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Der lange Abschied des Hans Czettel

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Wieder einmal versuchte Bruno Kreisky die personellen Weichen in seinem politischen Stammland Niederösterreich zu stellen: Im Zuge der unaufschiebbar gewordenen Regierungsumbildung bot er dem sozialistischen Landesparteivorsitzenden und.

Landeshauptmann-Stellvertreter Hans Czettel die Führung des Innenministeriums an, eine Funktion, die Czettel schon zwischen 1964 und 1966 bekleidet hatte. An seine Stelle wäre dann Otto Rösch in den niederösterreichischen Landtag und für die Landtagswahlen im späten Frühjahr 1979 in die Rolle eines sozialistischen Spitzenkandidaten geschlüpft. Zentralsekretär Blecha oder der SP-Militär Kuntner hätten dann wohl oder übel sozialistische Verteidigungspolitik in der Dominikanerbastei exekutieren müssen.

Die Idee für diese Personal-Rochade stammt vom ehemaligen Wahlreiseleiter Kreiskys, dem heutigen SP-Lan- desparteisekretär Max Strache. Im Verein mit maßgeblichen sozialistischen Politikern machte er Kreisky klar, daß den niederösterreichischen Sozialisten unter der Führung von Hans Czettel 1979 die dritte schwere Wahlniederlage (seit 1969) in ununterbrochener Reihenfolge bevorstehe.

Alle Profilierungsversuche der niederösterreichischen Sozialisten, so Strache und Genossen, müßten am Apparatschik-Image des früheren Betriebsratsobmannes Hans Czettel scheitern. Überdies, so die Kritiker, sei es geradezu unmöglich, aus dem unverwechselbaren Ottakringer Hans Czettel einen chancenreichen Anwärter auf das Amt des Landeshauptmanns im zweitgrößten österreichischen Bundesland zu formen.

SP-Vorsitzender Kreisky sah das alles ein, zögerte aber zunächst, einen Konflikt mit dem ÖGB, der voll und ganz hinter Czettel steht - den Anton Benya einst lieber als Kreisky an der Parteispitze gesehen hätte zu riskieren. Er besprach schließlich die Sache mit Hans Czettel selbst, der Kreisky klipp und klar erklärte, in Niederösterreich bleiben zu wollen. Er sei allerdings bereit, für den Fall der dritten Wahlniederlage en suite noch im Herbst 1979 seine politischen Spitzenfunktionen in Niederösterreich abzutreten.

Hans Czettels Handlungsweise ist Ausdruck tiefer Resignation, die nicht nur die Folge seiner Wahlniederlagen, sondern auch diverser Herzattacken ist. Mit einem überdimensionierten Schraubenschlüssel im Arm lächelt er auf Wahlplakaten einem Wählerpublikum zu, das ihm insofern unbekannt und undurchschaubar ist, als er es samt und sonders in den Fabrikshallen der Schoeller-Bleckmann-Werke in Temitz ansiedelt. Die ‘soziologische

Struktur des Waldviertels blieb ihm ebenso verborgen wie die Bodenständigkeit der Menschen in Waidhofen an der Ybbs oder in Melk.

Jüngste Meinungsumfragen in Niederösterreich zeigen, daß sich der große körperliche Einsatz von Hans Czettel in den diversen ihm von Landesparteisekretär Strache verordne- ten Aktionen nicht bezahlt gemacht hat. Einige dieser Aktionen wurden vo$ der niederösterreichischen Volks- .partei mit einer an Chuzpe grenzenden Unverfrorenheit unterlaufen, so daß heute die Mehrheit der Niederösterreicher glaubt, es handle sich um Initiativen der ÖVP. Die wiederum preist den SP-Landesparteisekretär Strache als einen Mann, der einen Orden für seine Bumerang-Werbeaktionen verdiente. Tatsächlich läßt das Schraubenschlüssel-Plakat Czettels völlig offen, für wen hier eigentlich geworben wird.

Hans Czettel dürfte seinen langen Abschied aus der niederösterreichischen Landespolitik bis zum Schluß mit freundlicher und optimistischer Miene garnieren. Zuletzt ließ er sich wider besseres Wissen zu verbalen Attacken gegen die niederösterreichische Volkspartei drängen. Tatsächlich ließ ihn die „Eiszeit”-Drohung der ÖVP um die wenigen Früchte seiner Arbeit in Niederösterreich fürchten: um das gute politische Klima in Niederösterreich, um die Du-Freund- schaft mit seinem politischen Konkurrenten Andreas Maurer.

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