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Kann Kessler Mehrheit halten?

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Mit der Vorarlberger Landtagswahl am 21. Oktober endet das für Österreich so hektische Wahljahr 1979. Durch die Vorverlegung der Nationalratswahlen konnte die Legislaturperiode des Landtages in aller Ruhe auslaufen. Durch die zementierte Mehrheit der ÖVP im äußersten Westen Österreichs wird es keinen Erdrutsch geben, aber vielleicht einige Bewegung innerhalb der Prozentpunkte in der Stimmenverteilung.

Mit einem Stimmenanteil von beinahe 57 Prozent stellt die ÖVP 22 Abgeordnete. Die SPÖ, die seit 1945 in Vorarlberg Mitverantwortung getragen hatte und dann aus der Regierung verbannt und in die Kälte der Opposition geschickt wurde, bringt es mit 27,6 Prozent der Stimmen auf zehn Abgeordnete. Die FPÖ, Regierungspartner der Volkspartei, stellt vier Abgeordnete.

Die letzten fünf Jahre Opposition machten aus dem eher verträumten Vorarlberger Landtag ein echtes Parlament, das die Regierung ganz ordentlich kontrollierte und mit 240 Anfragen eindeckte, kl den Jahren 1969 bis 1974, als noch im Landtag die Eintracht eines Gesangsvereines herrschte, wurden nur 27 Anfragen gestellt.

Von den 40 Gesetzen, die beschlossen wurden, ist das Sicherheitsgesetz in guter Erinnerung. Mit der Mehrheit von ÖVP und FPÖ beschlossen, wehrte sich die SPÖ gegen die Bürgermeister als „Ortssheriffs“; die Abstimmungsniederlage korrigierte die SPÖ-Minderheit über die Hintertreppe des Verfassungsgerichtshofes. Das Höchstgericht hob das Gesetz fast völlig auf, geblieben sind die Passagen über Orden und Auszeichnungen.

Uber diese Vorarlberg-Schman-kerln vergaß man allerdings zu regieren, sodaß man manchmal den Eindruck hat, das Ländle werde trotz starker VP-Mehrheit nur verwaltet. Wichtige Entscheidungen wurden auf die lange Bank geschoben. Standortfragen von öllager, Müllverwertungsanlagen und einer Kaserne wurden nicht gelöst und lustlos auf Gemeindeebene abgeschoben.

Ein Gastarbeiteranteil von 18 Prozent stellt das Land vor Probleme, die von der Überfremdung über die Schulen bis zur Unterbringung der Gastarbeiter reichen. Landeshauptmann Herbert Kessler trat kürzlich auch für einen Gastarbeiterstopp ein, obwohl er sich dabei gleich mit der Wirtschaft anlegte.

So wird man im Wahlkampf, ganz gegen die alemannische Art, den Sachfragen tunlichst ausweichen. Die ÖVP, die sich im Ländle gern Vorarlbergpartei nennt, wird sich auf ihre Leistungen beschränken und eine gesicherte Zukunft versprechen. Damit die ÖVP als bodenständige Partei Profil gewinnen kann, wird nicht ein einziger der ÖVP-Bundes-politiker über den Arlberg reisen.

Umweltschutz wird für alle drei Parteien der Renner dieser Wahlen sein. Schließlich waren am 5. November 84,4 Prozent aller Vorarlberger gegen die Inbetriebnahme von Zwentendorf. Um die Lorberen beim Bau des Arlbergtunnels werden sich ÖVP und SPÖ gemeinsam streiten. Die Sozialisten werden ihre guten Beziehungen zum Bund herausstreichen, während die Ländle-VP die Vorfinanzierung des Jahrhundertbauwerks durch das Land ins rechte Licht rücken wird.

Ende Juli, mitten im landespolitischen Sommerschlummer, platzten die „Vorarlberger Nachrichten“ mit einer Meinungsumfrage zu den Landtagswahlen herein. Nach dieser Erhebung würde der Stimmenanteil der SPÖ von 27,5 auf 32,4 Prozent anschwellen und die ÖVP hätte Verluste von 3,5 Prozent zu befürchten und würde auf 53,4 Prozent absak-ken. Die auf ihren „harten Kern“ reduzierte FPÖ würde ihren Anteil von 13,6 Prozent halten können.

SP-Parteiobmann Fritz Mayer, durch diese Umfrage gestärkt, schlug Ende Juli den Genossen vor, ihn zum Spitzenkandidaten zu machen, obwohl ein Jahr vorher beschlossen worden war, nur Spitzenkandidaten in den einzelnen Wahlkreisen aufzustellen. Trotz der demoskopischen Frohbotschaft war die Parteispitze auf diesem Ohr taub. Auch wenn die rote Landtagsriege durch ihre Oppositionspolitik Profil gewonnen hat, scheint in letzter Zeit ein Trend gegen die SPÖ zu laufen. Daher wird auch die Diskussion um die Regierungsbeteiligung auf Sparflamme geführt.

Neuester Vorschlag der ÖVP: Statt der Aufstockung von sieben auf neun Landesräte will man für die SPÖ Regierungsreferenten - so etwas wie Staatssekretäre in der Bundesregierung - einführen. SPÖ-Chef Mayer: „Uns stehen auf Grund der Wählerstimmen zwei Landesräte zu.“ Landeshauptmann Kessler: „Eine Aufstockung wäre unpopulär. Diese Verhandlungen werden sicher erst nach der Wahl geführt.“

Die Vorarlberger FPÖ, mit vier Mandaten im Landtag vertreten, wurde 1974 arg geschlagen. Von der stolzen sieben-Mann-Riege sind nur mehr vier übrig geblieben. Nach der Umfrage geht sie mit dem Halten ihres 13,6-Prozentanteils einer sicheren aber mageren Zukunft entgegen. Durch die Regierungsbeteiligung beim übermächtigen Partner ÖVP konnten die „Blauen“ nur schwer Profil gewinnen, auch wenn sich FP-Landesrat Karl Werner Rüsch sehr um die Lösung der Flächenwidmung bemühte. Ihre klare Haltung in Sachen Atom könnte der Wähler ebenso honorieren wie den Götz-Effekt, der hinter dem Arlberg noch zu spüren ist.

(Der Autor ist Redakteur der „Neuen Vorarlberger Tageszeitung“)

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