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Reizklima im „Ländle"

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Vorarlberg ist das einzige österreichische Bundesland, in dem die ÖVP (noch) über eine absolute Stimmenmehrheit verfügt. Vor-arlberg ist auch das einzige Bundesland, in dem die Zusammensetzung der Regierung nach dem Majorz- und nicht nach dem Proporzprinzip geregelt ist.

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Vorarlberg ist das einzige österreichische Bundesland, in dem die ÖVP (noch) über eine absolute Stimmenmehrheit verfügt. Vor-arlberg ist auch das einzige Bundesland, in dem die Zusammensetzung der Regierung nach dem Majorz- und nicht nach dem Proporzprinzip geregelt ist.

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Seit 18 Jahren bilden ÖVP und FPÖ die Regierung, SPÖ und Grüne sitzen auf den harten Oppositionsbänken. Das könnte sich ändern: Die ÖVP zittert um ihre absolute Mehrheit. Der Regierungspartner FPÖ macht im Landtag im Haider-Stil knallharte Opposition - während ihr Landesrat es mit der Übermacht der sechs ÖVP-Regierungsmitglieder recht gut kann. Und die SPÖ rüstet auf.

Seit der junge Jurist und Mölzer-Freund Ewald Stadler vor eineinhalb Jahren zum Klubobmann der bei den letzten Landtagswahlen 1989 von drei auf sechs Abgeordnete verdoppelten FPÖ-Landtagsriege gewählt wurde, knirscht es im Gebälk der Ländle-Politik. Stadler betreibt „kantige" Politik im Sinn und Stil seines großen Vorbildes Jörg Haider. Und er versäumt kaum eine Gelegenheit, der noch alle -Fäden der Macht in der Hand haltenden ÖVP „an den Karren zu fahren", den Regierungspartner zu attackieren und zu'provozieren.

In Sachfragen finden ÖVP und FPÖ noch eine leidliche Basis der Zusammenarbeit, klimatisch ist die Atmosphäre vergiftet. Das ging selbst dem freiheitlichen Landesrat Hans Dieter Grabher aus Lustenau zu weit: Er warf sich vor einigen Monaten als langjähriger Landesparteiobmann der FPO Stadlers wegen selbst das Handtuch und nahm am Parteitag trotz eines 70-Prozent-Ergebnisses die Wiederwahl nicht an. Diese Funktion bekleidet seither der ehemalige Bundesobmann der FPÖ-Jugend, Hubert Gorbach, der mit Haider ebenso gut kann wie mit dessen Vorgänger Norbert Steger. Bis zu den nächsten Landtagswahlen im Herbst 1994 dürfte Hans Dieter Grabher Landesrat bleiben - dann ist alles offen.

Und die ÖVP? Das VP-Führungs-tandem Parteiobmann Herbert Saus-gruber und Landeshauptmann Martin Purtscher haben sichtlich die Parole ausgegeben, dem FPÖ-Heißsporn Stadler nicht das Vergnügen zu gönnen, die freiwillige „Koalition" von

ÖVP und FPÖ auf Regierungsebene zu sprengen, die Stadler-Attacken „auszusitzen" - und auf den groben FPÖ-Klotz einen mindestens ebenso groben Keil zu setzen.

Die Taktik der ÖVP liegt auf der Hand: Niemand gibt ihr die Gewähr, daß ihr mit Landeshauptmann Martin Purtscher als Zugpferd und Spitzenkandidat eine Wiederholung des Überraschungserfolgs von 1989 gelingt, als die ÖVP mit genau 51 Prozent der Stimmen und 20 von 36 Landtagsmandaten nochmals die absolute Mehrheit einfuhr. Daß sich die Ländle-Schwarzen nicht in Sicherheit wiegen, dafür sorgt unter anderem die Erinnerung an die Nationalratswahl 1990, als die ÖVP im Ländle auf gut 40 Prozent absackte.

Geht allerdings die Absolute im Herbst 1994 verloren, braucht die ÖVP einen Partner - sei es erneut die FPÖ, die bisher mehr Aufputz als Notwendigkeit in der Landesregierung war, sei es die SPÖ, der man seit 1974 nach jeder Wahl die Tür zur Regierungsbeteiligung vor der Nase zuschlug, sei es wer sonst immer, von den Grünen bis zur „Wirtschaftspartei" des Dornbirner Handels-Tycoons Martin Zumtobel, falls dieses zarte Pflänzchen der Innenpolitik bis dahin noch nicht völlig verdorrt ist.

Das ist der strategische Hintergrund, warum die ÖVP der FPÖ trotz des Reizklimas zwischen beiden Partnern im Landtag nicht den Regierungssessel vor die Tür setzt, obwohl sie bislang allein regieren könnte.

Vor diesem Hintergrund hält die bei den letzten Landtagswahlen bis an die 20-Prozent-Marke und acht Mandate abgerutschte SPÖ am 7. November in Dornbirn ihren Landesparteitag ab. Überraschend hat der bisherige Klubobmann der größeren Oppositionspartei, Elmar Mayer, seine Gegenkandidatur zum bisherigen SPÖ-Landesobmann Arnulf Häfele angesagt, nicht ohne in den Parteibezirken und Ortsgruppen seine Chancen abzuklopfen.

Es geht bei dieser Kampfabstimmung am 7. November nicht nur um das verbreitete Murren an der Basis über die Ineffizienz und Führungsschwäche des bisherigen Parteichefs Häfele und seines Parteisekretärs Hanno Schuster. Elmar Mayer will die asthmatische SPÖ im Ländle auf neuen Kurs führen, ihr frischen Sauerstoff zuführen und sie für die ÖVP - im Blick auf deren gestörtes Verhältnis mit der FPÖ - „ministrabel", also als Koalitionsalternative für die ÖVP attraktiv machen. Daß dies nach bald zwei Jahrzehnten fruchtloser Opposition die letzte Chance der SPÖ im Land, aber auch Elmar Mayers letztes Spiel in der Landespolitik ist, falls der Coup mißlingt, weiß auch der Häfele-Herausforderer. Bleibt zu vermerken: Die Grünen und Alternativen, die 1984 mit ihrer Leitfigur Kas-panaze Sim-ma zusammen mit vier Mandaten einen Triumph einfuhren und 1989 dank Zersplitterung auf zwei Mandate absackten, versuchen vorsichtig einen Schulterschluß. Auch ein Comeback des Bregenzerwälder Bauern Kaspanaze Simma, der sich 1989 aus der Politik zurückzog, ist nicht ausgeschlossen.

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