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Auf der langen Bank

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Macht und Führerkult waren nie gute Bündnispartner von Parteireformen. Nach ihrem überzeugenden und überlegenen Wahlsieg vom 5. Oktober scheint die Bereinigung personeller* organisatorischer und struktureller Probleme innerhalb der Sozialistischen Partei doch schwieriger zu sein. Vor allem von den Landesorganisationen Oberösterreich, Steiermark, Salzburg, Tirol und Vorarlberg dringt immer stärker der Ruf an die Wiener Parteizentrale, doch endlich innerparteiliche Strukturprobleme einheitlich zu lösen. Zu diesen Strukturproblemen zählen in bunter Reihenfolge: die Ämterkumulierung auch im mittleren Parteifunktionärskader, die Umsetzung des verhältnismäßig liberalen Images auf Bundesebene auf einige Landesorganisationen und Landesspitzen (Steiermark, Salzburg, auch Vorarlberg), damit verbunden die Abkehr vom Image einer reinen Arbeitnehmerpartei, die Aktivierung jugendlicher Wähler, die selbst am 5. Oktober die Volkspartei vor der Sozialistischen Partei bevorzugt haben dürften.

Nicht minder harte Brocken harren auf organisatorischem Gebiet der Be-fassung und Erledigung. Dazu zählen in erster Linie: die Erfassung von Mitgliedern über den Computer, die Vereinheitlichung des Inkassowesens (Erlagschein-System), die publizistische Betreuung der Mitglieder vor allem in den westlichen Bundesländern (wo die „Arbeiter-Zeitung“ tatsächlich unter Ausschluß der Öffentlichkeit erscheint), die Verbreitung und Verdichtung des Kommunikationsflusses zwischen der Wiener Parteizentrale und den Landeszentralen und zwischen der Spitze und der Basis, schließlich aber auch eine stärkere Präsenz von Regierungsmit-gliederri in den Bundesländern. Vor allem Salzburg, Tirol und Vorarlberg fühlen sich hier von Wien fast völlig im Stich gelassen, wenn man davon absieht, daß es Bundeskanzler Kreisky gelegentlich gelingt, für spektakuläre Veranstaltungen prominente Persönlichkeiten für gemeinsame Auftritte etwa auf Schloß Kiesheim zu gewinnen.

Leichtgewichtige personelle Fragen, wie etwa die Bestellung des SPÖ-Organisationsleiter Max Stra-che zum Landesparteisekretär der SPÖ-Niederösterreich, dürften verhältnismäßig einfach über die Parteibühne gehen. Schwieriger dürfte es schon sein, farblose Spitzenkandidaten in einigen Landesorganisationen noch vor dem Anlaufen diverser Wahlkampagnen für Landtagswahlen zum Abschied von der Macht zu bewegen. Noch vor dem 5. Oktober standen der steirische SPÖ-Landes-obmann Sebastian und sein glückloser Salzburger Kollege Steinocher auf der Abschußliste des Parteivorsitzenden Kreisky. Gegen Sebastian startete die SP-Zentrale über das ihr publizistisch ergebene Sensations-Blatt „Stern“ massive Beschuldigungen, die nur einen Schluß zuließen: Sebastian muß weg. Nun aber hat die Sozialistische Partei gerade in der Steiermark am 5. Oktober einen deutlichen Vorsprung vor der Volkspartei des Landeshauptmanns Niederl herausgearbeitet, der Landesobmann Sebastian den Rücken gegen allerlei Wiener Pärteiintrigen gestärkt haben dürfte. Obwohl innerparteilich klar ist, daß das kein Sebastian-, sondern ein Kreisky-Erfolg war, dürfte es doch schwerfallen, den ungewünschten Landeschef abzulösen.

Etwas besser liegen die Dinge aus der Sicht der Wiener Parteizentrale in Salzburg, wo die SPÖ am 5. Oktober ihr Stimmenkontingent gegenüber den letzten Nationalratswahlen nicht verbesserte. Auch hier fürchtet man in der Wiener Löwelstraße bei den nächsten Landtagswahlen eine Wiederholung der eklatanten Niederlage vom März 1974.

Klar verloren hat am 5. Oktober der sentimentale Favorit von Bundeskanzler Kreisky, Tirols Parteiobmann Herbert Saldier. In den ersten fünf Jahren seit seiner Wahl zum Tiroler Parteiobmann hat er bei Landtags-, Präsidentschafts- und Nationalratswahlen Niederlagen gesammelt. Dies geschah trotz massiver Hilfe Kreiskys, der noch vor wenigen Jahren Saldier ministrabel nannte.

Das Nationalratswahlergebnis vom 5. Oktober dürfte den oberösterreichischen Parteiobmann Rupert Hartl sehr geholfen haben, obwohl das starke Stimmenplus der SPÖ für ihn eine schwere Hypothek für die. nächste Landesauseinandersetzung darstellt. Es kommt nicht von ungefähr, wenn vor allem Rupert Hartl in der Wiener Parteizentrale immer wieder mit Reorganisationsplänen vorstellig wird und jüngst erst die erste Zeit nach den Nationalratswahlen zur Reformzeit innerhalb der Sozialistischen Partei ausgeschrieben hat.

Auch in Niederösterreich steht Parteiobmann Hans Czettel harte Arbeit bevor. Das Nationalratswahlergebnis brachte die SPÖ an die ÖVP heran, im Landtag regiert dagegen die Volkspartei mit absoluter Mehrheit Gelingt es dem neubestellten Landesparteisekretär Max Strache, die in ihn gesetzen Erwartungen zu erfüllen und Sich auch zu profilieren, so könnte noch in den nächsten zwei Jahren eine Ablöse des auch physisch angegriffenen Hans Czettel erfolgen.

Burgenland und Vorarlberg stehen derzeit außer Diskussion; in Wien ist es eine Frage, ob nicht in nächster Zeit SPÖ-Klubobmann Reinhold Suttner, Mitverantwortlicher am Bauring-Skandal, dennoch ausgewechselt werden muß; weitreichendere personelle Entscheidungen sollen erst fallen, wenn Bruno Kreisky die Parteiführung abzugeben gewillt ist. Dafür ist der Wiener Parteiobmann Leopold Gratz zur Zeit Favorit. Freilich — die Entscheidung liegt heute mehr als morgen bei Kreisky: bestellt er nach dem Abgang von Vizekanzler Häuser Finanzminister Androsch zu dessen Nachfolger, so dürften die Würfel für Androsch und gegen Gratz gefallen sein. Wie überhaupt alle Entscheidungsgewalt über die Richtung der innerparteilichen Reform bei Bruno Kreisky liegt. In SPÖ-Kreisen ist es schon bitter, daß als „Reform“ das verkauft wird, was der Parteiobmann als solche bezeichnet. Auch wenn notwendige Arbeit auf der langen Bank liegen bleibt.

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