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Die Parteien des Landes legen „Halbzeit-Bilanz”

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Mit der derzeit laufenden Plakatwerbung der niederösterreichischen Volkspartei scheint endgültig festzustehen, wer einst die Erbschaft des trompetenspielenden Landesvaters Andreas Maurer antreten wird: Auf den Plakaten posieren in fröhlicher Eintracht Maurer und sein Vize, Siegfried Ludwig. Damit dürfte die Partei höchstpersönlich und bewußt allen Gerüchten, NEWAG-Generaldirektor Dr. Gruber könnte Ludwig im Mau- rer-Nachfolge-Rennen ausstechen, den Nährboden entzogen haben.

Landeshauptmann Andreas Maurer, auf diesen Plakat-Bonus für seinen Stellvertreter Ludwig im Zuge der Halbzeit-Veranstaltungen in Wiener Neustadt von Journalisten angesprochen, winkt aber ab: Zuerst seien die entsprechenden Beschlüsse der Parteigremien abzuwarten, ihnen könne er nicht vorgreifen: „Aber ich glaub’, noch schau’ ich nicht so aus, daß diese Beschlüsse zu fassen wären…” Niederösterreich gilt als traditionelles Kemland der Volkspartei. Bei den letzten Landtagswahlen vom 9. Juni 1974 brachte es die ÖVP auf 52,1 Prozent der Stimmen und damit 31 Mandate. Daß die niederösterreichische ÖVP aber keineswegs. so bombensicher im Sattel sitzt, wie die Optik vielleicht vorspiegeln mag, zeigen Vergleiche mit anderen Bundesländern. Etwa mit der Steiermark, die auf Grund ihrer soziologischen und wirtschaftlichen Struktur viel eher rot sein müßte, als Niederösterreich. Und dennoch verfügt die steirische Volkspartei bei der gleichen Anzahl von Landtagssitzen über den selben Mandatsanteil wie ihre niederösterreichischen Parteifreunde. Organisatorische Verbrauchserscheinungen in der einst fast paramilitärisch organisierten VP Niederösterreichs betrachten nun auch die Sozialisten unter Landeshauptmannstellvertreter Czettel als Hoffnungsfunke für ihre Ambitionen auf Ausbau ihrer Position. Daß die Sozialisten in Hinblick auf das machtpolitische Spiel in der Nach-Kreisky- Ära eine Stärkung in Niederösterreich dringend herbeisehnen, steht außer Zweifel. Daß sich im Kontrast zur Maurer-Volkspartei durchaus eine zweite politische Kraft im Lande stärker profilieren könnte, ist ebenso klar. Der ausschlaggebende Haken: Die Mannschaft um Czettel dürfte doch nicht ideal dafür sein, all diese Chancen wahrzunehmen, weshalb sich zwangsläufig auch die Frage nach der politischen Abhalfterung Czettels stellt. Beispiele in anderen Ländern brauchen erst gar nicht gesucht zu werden.

Zu zwei Drittel erfüllt…

Solcherart hat es Andreas Maurer relativ einfach, seine Partei und seinen eigenen Namen mit Fortschritt und Aufschwung im Lande gleichzusetzen: „Niederösterreich ist das Agrarland Nummer 1 geblieben und das Industrieland Nummer 1 geworden”, tönt es selbstsicher aus seinem Munde. „Rund zwei Drittel dessen, was wir für uns für die Jahre 1974 bis 1979 vorgenommen haben, sind schon jetzt politische Realität.” Ą1& konkrete Punkte nennt Maurer den Abschluß der Kommunalreform, das neue Raumordnungsgesetz, das die Regionalplanung ermöglicht, die Einigung über die neue Landesverfassung mit ihren zusätzlichen plebiszitären Elementen, die Verabschiedung des Landwirtschaftsgesetzes, die Arbeitnehmerförderung, die Novelle zum Krankenanstaltengesetz, die für einige Aufregung gesorgt hat, sowie den Abschluß der Reorganisation des Pflichtschulwesens.

Neben der Verteidigung des Föderalismus im Zuge der Finanzausgleichsverhandlungen möchte Andreas Maurer seine schwarze Landtagsfraktion in der zweiten Hälfte der Gesetzgebungsperiode auf eine moderne Familienpolitik einschießen: „Gesunde Familien als Kern einer gesunden Gesellschaft werden jener Wert sein, an dem die niederösterreichische Volkspartei ihre Arbeit in der Zukunft orientieren wird”, denn die Familie sei „eine der bedeutendsten Bastionen gegen das Kollektiv und gegen die Vermassung”.

Familienpolitik stärker beachten

Familienpolitik wird bei Maurer verstanden als wesentlicher Bestandteil einer modernen Mittelstandspolitik und als Alternative zu den gesellschaftspolitischen Zielsetzungen der Sozialisten. Maurer: „Weder die Tatsache, daß im Bundeskanzleramt eine Staatssekretärin für Familienangelegenheiten residiert, noch die Schülerfreifahrten und die Gratisschulbücher können ungeschehen machen, daß die Familie durch die sozialistische Politik wirtschaftlich ausgehöhlt und wirtschaftlich bewußt benachteiligt wird.”

Prüfstein für die Zusammenarbeit zwischen Schwarz und Rot im Lande Niederösterreich ist seit je die Personalpolitik in der Landesverwaltung. Der Volkspartei wirft die SPÖ vor, kein einziger Bezirkshauptmann gehöre der SPÖ an, was auf den schwarzen „Meinungsterror” in der Landesverwaltung zurückzuführen sein. Als sich kürzlich ein Sekretär von Landeshauptmannstellvertreter Hans Czettel für den Posten des „Bezirkshäuptlings” von St. Pölten bewarb und erfolglos blieb, schäumten die Sozialisten ganz besonders. Dazu Maurer ganz nüchtern: „Wenn einer die Voraussetzungen für die Leitung einer Bezirkshauptmannschaft nicht erfüllt, dann kann er es auch nicht werden. Ein Sekretär von Landeshauptmann-

Fraktion Theologie

Auch bei den heurigen Hochschülerschaftswahlen kandidiert wieder die Fraktion Theologie. Es ist dies die Liste studierender Christen, die schon seit zwei Funktionsperioden im Zentralausschuß und im Hauptausschuß der österreichischen Hochschülerschaft an der Universität Wien vertreten ist’.

Sie kandidieren, weil sie der Meinung sind, daß christliche Verantwortung alle Bereiche unseres Lebens umfaßt und somit auch den Bereich der Politik. Die Fraktion Theologie hat sich bemüht, die christlichen Anhegen in den Gremien der Studentenvertretung zu artikulieren. Als Ergebnisse dieser Arbeit zählt die Fraktion Theologie auf:

• 2wöchige Informationskampagne zum Thema: Schutz und Förderung des menschlichen Lebens;

• Unterschriftensammlung im Universitätsbereich für das Volksbegehren zum Schutz des menschlichen Lebens;

• Wesentliche Erhöhung des Budgets der Katholisch-Theologischen und Evangelisch-Theologischen Fachschaft;

• Initiative zur Errichtung einer Familien- und Partnerberatungsstelle im Rahmen der Universität Wien.

Bei der letzten Wahl erreichte die Fraktion Theologie 550 Stimmen in ganz Österreich und damit ein Mandat im Zentralausschuß der ÖH und 350 Stimmen an der Universität Wien und damit ein Mandat im Wiener Hauptausschuß.

Stellvertreter Czettel erfüllt diese Voraussetzungen nicht, denn er müßte ja bereits in zwei verschiedenen Bezirken Dienst gemacht haben.” Der alte Haudegen und ÖAAB-Gewaltige Prader nimmt im Gegenzug die einfarbig rote Personalpolitik in den Arbeiterkammem unter Beschuß: „Sie werden in den Außenstellen net amol a Bedienerin finden, die net der SPÖ angehört..

Man mag die Personalpolitik der ÖVP in Niederösterreich sehen wie man will, mit ihrer Forderung „Menschenrechte auch in Niederösterreich” hat sich die SPÖ doch um einige Nuancen in der Ausdrucksweise vergriffen. Auf einer Pressekonferenz vermerkte kürzlich Hans Czettel, in Niederösterreich komme es immer wieder vor, daß Mitbürger wegen ihrer Gesinnung beruflich diskriminiert werden.

Menschenrechte auch in Niederösterreich

In der Sozialistischen Korrespondenz liest sich die Menschenrechtskampagne der niederösterreichischen Sozialisten auch recht spannend: „Die SP-Landesregierungsmit- glieder sowie eine Reihe weiblicher Landtagsabgeordneter werden sich nun mit einem Postwurf, der den wesentlichen Inhalt der .Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten* enthält, an alle Haushalte wenden. Die Öffentlichkeit des Landes wird damit aufgerufen, die, Bestrebungen der Aktion ,Für Gesinnungsfreiheit in Niederösterreich” zu unterstützen.”

Damit dürften die Genossen doch um einige Lagen zu dick aufgetragen haben. Oder wollen sie den Wiener ÖVP-Chef Erhard Busek dazu reizen, die Einhaltung der Helsinki-Akte auch in Wien zu verlangen. Der Scherz hätte eine ähnliche Dimension.

Die scheinbar doch noch vorhandene Gesinnungsfreiheit im Lande Niederösterreich trachtet Hans Czettel, der auf den Plakaten mit einem Schraubenschlüssel posiert, derzeit für sich zu mobilisieren. Für die Funktion des Schraubenschlüssels hat Siegfried Ludwig aber vermutlich eine andere Erklärung parat als Czettel selbst: „Die Sozialisten rechnen für 1979 mit einer gewaltigen .Schraufn, weshalb sie sich schon jetzt den passenden Schraubenschlüssel ausgesucht haben.”

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