienst und die Einführung von Objektivierungskommissionen bei allen Dienststellen.

Dem Parlament wird es obliegen, den Antrag zum Beschluß zu erheben, den Ministern, seine Zielsetzungen in die Tat umzusetzen. Das gäbe eine zukunftsträchtige Wende!

Der Autor war vor seiner Pensionierung Pressereferent im Soziaiministerium unter Grete Rehor.

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