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Tirol ohne Wahlfieber

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Erst in den letzten Wochen vor dem 22. Oktober, dem Tag, an dem in Tirol LandtagswaRlen stattfinden, kam etwas Wahlkampfstimmung auf. Landauf, landab verzeichnet der Tiroler Fremdenverkehr durch das herrliche Herbstwetter eine Spätlese, die Plakate und Parolen der wahlwerbenden Parteien lange vergessen ließ. Die Österreichische Volkspartei ist mit einem gut vorbereiteten Programm in den Wahlkampf gegangen. Dieses Programm ist, wie Landesparteiobmann Wallnöfer, der unumstrittene Bauernführer, feststellte, zugleich Arbeitsprogramm für die kommende Legislaturperiode des Landtages. Neben rein landespolitischen Nahzielen, wie etwa der Förderung des kulturellen Lebens, dem Umbau des Landestheaters, dem Neubau der Innsbrucker Dogana als modernes Kongreßhaus, dem Stra- ßen-Güterwege-Bau, Schulbauten, bestimmten, bäuerlichen, gewerblichen und industriellen Anliegen, beinhaltet das ÖVP-Arbeitsprogramm auch eine ganze Reihe von Punkten, die von gesamtösterreichischer Bedeutung sind.

Tirol ist, wie es im Arbeitsprogramm heißt, an der baldigen Herbeiführung einer gesamtösterreichischen Integration besonders interessiert, weil die Industrie 25 Prozent ihrer Produktion in die EWG-Länder ausführt und die Landwirtschaft 97 Prozent ihres Exports in den EWG-Lätjdern absetzt.

Sehr intensiv befaßt sich das Arbeitsprogramm auch mit der Aufteilung der Rechte zwischen Bund, Land und Gemeinden. Im einzelnen wird gefordert: Eine allmähliche Neuregelung der Zuständigkeit für das Förderungswesen in Kultur, Wirtschaft und für den Wohnungsbau, Auflösung des Wasserwirtschaftsfonds und Zuweisung seiner Mittel als Zweckzuschüsse an die Länder; Kultur, Volksbildung und Sport müssen Landessache bleiben, das Forst- und Elektrizitätswesen soll nur dem Grundgesetz nach Bundessache bleiben, die Ausführungsgesetzgebung soll den Ländern obliegen.

Der Anteil der land- und forstwirtschaftlichen und der gewerblich-industriellen Bevölkerung hat sich gerade in das Gegenteil verkehrt. Gehörten vor dem Krieg 35 Prozent der Gesamtbevölkerung der Land- und Forstwirtschaft an, so waren es 1951 nur noch 25,6 Prozent, während sich gegen-

Die Freiheitliche Partei Österreichs ist bisher im Wahlkampf nicht besonders hervorgetreten. Die FPö hat auch kein Wahlprogramm erstellt, sondern will aus der Opposition in die Mitverantwortung im „Landtag aufstęigen. SU erhofft sich vor allem Einfluß auf den Einschau- und Kontrollbereich. In der letzten Phase des Wahlkampfes Weisen die Freiheitlichen immer wieder wärtig ihr Anteil nur noch auf 20 Prozent belaufen dürfte. Darüber hinaus ist zu bedenken, daß anläßlich der Volkszählung 1951 rund 95.000 Personen festgestellt wurden, die nicht im Lande geboren wurden. Weitere 19.000 Personen erhielten von 1951 bis 1957 die österreichische Staatsbürgerschaft zugesprochen. Aus diesen aufgezeigten Entwicklungen heraus wird natürlich eine gewisse leichte Kräfteverschiebung zur SPÖ an sich schon verständlich. Einen genauen Einblick in die Entwicklung bieten die folgenden Vergleiche:auf die Erfolge der FPD in Westdeutschland hin und arbeiten mit dem Slogan: „Machen wir es den Deutschen nach.”

Die SPÖ ging mit den traditionellen sozialen Wünschen in de WahIJcampf. Sehr geschickt nützten die Sozialisten in ihref Agitation vor alletÜ die steigenden Preise aus. Es ist aber’ durchaus möglich, daß dieses Argument nach einer ÖVP-Aufklärungskampagne, die Finanzminister Klaus in Wahlversammlungen anführte, auf die SPÖ zurückfällt.

Wie wird nun der neue Landtag aussehen? Diese Frage zu beantworten fällt nicht leicht. Die Volkspartei hat mit einer Reihe neuer junger Männer ihre Kandidatenliste erneuert. Auf der anderen Seite wirken aber zweifellos gewisse sozialistische Kampagnen, die sich vor allem gegen die Landwirtschaftskammer und den ÖVP-Landes- parteisekretär richten. Inwieweit diese aber tatsächlichen auf den Willen der Wähler Einfluß haben, läßt sich schwer abschätzen. Den Erfahrungen nach — denken wir nur an den Stickstoffskandal und an Haselgruber — hat sich immer wieder gezeigt, daß solche Dinge den Wähler in seiner Entscheidung kaum bestimmen.

Wenn man die Ergebnisse der Nationalratswahlen von 1959 als rechnerische Grundlage für die Neuverteilung der Mandate für den Landtag nimmt, so bleibt in Tirol alles beim alten. Die ÖVP bekommt 23 Grundmandate und kein Restmandat, die SPÖ 10 Grundmandate und 1 Restmandat und die FPÖ 1 Grundmandat und ebenfalls 1 Restmandat. Die Zahl der Wahlberechtigten hat im Vergleich zu den Landtagswahlen von 1957 um 20.395 Personen zugenommen. (1957: 269.451 Wahlberechtigte, 1961: 289.846 Wahlberechtigte.) „Unsicherheitsfaktor”: Kufstein

Bedenklich für die Volkspartei ist lediglich eine Splitterliste der ÖVP im Wahlkreis Nord, in Kufstein, der man zwar keine Chancen gibt, ein eigenes Mandat zu erringen, die aber doch Reststimmen kosten wird. Diese Stimmen, eine gut organisierte FPÖ mit zugkräftigen Spitzenkandidaten im Bezirk Kitzbühel sowie etwa 3000 zum Kraftwerkbau im Kauertal zugewanderte Arbeiter aus anderen Bundesländern, die aber zum Teil wahlberechtigt sind, könnten unter Umständen einen leichten Trend zu SPÖ und FPÖ auslösen. Auch 30.000 Jungwähler sind bei Spekulationen über den Ausgang der Wahlen eine nicht zu übersehende Unbekannte.

Ein Erdrutsch zugunsten irgend-

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geschlossen. Genau so unmöglich war es’,.aber ‘deni.Parteien, in der Tiroler Bevölkerung ein Wahlfieber zu erzeugen.

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